S.E. Ozan Ceyhun, Botschafter der Republik Türkei: Die Regierung hat ein Maßnahmenpaket von etwa 15 Milliarden Dollar angekündigt

Die Covid-19-Pandemie hat zu beispiellosen Herausforderungen bei den laufenden operativen Aktivitäten der globalen Industrie, dem Handel und der Wirtschaft geführt. Die Weltwirtschaft wurde für mehrere Monate gezwungen, auf die Notbremse zu treten.

S.E. Ozan Ceyhun, Botschafter der Republik Türkei in der Republik Österreich

Durch die restriktiven Maßnahmen und den Lockdown, den die Regierungen rund um den Globus durchgeführt haben, wurde die Wirtschaft in einen Winterschlaf versetzt.

Vorsichtig wird die Wirtschaft in jedem Land wieder hochgefahren. Alle Wirtschaftszweige sind von der Krise – ausgelöst vom Coronavirus – davon betroffen, ohne Ausnahme.

Wie hat sich die Krise auf die Weltwirtschaft ausgewirkt und wie sind die Prognosen für die Zukunft? Darüber haben wir mit Wirtschaftsexperten und Vertretern der ausländischen Wirtschaftskammern in Wien, sowie BotschafterInnen, HandelsvertreterInnen aus Handelsabteilungen und Wirtschaftsdelegierten aus der Diplomatie in Österreich gesprochen.

Wir sprachen für Diplomacy and Commerce Austria mit S.E. Ozan Ceyhun, Botschafter der Republik Türkei in der Republik Österreich.

 

Wie schätzen Sie die Lage ein, stehen wir vor einer ernsthaften Krise,  die lange andauern wird oder vor einer raschen Erholung der Wirtschaft? 

Ich denke, dass die Krise in vielen Ländern weitgehend unter Kontrolle gebracht wurde. Österreich und die Türkei sind gute Beispiele. Nichtsdestotrotz kann es zum jetzigen Zeitpunkt keine Entwarnung geben, weil in anderen Regionen der Welt die Krankheit weiterhin grassiert und die Gefahr eines erneuten Ausbruchs, also einer zweiten Corona-Welle, immer noch vorhanden ist. Diese Erwartungshaltung hat psychologisch gesehen auch Auswirkung auf die Märkte und die Wirtschaft. Besonders betroffen zu sein scheint zum jetzigen Zeitpunkt die Tourismusbranche. Da die Lage sich weitgehend verbessert hat, haben viele Menschen vor, ihre Sommerferien in klassischen Badeorten zu verbringen, und die rückläufigen Infektionszahlen geben ihnen recht. Aber eine gewissen Verunsicherung schwingt immer mit. Eine Erholung der Wirtschaft wird es geben, aber wie rasch das sein wird, steht noch in den Sternen geschrieben.

Inwieweit haben die staatlichen Maßnahmen Ihres Landes bisher dazu beigetragen, die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft durch die COVID-19-Pandemie zu verringern?

 Die Maßnahmen in der Türkei zur Eindämmung der Krankheit haben ganz klar Wirkung gezeigt. Seit Ausbruch der Epidemie sind die Zahlen rückgängig. Auch wenn es zwischendurch kleine Schwankungen gab, ist die Lage weitgehend unter Kontrolle und stabil. Das hat natürlich auch positive Auswirkungen auf die türkische Wirtschaft. Die Regierung hat ein Maßnahmenpaket von etwa 15 Milliarden Dollar angekündigt. Dienstleister, die besonders betroffen waren, haben somit erleichterten Zugang zu Krediten. Außerdem können sie vom Steuererlass profitieren. Kurz- und Teilzeitarbeit wurde weiter gefördert. Auch Arbeitslosen wurde finanziell unter die Arme gegriffen.     

Der Wirtschaftssektor öffnet und erholt sich ebenfalls langsam. Wie schätzen Sie die Entwicklung in Ihrem Land ein und wie auf globaler Ebene? 

 Die Erwartungen in einigen Sektoren sind groß, in anderen mäßig bis gedämpft. Aber ein Grundoptimismus ist ganz klar da. Unsere Tourismusbranche ist gut vorbereitet. Die Corona-Maßnahmen in Touristenzentren sind wirkungsvoll und entsprechen den EU-Standards. Natürlich hängt die Entscheidung über einen Besuch letztendlich vom Informationsstand der reisewilligen Menschen ab. Ihre Länder bzw. Regierungen können diese Entscheidung mit Reisewarnungen oder -empfehlungen sehr stark beeinflussen. Unser Wunsch und unsere Bemühungen gehen dahin, dass auch aus Österreich Gäste ohne jegliche Bedenken in die Türkei reisen. Deshalb sind wir auch in regem Informationsaustausch mit unseren österreichischen Freunden. Wir hoffen, dass die Menschen sich nicht allein auf ihr Bauchgefühl verlassen, sondern sich vor allem von Tatsachen leiten lassen, und da ist die Türkei bestens aufgestellt.

Experten auf der ganzen Welt machen verschiedene Ankündigungen über die zukünftigen Szenarien dieser Pandemie, von der Behauptung, dass im Herbst eine zweite Welle erwartet wird, bis zu der Behauptung, dass es überhaupt keine zweite Welle geben wird.  Bereiten Sie sich auf beide Szenarien vor und was passiert, wenn das, was alle befürchten, ein neuer Lockdown erneut eintritt?  Wie ist Ihre Meinung, wurde die Weltwirtschaft noch einen Lockdown überleben? 

Ich denke, eine weitverbreitete zweite Welle mit einem erneuten Lockdown wäre sicherlich ein herber Schlag gegen die Weltwirtschaft. Trotz fallender Infektionszahlen haben wir alle die Befürchtung im Hinterkopf, dass so ein Szenario eintreten könnte. Zumindest sind wir scheinbar mental darauf vorbereitet. Dementsprechend wird es auch Eventualitätspläne geben, die bei Bedarfsfall aus der Schublade geholte werden. Es gibt immer eine Lösung. Ich glaube, selbst beim worst-case Szenario würde die Weltwirtschaft das überleben.

 Svetlana Nenadovic-Glusac