S.E. Sergio Barbanti, Botschafter von Italien: Ich möchte mich bei Österreich und allen anderen Ländern für ihre Solidarität mit Italien bedanken

Wir haben die Botschafterinnen und Botschafter der diplomatischen Gemeinschaft in Wien befragt, um herauszufinden wie die Botschaften ihre diplomatischen Aktivitäten im Ausnahmezustand organisiert haben, über die Maßnahmen der Regierung zur Unterstützung und Rettung der Wirtschaft, sowie wie sie die private Zeit in Zeiten der Pandemie verbringen und was sie zuerst machen werden, nachdem die aktuelle Situation beendet ist.

S.E. Sergio Barbanti

Wir sprachen für Diplomacy and Commerce Austria mit S.E. Sergio Barbanti, Botschafter von der Italienischen Republik in der Republik Österreich.

Wie hat sich die aktuelle Situation auf die Aktivitäten der Botschaft ausgewirkt?

Sowohl im diplomatischen als auch im konsularischen Bereich haben wir unsere Bürotätigkeit im Einklang mit den Richtlinien der italienischen und österreichischen Regierung erheblich reduziert, indem wir seit Mitte März einen eigenen Dienstplan und Home Office eingeführt haben. Gleichzeitig haben wir die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise sowie andere wichtige aktuelle Themen kontinuierlich verfolgt und sind vor allem unseren italienischen Mitbürgern mit Hilfeleistung und Beratung zur Verfügung gestanden. So, zum Beispiel, haben wir italienischen Staatsbürgern bei der Rückreise in ihre Heimat geholfen und diese in einigen Fällen auch organisiert. Wir haben die italienischen Bürger bei verschiedenen dringenden Anliegen unterstützt, die mit der Pandemie in Zusammenhang standen oder auch nicht – dies nicht zuletzt durch ständige und detaillierte Informationen über die Covid-19-Maßnahmen, sowohl per Telefon als auch über unsere Webseite.

Weiteres haben wir unsere Unternehmen unterstützt und versucht, ihnen bei Problemen mit Güterverkehrsverzögerungen oder – behinderungen weiterzuhelfen, vor allem in den ersten Wochen der Krise.

Wir beabsichtigen, in den kommenden Wochen einige unserer konsularischen Dienstleistungen, die Parteienverkehr vorsehen, in beschränktem Umfang und unter strengen Sicherheitsvorkehrungen wieder aufzunehmen. In Notfällen stehen und standen unsere konsularischen Dienstleistungen selbstverständlich immer zur Verfügung.

Alle haben beobachtet was in Italien passiert ist und haben tiefstes Mitgefühl mit italienischem Volk, wie ist jetzt die Lage in Italien?

Obgleich wir alle wegen des Risikos einer Übertragung des Virus aus Asien in Alarmbereitschaft waren, hat uns doch das Ausmaß der Ereignisse in Italien ab Ende Februar und anschließend in ganz Europa überrascht. Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit bei Österreich und allen anderen Ländern für ihre Solidarität mit unserem Land bedanken.

Fast zweieinhalb Monate später können wir sagen, dass die italienische Regierung, unsere Institutionen und unsere Gesellschaft gut reagiert haben, indem sie in vielerlei Hinsicht Lösungswege vorweggenommen haben, denen andere dann folgten.

Die traurigen Daten sind bekannt: Mit mehr als 180.000 Infizierten und fast 30.000 Toten zählt Italien nach wie vor zu den am meisten betroffenen Ländern der Welt und die Sterblichkeitsrate unter den Infizierten ist weiterhin hoch. Allerdings befinden wir uns nun schon seit einiger Zeit in einer Phase, welche die Experten als “Plateau” bezeichnen. Den Höhepunkt mit den meisten Todesfällen pro Tag hatten wir Ende März erreicht, mit täglich fast 1.000 Toten. Danach ging diese Zahl zurück und auch die Anstiege bei den Infektionen – wenn auch mit Höhen und Tiefen – zeigte schon früher (Mitte März) eine deutliche Tendenz zur Verlangsamung. Einige Regionen sind nach wie vor stärker betroffen als andere.

Die starken Auswirkungen, welche die Pandemie in Italien – mit derart hohen absoluten Zahlen sowohl bei den Ansteckungs- als auch bei den Todesfällen – gehabt hat, geben Anlass zur Vorsicht, selbst angesichts des derzeit positiven Trends. Trotzdem soll an dieser Stelle gesagt sein, dass inzwischen mehr als 80.000 Menschen als genesen gelten und es nun eine allmähliche Rückkehr zu einem Klima der Hoffnung und des Vertrauens in unserem Land gibt, auch weil wir, wie gesagt, glauben, dass wir die Notlage gut gemeistert haben und noch gut meistern werden.

Nunmehr befinden wir uns, wie Österreich und andere Länder, in einer Phase der schrittweisen und kontrollierten Wiederöffnung, die von Land zu Land aufgrund der Situation, aber auch der unterschiedlichen Gesellschaftsstrukturen unterschiedlich ausgeprägt ist. Dies ist, meiner Meinung nach, die heikelste Phase, die mit Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein aller Beteiligten bewältigt werden muss.

S.E. Sergio Barbanati, Botschafter Italiens in Österreich, im Gespräch mit Bundespräsident Van der Bellen Bei der Eröffnung Ausstellung „Caravaggio & Bernini – Die Entdeckung der Gefühle/ Foto: Peter Lechner/HBF

Wie kommentieren Sie die Maßnahmen der Regierung zur Unterstützung und
Rettung der Wirtschaft?

Wie vorhin erwähnt, stehen sowohl Österreich als auch Italien nun vor der doppelten Herausforderung, die Ausbreitung des Virus einzudämmen und gleichzeitig die Wirtschaftstätigkeit wieder anzukurbeln und zu unterstützen. Einige erste, wichtige Schritte wurden in beiden Ländern bereits getätigt, vor allem zur Bewältigung der unmittelbaren wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise und zur Unterstützung jener Sektoren, welche mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Auch hier ist von den beiden Ländern ein im großen und ganzen ähnlicher Ansatz verfolgt worden.

Tatsache bleibt, dass die Folgen der Pandemie und des langen Lockdowns, der damit verbunden war, erst mittelfristig abschätzbar sein werden. Die Bemühungen müssen fortgesetzt und intensiviert werden, und auch auf wirtschaftlicher Ebene benötigen wir neue und wirksame Instrumente. Es ist von wesentlicher Bedeutung, die Zusammenarbeit im Wirtschafts- und Finanzbereich sowohl bilateral als auch in der Europäischen Union und in den verschiedenen multilateralen Foren fortzusetzen und zu intensivieren. Die Herausforderung betrifft uns alle, ebenso wie die meisten der Probleme und Fragen, mit denen wir in naher Zukunft konfrontiert sein werden.

Wie verbringen Sie Ihre private Zeit in Zeiten der Pandemie??

Der Lockdown und die Umstrukturierung meiner Arbeit hat mir eigentlich nicht wirklich mehr Freizeit gebracht, sondern für meine Mitarbeiter und mich eher Veränderungen bei den persönlichen Kontakten und unseren Arbeitsgewohnheiten bedeutet.

Was werden Sie zuerst machen, nachdem die aktuelle Situation beendet
ist?

Ich werde weiterhin viele der Dinge tun, welche ich in dieser Zeit gelernt habe, ein nüchterneres Leben.

Svetlana Nenadovic-Glusac