I.E. Jolanta Roza Kozlowska, Botschafterin der Republik Polen – INTERVIEW (D & ENG)

Foto: gov.pl

In jedem Kreis auf dem diplomatischen Parkett sind wir Frauen meistens in der Minderheit

Als Hommage an den Internationalen Weltfrauentag haben wir mit derzeit in Österreich amtierenden Botschafterinnen für das Magazin Diplomacy and Commerce gesprochen, so auch mit I.E. Jolanta Roza Kozlowska, Botschafterin der Republik Polen in der Republik Österreich.

Ist es für Frauen in der Politik und Diplomatie schwieriger als für männliche Kollegen, und müssen sich Frauen in Führungspositionen stärker beweisen?

Nein und ja — so würde ich die Frage kurz und knapp beantworten. Ist die Frage an mich als Frau und Diplomatin allgemein gerichtet? Oder als polnische Diplomatin und Polin?

Es gibt in Europa, sowie auch in der Europäischen Union, traditionelle, mentale und reale Unterschiede der Situation der Frauen im beruflichen, sozialen und politischen Leben.

Die zweite Republik Polen hat als eines der ersten Länder nach 1918 den Frauen das Wahlrecht zugesichert.

In der polnischen Geschichte gab es schon seit dem Mittelalter viele hervorragende weibliche Vorbilder aus allen sozialen Ständen und Professionen und beispielhafte Heldinnen.

Sogar in den schwierigen, politisch komplexen Zeiten, wie z.B. im gesamten 19. Jhd, als Polen als Staat nicht existierte, haben Frauen eine führende und tragende Rolle in der Familie und der Gesellschaft übernommen.

Sie haben sich diese Rolle nicht erkämpfen müssen, vielmehr war dies der damaligen Lage geschuldet. Die Männer mussten in vielen Aufständen um die Freiheit des eigenen Landes sowie der eigenen Familien kämpfen, waren monate- oder sogar jahrelang im Kampf, Gefangenschaft oder im Exil in Sibirien und somit in ihrer Rolle in der Gesellschaft abwesend.

Es lag also an den Frauen, ihre Stellung in Familie, Staat und Gesellschaft von Generation zu Generation stetig zu verbessern und sich stärker einzubeziehen.

Die polnische Physikerin Maria Sklodowska Curie war die erste weibliche Professorin an der Sorbonne Universität und erhielt als einzige Frau zwei verschiedene Nobelpreise aus unterschiedlichen Disziplinen. Trotz ihrer zahlreichen Fähigkeiten und ihrer einzigartigen Auffassungsgabe war es ihr im russischen Teil des damals geteilten Polens nicht erlaubt zu studieren, weil sie eine Frau war.

Sie war eine Vertreterin solch polnischer Mädchen und Frauen. Dadurch war und ist sie neben vielen Künstlerinnen, Schriftstellerinnen ein großes Vorbild für Frauen.

In meinem Land sind heutzutage prozentual mehr Frauen in Führungspositionen von Unternehmen als in anderen Ländern, aber es gibt dennoch Verbesserungsbedarf.

In der Politik jedoch sind heutzutage nicht genügend Frauen tätig. Woran liegt das? Hierfür gibt es mehrere Gründe. In den meisten Ländern ist die Situation ähnlich. Es ist ein langer Prozess und eine große Herausforderung – nicht nur für uns Frauen. Als Frauen haben wir großen Einfluss auf die Erziehung und Bildung der Kinder und sind dafür verantwortlich, dass diese eine gute politische Bildung erhalten. Die Zukunft liegt in unseren Händen und wenn wir diese in eine positive Richtung steuern wollen, müssen wir Mut und Durchsetzungsvermögen beweisen.

Nun noch kurz zur Diplomatie – in jedem Kreis auf dem diplomatischen Parkett sind wir Frauen meistens in der Minderheit. Wie ein paar vereinzelte Blümchen in einem Garten.

Das ändert sich zwar, jedoch geschieht es meist langsam und in vielen Ländern der Welt mit stark variierendem Tempo. In Europa liegen unsere Nachbarn in Skandinavien in dieser Hinsicht vorne.

Als ich von 1998 an in Bayern und Baden-Württemberg als Generalkonsulin tätig war, schmückte ich dort eine gewisse Zeit nur alleine das bunte Diplomaten Corps (Corps diplomatique), welches aus ca. 50 Männern bestand.

