Bundespräsident Van der Bellen ehrte österreichische Nobelpreisträger mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen am Bande

Es ist die höchstmögliche Auszeichnung und Anerkennung, die Österreich vergeben kann – und gestern wurden drei Nobelpreisträger: Eric Kandel, Peter Handke und Anton Zeilinger von Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet.

»Was Sie drei auszeichnet, ist die intensive Hingabe zu einem Beruf, Leidenschaft und Hartnäckigkeit«

 

Meine Damen und Herren!

Drei Nobelpreisträger, eine Laudatio – man könnte dies als Herkulesaufgabe bezeichnen. Oder als Sisyphos-Arbeit. Je nachdem, ob dem Versuch Erfolg beschieden ist oder nicht. Wie dem auch sei: Ich heiße Sie Alle  hier in der Wiener Hofburg  ganz herzlich willkommen.

Ganz besonders möchte ich  Eric Kandel, Peter Handke und Anton Zeilinger begrüßen,  deren Verdienste heute  in diesem festlichen Rahmen gewürdigt werden sollen.

Sie, alle drei, haben die höchste Auszeichnung verliehen bekommen, die es in ihrem jeweiligen Berufszweig zu erlangen gibt – wobei Berufszweig möglicherweise das falsche Wort ist, klingt es doch eher nach einer trockenen, um nicht zu sagen bürokratischen Tätigkeit.

Was Sie drei hingegen auszeichnet, ist die Hingabe zu einem Beruf, eine so intensive Hingabe, dass sie den Rahmen des Üblichen sprengt. Leidenschaft, Hartnäckigkeit – ja, und freilich auch Talent, Begabung,im 19.Jahrhundert hätte man gesagt: Genie.

Dies alles zeichnet Sie aus. Genie aber, das hat uns Immanuel Kant gelehrt, bedeutet, dass man neue Wege beschreiten müssen und sich auch den Widerständen stellen muss, die meist damit verbunden sind. Davon werden Sie alle ein Lied singen können.

Eric Kandel etwa, als er früh bereitsmit der Annahme arbeitete, dass manche Gedächtnisleistungen bei wirbellosen wie bei Wirbeltieren gleichermaßen anzutreffen sind, was in der wissenschaftlichen Gemeinschaft stark bezweifelt wurde.

Peter Handke etwa, als er früh schon– und mit jugendlichem Elan – eine neue Beschreibungskunst in der Literatur einforderte und die Größen der Literatur damit vor den Kopf stieß.

Anton Zeilinger schließlich, als er unbeirrbar nach den “Gespensterteilchen” suchte, die belächelt wurden und heute ein zentraler Bestandteil der physikalischen Forschung sind.

Eric Kandel

Aber beginnen wir am Beginn. Beginnen wir mit Eric Kandel. Ihm war eine so herausragende Karriere wahrlich nicht in die Wiege gelegt, als er in einem von Antisemitismus und zunehmendem Totalitarismus gekennzeichneten Wien zur Welt kam. Als seine Familie 1938 vor den Nazis fliehen musste, war nicht abzusehen, dass aus dem armen Flüchtlingskind einst einer der einflussreichsten Wissenschaftler der Welt werden sollte.

Früh aber schon zeigte dieses Kind  seine Exzellenz und konnte in Harvard studieren – um schließlich in der medizinischen Forschung seine Heimat zu finden und diese grundlegend zu beeinflussen. Seine Forschungen zu Gehirn, Bewusstsein und Erinnern zählen heute zu den Grundlagen der Kognitionswissenschaften.

Bei alledem dürfen wir aber eines nicht vergessen: Eric Kandel verband seine Forschung auch mit jenen Erkenntnissen, die um die Jahrhundertwende in Wien,  also in eben jener Stadt, aus der er vertrieben wurde, gemacht worden waren.

Sein Buch “The age of insight” zeigt in beeindruckender Weise die Verbindung von Kunst und Wissenschaft im Wien um 1900. Und es ist schon erstaunlich, dass diese Liebeserklärung an die Wiener Kultur ausgerechnet aus der Feder eines Forschers stammt, der jeden Grund hätte, mit seiner Geburtsstadt nichts mehr zu tun haben zu wollen.

A propos Wien: Eric Kandel hat aus seinem ambivalenten Verhältnis zu Wien nie ein Hehl gemacht. Er hat sich vielmehr engagiert und eingemischt, hat die zögerliche Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit hierzulande thematisiert und letztlich federführend dazu beigetragen, dass der Dr. Karl-Lueger-Ring in Universitätsring umbenannt wurde.

“Ich möchte Ihnen, Herr Professor Kandel, für dieses Engagement ausdrücklich danken.”

Peter Handke

Kommen wir zu Peter Handke. Und ja: Wo anfangen? Bein zornigen jungen Mann, der mit seinem Stück “Publikumsbeschimpfung” das Theater mit einem Paukenschlag erneuerte?

