“Dieses Miteinander wird auch jetzt wichtig sein”

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Dienstag die Bundesregierung mit der vorläufigen Fortführung der Verwaltung betraut. Bis zur Bildung einer neuen Regierung wird die Regierung von Bundeskanzlerin Bierlein weiter im Amt bleiben.

Foto: Peter Lechner/HBF

Die Worte von Bundespräsident Alexander Van der Bellen anlässlich der Enthebung der Bundesregierung und der Betrauung ihrer Mitglieder mit der Fortführung der Verwaltung:

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Bierlein,
sehr geehrter Herr Vizekanzler Jabloner,
liebe Mitglieder der Bundesregierung!
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürgerürger, 
die Sie über den Livestream zusehen.

Österreich hat am Sonntag einen neuen Nationalrat gewählt. 
Es ist gut gelebte österreichische Praxis, dass die im Amt befindliche Bundesregierung 
nach der Wahl zurücktritt und der Bundespräsident sie 
– bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung – 
mit der Fortführung der Amtsgeschäfte betraut.

Das wird auch heute geschehen.

Zuvor möchte ich mich aber nochmals bei allen Wählerinnen und Wählern bedanken:
Danke, dass Sie von Ihrem demokratischen Stimmrecht so zahlreich Gebrauch gemacht haben! 

Mein besonderer Respekt gilt auch den tausenden amtlichen und ehrenamtlichen 
Wahlhelferinnen und Wahlhelfern.
 
Sie haben unserer Demokratie einen großen Dienst erwiesen.
Danke dafür!

Ich habe als wichtigste Aufgabe der Regierung Bierlein, 
als ich sie mit den Regierungsgeschäften betraut habe, 
den Wiederaufbau des Vertrauens in unsere Politik genannt. 

Sie haben einen unschätzbar wichtigen Beitrag geleistet
und tun das auch weiterhin.

Ich bin Ihnen, Frau Bundeskanzlerin Bierlein,
und Ihrem ganzen Team von ganzem Herzen dankbar.
Und die kommende Regierung kann darauf aufbauen.

Sie haben gezeigt, dass mit Sachlichkeit und Ruhe 
kleine oder größere Krisen bewältigt werden können, 
wenn das Miteinander und das Wohl unseres Staates im Zentrum stehen. 


Dieses Miteinander wird auch jetzt wichtig sein.

Ich bitte Sie und Ihr Regierungsteam, für die Übergabe an die künftige Bundesregierung 
die Vorbereitungen sorgfältig zu treffen und mit Ihrer Expertise und dem Wissen, 
wo Herausforderungen und Chancen liegen, die Grundlage für einen guten Start 
der künftigen Regierung zu legen.


Wie geht es nun insgesamt weiter:

Am Donnerstag wird zunächst das endgültige 
Wahlergebnis nach Auszählung aller Wahlkarten vorliegen.

Es ist ja eine meiner Aufgaben als Bundespräsident, 
Regierungsverhandlungen auf den Weg zu bringen.

Und so habe ich bereits Kontakt mit den Spitzenvertreterinnen 
und Vertretern der Parteien aufgenommen.
Noch diese Woche werde ich persönliche Gespräche 
mit allen führen werde.

Nach diesen Gesprächen, und wenn sich am Wahlergebnis 
nichts Wesentliches ändert, werde ich dann die stimmenstärkste Partei, 
repräsentiert von Sebastian Kurz, mit der Regierungsbildung beauftragen.


Meine Damen und Herren!
Erlauben Sie mir, bevor wir zu den Formalpunkten kommen,
noch ein, zwei kurze Hinweise zu den Aufgaben der künftigen Regierung.

Denn ganz egal, welche Regierung in welcher Konstellation nun auch entstehen wird: 
Sie wird sich um die globale Klimakrise kümmern müssen.

Alle Parteien haben ja zu diesem Thema 
im Wahlkampf schon Ideen ins Gespräch gebracht: 

Ein Klimaschutzkabinett, 
ein Klimaschutzministerium, 
die stärkere Einbindung der Wirtschaft, 
oder ein Klimacheck für alle Gesetz usw.

Da waren sicher schon einige diskussionswürdige Maßnahmen dabei…
Sie müssen dann auch umgesetzt werden.

Wir müssen uns jetzt darum kümmern, 
dass unser gemeinsames Haus gut versichert ist 
gegen die möglichen Folgen der Klimakrise.

Das ist so wie bei einer Feuerversicherung für Ihr Haus.
Hoffentlich braucht man sie nicht, 
aber es ist notwendig sie zu haben.

Ganz egal, wie die nächste Regierung zusammengesetzt sein wird: Sie wird das Vertrauen, das durch den Ibiza-Skandal und dessen weitere Folgen erschüttert wurde, weiter aufbauen müssen.


Meine Damen und Herren, 

ganz egal, wie die nächste Regierung 
zusammengesetzt sein wird: 

Sie wird das Vertrauen, das durch den Ibiza Skandal 
und dessen weitere Folgen erschüttert wurde, weiter aufbauen müssen.

Und wie kann man Vertrauen aufbauen?


Zunächst einmal ganz einfach: 
Aufeinander zugehen.
Einander zuhören. 
Einander verstehen.

Und dann den guten Kompromiss suchen und finden.

Kurzum den Österreichischen Weg gehen. 

Ich komme nun zum formalen Teil.
Und gestatten Sie mir, dass ich der Einfachheit halber die Titel weglasse.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin!
Sie haben mir von der in der heutigen Sitzung des Ministerrates 
beschlossenen Demission der Bundesregierung Mitteilung gemacht. 


Ich nehme diese Demission zur Kenntnis 
und enthebe hiermit gemäß Artikel 74 Absatz 3 
des Bundes-Verfassungsgesetzes 
die Bundesregierung auf ihren Wunsch vom Amte.

Gleichzeitig betraue ich 
die Mitglieder der scheidenden Bundesregierung, 
darunter die Bundesminister im Bundeskanzleramt 
Alexander Schallenberg und Ines Stilling

in dem sich aus den Entschließungen 
vom 5. Juni 2019 ergebenden Umfang

gemäß Artikel 71, gemäß Artikel 71 in Verbindung mit Artikel 77 Absatz 3 
sowie gemäß Artikel 71 in Verbindung mit Artikel 77 Absatz 4 
des Bundes-Verfassungsgesetzes, mit der Fortführung der Verwaltung.
 
Und Sie, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, 
mit dem Vorsitz in der einstweiligen Bundesregierung.


An dieser Stelle darf ich festhalten, dass einer einstweiligen Bundesregierung 
rechtlich alle Befugnisse zustehen, die mit der Ausübung der Regierungsgeschäfte verbunden sind.

Gleichzeitig ist es aber Staatspraxis, 
Weichenstellungen mit langfristigen Auswirkungen 
der künftigen Bundesregierung zu überlassen.

Gemäß den einschlägigen Bestimmungen der Bundesverfassung 
sind die mit der Fortführung der Verwaltung betrauten 
Mitglieder der Bundesregierung vor Antritt ihres Amtes anzugeloben. 

Ich ersuche Sie daher, folgendes Gelöbnis zu leisten 
und mit Ihrem Handschlag sowie durch Ihre Unterschrift zu bekräftigen:

„Ich gelobe, dass ich die Verfassung und alle Gesetze der Republik 
getreulich beobachten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen 
erfüllen werde.

(bundespraesident.at)