I.E. Botschafterin Dr. Alena Kupchyna: Minsk ist bereit für die „European Games 2019“

Die 2. Europäischen Spiele finden von 21. bis 30. Juni 2019 in Minsk statt. Das Programm umfasst 15 Sportarten: Badminton, 3 × 3-Basketball, Boxen, Wrestling (Freestyle-Wrestling, griechisch-römisches Wrestling, Frauen-Wrestling), Radfahren (Rennradfahren), Gymnastik (Kunstturnen, rhythmische Gymnastik, Akrobatik, Aerobic und Trampolin), Rudern (Kajak- und Kanuwettkämpfe), Judo, Karate, Leichtathletik, Sambo, Bogenschießen, Schießen (einschließlich Sandscheibenschießen), Tischtennis und Strandfußball.

Bei den “European Games 2019”. In Minsk werden 189 Medaillen in 23 Disziplinen vergeben.

Über die Europäischen Spiele die heuer im Belarus stattfinden, für das Magazine Diplomacy and Commerce, haben wir mit Frau Dr. Alena Kupchyna gesprochen.

I.E. Botschafterin Dr. Alena Kupchyna ist belarussische Politikerin und hält derzeit die Position der Außerordentlichen- und Bevollmächtigten Botschafterin der Republik Belarus in der Republik Österreich und gleichzeitig der Republik Kroatien. Sie ist auch Ständige Vertreterin von Belarus bei den Internationalen Organisationen in Wien und bei der OSZE.

Im Juni finden in Minsk die “European Games 2019” statt. Wie laufen die Vorbereitungen?

Die Vorbereitungen für die Spiele, die unter der Schirmherrschaft des Europäischen Olympischen Komitees (EOK) durchgeführt werden, befinden sich auf der Zielgeraden. Die Experten der EOK, internationale und europäische Föderationen verschiedener Sportarten besuchen Minsk regelmäßig. Alle Sportstätten, in denen die Wettkämpfe stattfinden, sind bereits in Betrieb genommen worden. Die Wettkämpfe werden in insgesamt 12 Stätten ausgetragen. Die wichtigste Arena der Spiele ist das Nationale Olympische Stadion “Dynamo”, das nach einer umfassenden Modernisierung am 21. Juni 2018, d.h. genau ein Jahr vor dem Start der II. Europäischen Spiele, eröffnet worden ist.

Während der Vorbereitungen auf die Spiele wurde eine Reihe von Testturnieren in solchen Sportarten wie Badminton, Basketball, Boxen, Ringen, Rudern usw. durchgeführt. Vor Beginn der Spiele werden die Wettkämpfe in allen Sportarten in solchem Modus organisiert. Dabei werden alle technischen Systeme, die bei den Spielen zum Einsatz kommen, ausprobiert.

Laut den Organisatoren sind 18.000 Teilnehmer Akkreditiert, abgesehen von Sportlern und Trainern, dazukommen noch Zuschauer, Reporter, Funktionäre aus dem In- und Ausland. Sind Minsk und touristische Organisationen in Belarus für so eine große Veranstaltung vorbereitet?

Zu den II. Europäischen Spielen werden über 18 Tausend akkreditierte Teilnehmer erwartet. Darunter sind über 4 Tausend Sportler sowie Trainer, Schiedsrichter, offizielle Vertreter der EOK, nationale olympische Komitees, internationale und europäische Föderationen in verschiedenen Sportarten, Freiwillige, Journalisten, Teilnehmer der Künstlerkollektive, Unterhaltungskünstler usw. Nach Minsk kommen auch offizielle Delegationen der teilnehmenden Länder auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs sowie Minister.

Was die Fans angeht, so sind zur Eishockey-WM 2014 über 70 Tausend Sportamateure nach Minsk gekommen, genauso viel wie zu den I. Europäischen Spielen nach Baku. Mindestens so viele oder vielleicht noch mehr Gäste erwarten wir zu den II. Europäischen Spielen in der belarussischen Hauptstadt. Es ist sehr wichtig, dass das ganze System und die Infrastruktur störungsfrei funktionieren.