Später kamen auch aus Brasilien, Bulgarien und China Kolleginnen. Nicht selten wurden mir, natürlich von Männern, solche Fragen gestellt wie: „Wie kommt es, dass eine junge und hübsche Frau Polen als Generalkonsul vertritt?“. Ich glaube, heute würde kaum jemand, besonders kein Mann, einer jungen Diplomatin eine solche Frage stellen.

Wo ist Ihrer Meinung nach der Schlüssel zum Kampf für die Gleichstellung der Geschlechter in Ländern, in denen Frauen noch nicht alle Rechte haben? Ist die Schulbildung die Lösung?

Der Schlüssel zum Kampf für die Gleichstellung, wie auch zu anderen Herausforderungen, liegt in dem gegenseitigen Verständnis der Situation (der Frauen) und in der Bereitschaft zum gemeinsamen Handeln. Sogar in der Europäischen Union gibt es keinen Staat, in dem die vollständige Gleichstellung von Frauen und Männern erreicht wurde. Immerhin verdienen Frauen in der EU im Durchschnitt 16 % weniger als Männer, und in den größten Unternehmen sind Frauen in Führungspositionen mit nur 8 % der weiblichen Vorstandsvorsitzenden nach wie vor unterrepräsentiert.

Die Fortschritte sind zwar im Laufe der Jahre sichtbar, geschehen aber langsam. Der Änderungsbedarf ist vielschichtig. In den Ländern, in denen Frauen noch nicht alle Rechte haben, ist es wichtig die elementaren Sicherheitsmaßnahmen zu gewährleisten: Gewalt und bestehende Stereotypen gegen Frauen müssen überwunden werden. Schule, Familie aber auch die Gesellschaft haben hier eine wichtige Rolle zu spielen.

Vor welchen weiteren Herausforderungen stehen Frauen in der Zukunft, und wo sehen Sie eine Lösung für sie?

Die Rolle der Frau, aber auch die Rolle des Mannes in der Gesellschaft unterliegen einer Evolution. Viele verschiedene Faktoren haben Einfluss auf die Veränderungen der alten Modele. Es gibt kein Muster, an das sich eine Frau anpassen muss. Jede Frau, wie auch jeder Mann, hat unterschiedliche Aspirationen, unterschiedliche private und berufliche Vorstellungen. Die wichtigste Herausforderung einer Gesellschaft ist es, das soziale und finanzielle Umfeld so zu gestalten, damit jeder Mensch, egal welchen Geschlechts, gleiche Chancen hat, um ihre/ seine Ambitionen verwirklichen zu können.

Das UN Motto für das Jahr 2021 lautet „Frauen in Führungspositionen: Eine gleichberechtigte Zukunft in einer COVID-19-Welt erreichen“, wie ist Ihre Meinung dazu?

Gerade die Corona-Pandemie hat bewiesen, dass Frauen in den Spitzenpositionen wichtige Kompetenzen beherrschen, um die Pandemiekonsequenzen zu bewältigen. Ich darf hier als Beispiel die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, Jacinda Ardern, Premierministerin von New Zealand, oder ihre norwegische Kollegin, Erna Solberg, nennen. Sie und viele andere Frauen in Führungspositionen haben gezeigt, dass sie mit politischem Bewusstsein, guten Management-Skills, Multitasking-Fähigkeiten aber auch mit viel Empathie und sozialen Verständnis, richtige Entscheidungen treffen.

Solche Erfolgsgeschichten der Frauen sind nicht nur auf der politischen Ebene zu sehen. Ich verstehe eine gleichberechtigte Zukunft im Sinne, dass die Menschen mit ähnlichen Kompetenzen gleiche Chancen in der beruflichen Welt haben und dass das Geschlecht kein Entscheidungsfaktor ist. Wir müssen danach streben, das soziale Modell so umzubauen, dass Frauen, die ihre Kariere weiterentwickeln wollen, nicht vor dem Dilemma stehen müssen: Familie oder Arbeit, privates oder berufliches. Genauso wie bei Männern.

English

H.E. Jolanta Roza Kozlowska, Ambassador of the Republic of Poland to the Republic of Austria

In any circle on the diplomatic floor we women are mostly in the minority

As a tribute to International Women’s Day for Diplomacy and Commerce Austria, we spoke to the current female ambassadors in Austria, including H.E. Jolanta Roza Kozlowska, Ambassador of the Republic of Poland to the Republic of Austria.

