Andrei Lozovik, Chargé d´Affaires a.i., Republik Belarus: Luftbrücke zwischen Minsk und Wien wurde am 25. April eröffnet, und ist zu einer wichtigen Rückreiseroute unserer Region geworden

Wir haben die Botschafterinnen und Botschafter der diplomatischen Gemeinschaft in Wien befragt, um herauszufinden wie die Botschaften ihre diplomatischen Aktivitäten im Ausnahmezustand organisiert haben, über die Maßnahmen der Regierung zur Unterstützung und Rettung der Wirtschaft, sowie wie sie die private Zeit in Zeiten der Pandemie verbringen und was sie zuerst machen werden, nachdem die aktuelle Situation beendet ist.

Wir sprachen für Diplomacy and Commerce Austria mit Andrei Lozovik, Chargé d´Affaires a.i. der Botschaft der Republik Belarus in der Republik Österreich.

Wie hat sich die aktuelle Situation auf die Aktivitäten der Botschaft ausgewirkt?

Natürlich hat die neue Realität die gewöhnliche Arbeitsordnung geändert. Es haben sich neue Prioritäten, neue Tätigkeitsformen und neue Aufgaben ergeben. Dabei mussten diese Aufgaben schleunigst und trotz der Herausforderungen der aktuellen Situation erfüllt werden.

Wegen der durch die meisten europäischen Länder veranlassten Grenzschließungen und der Einstellung des internationalen Personenverkehrs ist die dringende Organisation der Heimreise von den sich in Österreich und einigen anderen Staaten aufhaltenden Belarussen und Belarussinnen in den Vordergrund unserer Arbeit gerückt. In Anbetracht der hohen Intensität belarussisch-österreichischer wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, akademischer, humanitärer und anderer Kontakte sowie der Beliebtheit Österreichs in unserem Land als Reiseziel waren die Hilferufe ziemlich zahlreich. Dank der konstruktiven Mitwirkung österreichischer Partner und der Unterstützung der belarussischen Botschaften in den Nachbarländern ist es uns gelungen, die Rückreise aller sich an uns gewandten Bürger zu organisieren. Solche Hilferufe bekommen wir immer nochEs sei bemerkt, dass seit 25. April die Rückreise von Belarussen und Belrussinnen viel einfacher geworden ist. An diesem Tag hat nämlich die belarussische Fluggesellschaft „Belavia“ begonnen täglich auf der Flugstrecke zwischen Wien und Minsk zu fliegen. Übrigens ist diese Luftbrücke zu einer wichtigen Rückreiseroute für die über Minsk, einen wichtigen regionalen Verkehrsknoten, fliegenden Bürger anderer Länder unserer Region geworden. Die direkte Flugverbindung wird auch in der Postkrisenzeit funktionieren und somit die Entwicklung vielseitiger Beziehungen zwischen Belarus und Österreich fördern.

Neben der Hilfe für unsere Landsleute haben wir auch die notwendigen Schritte zur effizienten Erfüllung anderer Aufgaben der Botschaft unter der Berücksichtigung der Pandemie eingeleitet. Angesichts dessen, dass vieles von dem, was gewöhnlich die diplomatische Routine ausmacht (Treffen und Gespräche mit Partnern, Dienstreisen innerhalb und außerhalb Österreichs, Teilnahme an verschiedenen Veranstaltungen, Konferenzen, Sitzungen von internationalen Organisationen etc.) unmöglich geworden ist, waren wir gezwungen, uns in den virtuellen Raum zurückzuziehen. In diesem Kontext möchte ich mit Befriedigung feststellen, dass die Umstellung der Botschaftsaktivitäten auf Webplattformen sowohl im bilateralen als auch multilateralen Bereich uns keine großen Schwierigkeiten bereitet hat. Es sei in diesem Zusammenhang bemerkt, dass Belarus signifikante Fortschritte bei der Entwicklung der IKT in den letzten Jahren gemacht hat. Dies hat eine breite Einführung von innovativen Lösungen im öffentlichen Dient, inklusive des diplomatischen Dienstes, ermöglicht.