Die Bedürfnisse der Gäste der Spiele werden selbstverständlich ganz unterschiedlich sein. Wir würden uns sowohl über VIP-Kunden die eine Präsidentensuite im 5-Sterne-Hotel und Eintrittskarten in die VIP-Loge benötigen, sowie über Fans die günstige Hotels, Hostels oder Camping bevorzugen, freuen.

Ich bin der Ansicht, dass unsere touristische Infrastruktur imstande ist allen Gästen die Unterkunft in Übereinstimmung mit den internationalen Standards und Wünschen der Touristen anzubieten.

Eine wichtige Sache für Fans aller Gruppen ist die Frage eines reibungslosen Grenzübergangs. Ich darf hier bemerken, dass unser Land sehr entschlossene Schritte zur Erleichterung der Visavergabe unternommen hat. Noch im Februar 2017 haben die Staatsangehörigen von 80 Ländern, inklusive aller EU-Staaten, die Möglichkeit bekommen, bei der Ankunft über den Nationalflughafen Minsk, sich in Belarus ohne Visum fünf Tage lang  aufzuhalten. Im Juli 2018 wurde die Dauer des visafreien Aufenthalts bis auf 30 Tage verlängert.

Während der Spiele haben wir die Visapflicht für die ganze Dauer der Wettkämpfe praktisch außer Kraft gesetzt. Mit der Eintrittskarte für einen der Wettkämpfe im Rahmen der II. Europäischen Spiele kann man in unser Land problemlos einreisen. Die Unterstützung des Nationalteams auf den Tribünen lässt sich mit dem Einblick auf historische und landschaftliche Sehenswürdigkeiten, Kultur, Kunst und schließlich belarussische Küche gut vereinen.

Was erwartet Belarus von so einer großen Veranstaltung?

Belarus erwartet, dass die bevorstehenden Spiele zu einem echten Sportfest kontinentalen Maßstäben werden. Wir betrachten die II. Europäischen Spiele als eine hervorragende Gelegenheit, ein möglichst breites europäisches Publikum mit Belarus bekannt zu machen und vielfältige Möglichkeiten, die unseres Landes nicht nur als ein vielfältiges Reiseziel, sondern auch als ein Ort für gewinnträchtige Investitionen und gemeinsame Projekte in verschiedenen Bereichen bietet, zu demonstrieren.

Sind die Ausgaben für Europaspiele größer als die Annahme sein wird, oder sehen Sie das als gute Investition für die Ankurbelung des Tourismus in Belarus?

Die Ausgaben für die Modernisierung der Infrastruktur, die auch nach den II. Europäischen Spielen genutzt werden wird, betragen ca. 65 Prozent der Gesamtausgaben für die Durchführung dieses Sportforums.

Auf dem Universitätscampus in Minsk, der sich für die Dauer der Spiele in ein olympisches Dorf verwandeln wird, werden Studentenwohnheime renoviert und das anliegende Territorium mit allem Notwendigen ausgestattet. Nach den Europäischen Spielen werden die Studenten der Minsker Universitäten hier wieder wohnen und die modernisierte Infrastruktur nutzen. Zum Start der Spiele wurden durch die Stadt Minsk etwa 300 neue Busse bestellt, die die Stadteinwohner natürlich auch nach dem Ende der Wettkämpfe nutzen können.

Die II. Europäischen Spiele werden Belarus nicht nur ein materielles, sondern auch eine soziales Erbe hinterlassen. Tausende junge Leute können sich durch die Beispiele der besten europäischen Athleten, die an den Spielen teilnehmen, inspirieren lassen. Für einige Jugendliche wird es ein motivierender Faktor sein, eine Sportkarriere zu starten. Andere werden einfach dazu bewegt, sich für einen gesunden Lebensstil zu entscheiden.