Mit dem Peter Handke, dessen Roman “Wunschloses Unglück” längst zum Kanon der deutschen Literatur zählt? Schullektüre miteingeschlossen.

Mit dem slowenischen Kärntner, der diesem Kulturraum und der dortigen Landschaft reichhaltige Zeilen gewidmet hat? Oder, oder, oder.

Aber vielleicht ist es am besten, einen ganz zentralen Punkt im Schaffen des Schriftstellers Peter Handke herauszugreifen: Nämlich die Suche nach einer unverbrauchten Sprache, einer Sprache, die immer neu erschaffen wird, die keine Phrasen und keine abgenutzten Redewendungen kennt, einer Sprache, die sich ganz auf ihr Gegenüber einlässt und dennoch ganz bei sich selbst bleibt.

Dabei erreichen Peter Handkes Schilderungen manchmal einen Grad an Klarheit, der die deutsche Sprache so zum Glänzen bringt, wie er es selbst in einem Text anhand des Schuhputzers von Split beschreibt. Dieser unbedingte Wille zur Literatur,der solcherart zum Ausdruck kommt ist einzigartig und fasziniert ein Lesepublikum auf der ganzen Welt.

“Kein Wunder, dass Du, lieber Peter, auf diese Weise längst schon zu dem geworden bist, was Du vielleicht nie sein wolltest: ein Klassiker. Ja, tut mir leid, aber so ist es.”

Anton Zeilinger

Und nun der dritte im Bunde, um einen weiteren Klassiker zu paraphrasieren: Anton Zeilinger.

Wo aber beginnen? Versuchen wir es so: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen Mitte der 70er vor dem Fernsehen und schauen eine Folge von “Raumschiff Enterprise”. Und genau in dem Moment, in dem der berühmte Satz gesprochen wird: “Scotty, beamen Sie mich rauf”, genau in diesem Moment sagt jemand neben ihnen: “In gewissem Sinne gibt es das wirklich”.

Was hätten Sie über diese Person gedacht? Ich will darüber keine Vermutungen laut anstellen, aber ich glaube, dass Anton Zeilinger häufig mit vergleichbaren Situationen konfrontiert war. Und es ist schon erstaunlich zu sehen, mit welcher Hartnäckigkeit Anton Zeilinger an die Möglichkeiten der Quantenoptik, die Verschränkung von Teilchen und die Teleportation geglaubt und dieses Themenfeld erforscht hat.

Und, er hat die Faszination seines Forschungsgebietes auch vermittelt. Lange bevor die Bedeutung von Wissenschaftskommunikation in aller Munde war, hat er in Artikeln und Interviews hochkomplexe Sachverhalte allgemeinverständlich dargelegt.

Ich möchte dies eigens betonen, weil es für Grundlagenforschung immer noch eine Herausforderung darstellt, erforderliche Geldmittel langfristig – und das ist in der Grundlagenforschung unerlässlich – sicherzustellen.

Umso erstaunlicher, dass es Anton Zeilinger gelungen ist, die Gründung eines Institutes anzuregen, um es höflich zu sagen, das exzellente Grundlagenforschung betreibt und heute bereits zu den besten der Welt zählt: das Institute of Science and Technology Austria, kurz ISTA.

“Ich weiß nicht, wie Sie es angestellt haben, die nicht unbeträchtlichen Mittel für diese Neugründung aufzutreiben, aber, als jemand, der Wissenschaft und Politik nun einigermaßen kennt, kann ich nur sagen: Hochachtung.”

Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich habe Sie, wie Sie bemerken konnten, bisher mit dem Vortragenvon Lebensläufen verschont. Um diese zu lesen brauchen Sie mich nicht.Eines allerdings muss ich doch erwähnen:

Nämlich die auffallende Häufigkeit der Preise im letzten Vierteljahrhundert. 2000, 2004, 2013, 2019, 2022, 2023.

Eric Kandel, Elfriede Jelinek, Martin Karplus, Peter Handke, Anton Zeilinger, Ference Krauss. Alle wurden eingeladen, Kandel, Handke und Zeilinger konnten heute zu uns kommen.

Es ist die höchstmögliche Auszeichnung und Anerkennung, die unser Land vergeben kann, genau deshalb haben Sie sie verdient.

Ich bitte Sie, der Reihe nach zu mir zu kommen, damit ich Ihnen das Ehrenzeichen und die dazugehörige Urkunde überreichen kann. Herzlichen Glückwunsch.

“Und ich habe die wirklich große Ehre und Freude, Ihnen dreien das Große Goldene Ehrenzeichen am Bande  für Verdienste um die Republik Österreich zu überreichen.”

Herzlichen Glückwunsch!

Fotos: Peter Lechner/HBF