Is more difficult for women in politics and diplomacy than for their male colleagues, women in management positions have to prove themselves more?

No and yes – that’s how I would answer the question in a nutshell. Is the question for me as a woman and diplomat in general? Or just as a Polish diplomat. In Europe, including in the European Union, there are traditional, mental and real differences in the situation of women in professional, social and political life. The Second Republic of Poland was one of the first countries after 1918 to guarantee women the right to vote.

In Polish history there have been many excellent female role models since the Middle Ages, from all social classes and professions, exemplary heroines, etc. Even in difficult, politically complex times, such as in the entire 19th century when Poland did not exist as a state , women have played a leading role in families and society.

You did not have to fight for this role, it was due to the situation at the time. The men had to fight for the freedom of their own country as well as their own families in many uprisings, were in combat, imprisonment or in exile in Siberia for months or even years (and thus absent from their role in society). So it was up to the women to steadily improve their position in the family, the state and society from generation to generation and to involve themselves more.

The Polish physicist Maria Sklodowska Curie was the first female professor at the Sorbonne University and was the only woman to receive two different Nobel Prizes from different disciplines. Despite her many skills and her unique perception, she was not allowed to study in the Russian part of the then divided Poland because she was a woman.

She was a representative of such Polish girls and women. As a result, she was and is a great role model for women alongside many artists and writers. In my country today there are more women in management positions in companies than in other countries, but there is still room for improvement.

However, there are not enough women involved in politics these days. Why is that? There are several reasons for this. The situation is similar in most countries. It’s a long process and a great challenge – not just for us women. As women, we have great influence on the upbringing and education of children and are responsible for ensuring that they receive a good political education. The future is in our hands and if we want to steer it in a positive direction, we have to show courage and assertiveness.

Oh yes, diplomacy too! In any circle on the diplomatic floor, we women are mostly in the minority. Like a few isolated flowers in a garden. That is changing, but it usually happens slowly and in many countries around the world with greatly varying pace. In Europe, our neighbors in Scandinavia are ahead in this regard.

When I was working as Consul General in Bavaria and Baden-Württemberg from 1998 onwards, for a certain time I only adorned the colorful Corps diplomatique, which consisted of around 50 men.

Later colleagues came from Brazil, Bulgaria and China. Not infrequently, men, of course, asked me questions like: “How is it that a young and pretty woman represents Poland as Consul General?“ I think hardly anyone today, especially no man, would ask a young diplomat such a question.

Where do you think is the key to tackling gender equality in countries where women do not yet have all rights? Is schooling the solution?

The key to the fight for equality, as well as to other challenges, lies in the mutual understanding of the situation (of women) and in the willingness to act together. Even in the European Union, there is no state in which full equality between women and men has been achieved. After all, women in the EU earn an average of 16% less than men, and in the largest companies women are still underrepresented in management positions, with only 8% of women CEOs.

Progress can be seen over the years, but it is slow. The need for change is complex. In countries where women do not yet have all rights, it is important to ensure the basic security measures: violence and existing stereotypes against women must be overcome. School, family and also society have an important role to play here.

What other challenges will women face in the future and where do you see a solution for them?

The role of women, but also the role of men in society, is subject to evolution. Many different factors influence the changes in the old models. There is no pattern that a woman has to adapt to. Every woman, like every man, has different aspirations and different personal and professional ideas. The most important challenge of a society is to shape the social and financial environment in such a way that every person, regardless of gender, has the same opportunities to realize their ambitions.

UN motto for 2021 is “Women in leadership: Achieving an equal future in a COVID-19 world” what is your opinion on this?

The corona pandemic in particular has shown that women in top positions have important skills to cope with the consequences of the pandemic. I would like to mention the German Chancellor Angela Merkel, Jacinda Ardern, Prime Minister of New Zealand and her Norwegian colleague, Erna Solberg, as examples. You and many other women in management positions have shown that with political awareness, good management skills and multitasking skills, but also with a lot of empathy and social understanding, they make the right decisions.

Such success stories by women are not only to be seen on the political level. I understand an equal future in the sense that people with similar skills have equal opportunities in the professional world and that gender is not a decision-making factor. We have to strive to rebuild the social model so that women who want to develop their careers do not have to face the dilemma: family or work, private or professional. Just like the men.

Text: Svetlana Nenadovic-Glusac

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