In der Beziehung Minsk – Moskau kommt immer wieder zu Spannungen. Ist die Bevölkerung von Belarus der Meinung, dass sie zur einer “Union der Völker” mit Russland gehört oder nicht?

Belarus ist stets bestrebt, freundschaftliche, konstruktive und gegenseitig vorteilhafte Beziehungen mit allen Partnern und vor allem mit unseren Nachbarn zu unterhalten. Es sind insgesamt fünf, nämlich Russland, die Ukraine sowie die drei EU-Mitgliedsstaaten  Lettland, Litauen und Polen. Ich möchte unterstreichen, dass uns dies gut gelingt.

Wir haben exzellente Beziehungen mit Russland. Aber nicht nur das. Die Republik Belarus und die Russische Föderation sind strategische Partner. Die aktive und resultative Kooperation wird in allen Bereichen und auf allen Ebenen durchgeführt. Sehr eng verbunden sind die belarussische und russische Wirtschaft. Belarus und Russland beteiligen sich aktiv an Integrationsprozessen im postsowjetischen Raum. Die obligatorische Bedingung unserer Teilnahme an allen Integrationsprojekten ist dabei die gegenseitige Berücksichtigung der Interessen und das Prinzip der souveränen Gleichberechtigung der Staaten.

Die hohe Intensität der belarussisch-russischen Zusammenarbeit führt dazu, dass ab und zu die Notwendigkeit des Umdenkens einiger Aspekte der Kooperation, der Suche nach den für beide Seiten akzeptablen Kompromissen entsteht. Die in solchen Fällen unvermeidbare Diskussion wird von Dritten als „Spannung“ empfunden.

Ich möchte Ihnen aber versichern, dass das auf das freundschaftliche und respektvolle Verhältnis der Völker von Belarus und Russland zueinander keinen Einfluss ausübt und die Grandlage der strategischen Partnerschaft unserer Staaten nicht beeinträchtigt.

Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptpotenziale der Zusammenarbeit zwischen Belarus und der Republik Österreich?

Die belarussisch-österreichischen Beziehungen entwickeln sich in den letzten Jahren ziemlich dynamisch. Des Weiteren kann man sagen, dass dieser positive Trend einen nachhaltigen Charakter bekommen hat.

Was die politischen Beziehungen angeht, so ist hier die Tatsache besonders wichtig, dass es uns gelungen ist, die politischen Kontakte auf dem Niveau von Staatsoberhäuptern und Regierungschefs unserer Länder stattfinden zu lassen.

Wir schätzen sehr die Unterstützung Österreichs bei den Bemühungen von Belarus, ausbalancierte und partnerschaftliche Beziehungen mit der Europäischen Union zu entwickeln. Sehr positiv sehen wir auch das österreichische Engagement im Bereich Brückenbauen zwischen den führenden außenpolitischen Akteuren und bei der Deeskalation in Europa und in der Welt. Die Ansätze unserer Länder auf diesem Gebiet sind sehr ähnlich.

Ich kann nicht umhin, die Wichtigkeit von Österreich als ein Wirtschafts- und Investitionspartner von Belarus zu erwähnen. Seit vielen Jahren beteiligt sich Österreich aktiv an der Modernisierung belarussischer Betriebe und gehört stabil zu den größten Investoren in unserer Wirtschaft. Die Rede ist von einigen hundert Millionen USD jährlich. Letztes Jahr haben österreichische Unternehmen beispielsweise in Belarus fast 300 Millionen USD investiert. Die Investitionsvolumina einzelner Firmen haben bereits die eine Milliarde-Planke überstiegen. Diese Kennzahl haben zum Beispiel A1 Telekom Austria Group und Kronospan erreicht.