Wie kommentieren Sie die Maßnahmen der belarussischen Regierung zur Unterstützung und Rettung der Wirtschaft?

In Belarus, wie in vielen anderen Staaten der Welt, ist ein Hilfspaket zur Abfederung der Auswirkungen der Pandemie für die Wirtschaft verabschiedet worden. Es sieht die Unterstützung von Unternehmen aus den am meisten durch COVID-19 betroffenen Wirtschaftsbranchen vor. Zur Liste der zu unterstützenden Branchen gehören die verarbeitende Industrie, Textil- und Bekleidungsindustrie, Handel, Verkehr, Hotellerie, Gastronomie, Touristik, Leasing, Bildung, Gesundheitswesen, soziale Dienstleistungen u.a. Bei der Ausarbeitung dieses Hilfspakets, das sechs Schwerpunkte direkter und indirekter Unterstützung der Wirtschaft beinhaltet, hat die Regierung internationale Best-Practices berücksichtigt und mit der Business-Community zusammengewirkt. Die Unterstützung betrifft im Einzelnen solche Tätigkeitsfelder der Wirtschaftssubjekte wie Steuern und Miete, Energieabrechnung, öffentliche Beschaffungen, Beschäftigung und Zuwendungen, Aufsichtstätigkeit und subsidiäre Haftung. In Belarus sind beispielsweise Steuer- und Mietstundungen, Übergang zu einem anderen Steuermodell etc. vorgesehen. Die Gesamtsumme der dafür bestimmten staatlichen Ausgaben beläuft sich auf ca. drei bis vier Prozent des BIP.

Es ist zu bemerken, dass die Ausarbeitung und Verabschiedung dieses Maßnahmenpakets gleichzeitig mit der Umsetzung von abgewogenen und effizienten Schritten zur Eindämmung der Ausbreitung von COVID-19 und zum Schutz der Bevölkerung durchgeführt wurden. Die dazugehörigen Entscheidungen wurden und werden unter Berücksichtigung internationaler Erfahrungen und der WHO-Empfehlungen getroffen.

Wie verbringen Sie Ihre private Zeit in Zeiten der Pandemie?

Die Pandemie brachte uns dazu, alltägliche Prozesse auf neue Weise zu sehen und über viele Sachen nachzudenken. Ich kann nicht sagen, dass ich jetzt über mehr private Zeit verfüge. Die andauernde Krise bringt immer wieder neue Herausforderungen und ist mit unkonventionellen und ziemlich komplizierten Entscheidungen verbunden. Vieles muss zum ersten Mal gemacht werden. Aber das ist nicht immer einfach und fordert zusätzliche Anstrengungen.

Unter pandemischen Bedingungen muss ich leider auf viele Sachen, die ich in meiner privaten Zeit sonst sehr gerne gemacht habe, verzichten. Dies betrifft Reisen, Treffen mit Freunden, Besuche von Konzerten und Ausstellungen. Andererseits habe ich die Möglichkeit bekommen, mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Und das ist immer positiv.

Was werden Sie zuerst machen, nachdem die aktuelle Situation beendet ist?

Im November letzten Jahres hat der offizielle Besuch des belarussischen Präsidenten in Österreich stattgefunden. Er öffnete eine neue Seite in der Geschichte der belarussisch-österreichischen Beziehungen. Der Besuch hat großes Interesse beider Seiten an der Erweiterung der Zusammenarbeit aufgezeigt, es sind wichtige Vereinbarungen getroffen worden. Leider blieben die Auswirkungen der Pandemie für die Umsetzung der festgelegten Pläne nicht ohne Folgen und haben den Zeitplan der Durchführung von verschiedenen Besuchen, wirtschaftlichen, kulturellen, humanitären anderen Veranstaltungen beeinflusst. In der Postkrisenzeit haben wir vor, zur schnellen Umsetzung des Geplanten im bilateralen Bereich zurückzukehren sowie die traditionell aktive belarussische Teilnahme bei den Internationalen Organisationen und multilateralen Gremien mit Sitz in Wien fortzusetzen.

 Svetlana Nenadovic-Glusac

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