Heute bieten sich neue Möglichkeiten zur Intensivierung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen, auch im Zusammenhang mit der allmählichen Normalisierung des Dialogs zwischen Belarus und der EU, der Teilnahme unseres Landes an der Eurasischen Wirtschaftsunion und an den Projekten der chinesischen Initiative Neue Seidenstraße und der durch die belarussische Seite durchgeführten Arbeit zur weiteren Vervollkommnung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Vor einigen Jahren hat sich Belarus das Ziel gesetzt, in die Top-30 der Länder mit den besten Rahmenbedingungen laut Rating der Weltbank „Doing Business“ zu gelangen. In diesem Jahr ist das Land dem ersehnten Ziel nahegekommen und hat die 37. Stelle im Rating eingenommen.

Ein wichtiger Bereich unserer Beziehungen ist die humanitäre Zusammenarbeit. Seit über 25 Jahren empfangen österreichische Bürger und Bürgerinitiativen Kinder aus den belarussischen Regionen bei sich, die immer noch an den Folgen der Tschernobyl-Katastrophe leiden. Diese ehrenamtliche Tätigkeit ist zu einem untrennbaren Bestandteil der freundschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Völkern und Ländern geworden. Wir sind aufs Tiefste den Österreicherinnen und Österreichern dankbar, die an den für uns sehr wichtigen humanitären Projekten teilnehmen.

Ein wichtiges positives Bespiel der Zusammenarbeit unserer Länder auf dem Gebiet der Verewigung des Andenkens an die Opfer des Nazismus ist die Errichtung in Maly Trostenez, wo sich das größte Vernichtungslager in Belarus in den Kriegsjahren befand, eines Denkmals für über 10 Tausend dort umgekommenen österreichischen Juden. Es ist sehr symbolisch, dass dieses Denkmal durch den belarussischen Staatspräsidenten und den österreichischen Bundeskanzler im März dieses Jahres persönlich eingeweiht worden ist.

Wie Sie sehen, sind die belarussisch-österreichischen Beziehungen ziemlich intensiv und konstruktiv. Ich bin sicher, dass die Zusammenarbeit unserer Länder über ein hohes Potential verfügt und aussichtsreich ist. Deshalb arbeiten wir aktiv daran, nicht nur die vorhandene positive Dynamik beizubehalten, sondern auch die gegenseitig vorteilhaften Kontakte mit Österreich in allen Bereichen zu erweitern, sowohl in der Politik und Wirtschaft, als auch in der Wissenschaft, Bildung, Kultur und auf anderen Gebieten, die von gegenseitigem Interesse sind. Dies entspricht völlig den Interessen unserer Länder, fördert die Stärkung des Vertrauens in unseren Beziehungen sowie des Friedens und Wohlergehens nicht nur in Belarus und Österreich, sondern auch in der gesamten europäischen Region.

Vor kurzem war der Internationale Frauentag. Wie ist Ihre Meinung als erfahrene Botschafterin, haben die Frauen in der Diplomatie es schwieriger sich zu beweisen als männliche Kollegen?

Der diplomatische Dienst und insbesondere der Posten einer Botschafterin bzw. eines Botschafters ist sehr komplex und erfordert oft, wenn man so will, Selbstaufopferung. Es gibt keinen festen Zeitplan und viele Geschäftsreisen. Unter Umständen arbeiten die Botschafter 24 Stunden pro Tag. Es ist nicht einfach, den Beruf und die Familie zu verbinden unabhängig vom Geschlecht des Leiters der diplomatischen Mission.

Im Außenministerium in Minsk und in unseren Botschaften im Ausland gibt es viele hochmotivierte und sehr erfolgreiche Diplomatinnen. Vor meiner Entsendung nach Österreich war ich viereinhalb Jahre lang stellvertretende Außenministerin.

In meiner beruflichen Karriere wurde ich nie mit der genderspezifischen Diskriminierung konfrontiert. Wir Frauen brauchen keinen Vorteil gegenüber unseren männlichen Kollegen, um im beruflichen und sozialen Leben Erfolg zu haben. Wir brauchen Gleichberechtigung und Gleichbehandlung, wenn berufliche Leistungen als entscheidender Bewertungsfaktor gelten. Positive Diskriminierung liegt mir nicht am Herzen.

(Svetlana Nenadovic Glusac)