S.E. Mag. Nenad Kolev, Botschafter von Nordmazedonien: Wachstum – das soll jetzt das Motto jeder Regierung sein

Die Covid-19-Pandemie hat zu beispiellosen Herausforderungen bei den laufenden operativen Aktivitäten der globalen Industrie, dem Handel und der Wirtschaft geführt. Die Weltwirtschaft wurde für mehrere Monate gezwungen, auf die Notbremse zu treten.

, S.E. Mag. Nenad Kolev, Botschafter von Nordmazedonien in der Republik Österreich.

Durch die restriktiven Maßnahmen und den Lockdown, den die Regierungen rund um den Globus durchgeführt haben, wurde die Wirtschaft in einen Winterschlaf versetzt. Vorsichtig wird die Wirtschaft in jedem Land wieder hochgefahren. Alle Wirtschaftszweige sind von der Krise – ausgelöst vom Coronavirus – davon betroffen, ohne Ausnahme.

Wie hat sich die Krise auf die Weltwirtschaft ausgewirkt und wie sind die Prognosen für die Zukunft? Darüber haben wir mit Wirtschaftsexperten und Vertretern der ausländischen Wirtschaftskammern in Wien, sowie BotschafterInnen, HandelsvertreterInnen aus Handelsabteilungen und Wirtschaftsdelegierten aus der Diplomatie in Österreich gesprochen.

Wir sprachen für Diplomacy and Commerce Austria mit S.E. Mag. Nenad Kolev, Botschafter von Nordmazedonien in der Republik Österreich.

 

Wie schätzen Sie die Lage ein, stehen wir vor einer ernsthaften Krise,  die lange andauern wird, oder vor einer raschen Erholung der Wirtschaft?

Bezüglich der gesundheitlichen Lage passen wir alle auf, was die Epidemiologen und Experten zu sagen haben. Ihrer Meinung nach scheint es, dass diese Krise noch 1-2 Jahre dauern wird und dass wir alle lernen werden müssen, mit dem Virus im Alltage zu leben, bis ein Impfstoff gefunden wird – also Abstand halten, Desinfektion, Hygiene, Hände waschen etc. Persönlich glaube ich, dass die Wirtschaftskonjunktur rascher als erwartet kommen wird, weil diese Krise nicht durch reine wirtschaftliche Faktoren verursacht wurde (wie in 2009), sondern durch eine künstliche Abriegelung aus gesundheitlichen Gründen.

Sei es wie es will, die negativen wirtschaftlichen Konsequenzen sind gewaltig, gigantisch und noch weiter zu spüren – insbesondere im Hinblick auf Investitionen in den Umweltschutz oder nachhaltige Sozialprojekte. Es ist einfach viel zu viel Geld verschwunden oder abgeflossen. Die Schaffung von neuen  grünen Arbeitsplätzen oder sogar von Digitalisierung werden vollkommen getroffen, im negativen Sinne.

Inwieweit haben die staatlichen Maßnahmen Ihres Landes bisher dazu beigetragen, die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft durch die COVID-19-Pandemie zu verringern?

Staatliche Intervention war der Schlüssel der Rettung der Wirtschaft auf der ganzen Welt und auch in meinem Land.

Die Regierung hat sofort mehrere Pakete wirtschaftlicher Maßnahmen zur Rettung der Wirtschaft verabschiedet und unternimmt regelmäßig alles, um die negativen wirtschaftlichen Folgen zu minimieren, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu retten und der Wirtschaft zu helfen. Diese Maßnahmen wurden nach umfassender Diskussion und ernsthafter Debatte der Regierung mit dem Nationalen Wirtschaftsrat, der Geschäftswelt, den Handelskammern,  angesehenen Geschäftsleuten, Professoren und Akademikern in meinem Land verabschiedet. Sie haben unsere Erwartungen völlig erfüllt und hatten eine sehr positive Wirkung.

Der Wirtschaftssektor öffnet und erholt sich ebenfalls langsam. Wie schätzen Sie die Entwicklung in Ihrem Land ein, und wie auf Globaler Ebene?

Kurzfristig glaube ich, dass die Erholung schnell sein wird, aber sollte es eine zweite Welle geben, dann langfristig – schwierig und langsam. Wachstum, Wachstum, Wachstum – das soll jetzt das Motto jeder Regierung sein. Und unser gemeinsames Hauptziel. Alle Wirtschaftsysteme müssen zu den alten Wachstumsraten von vor der Krise zurückehren, weil ohne Wachstum gibt es keine Nachfrage, kein Konsumverhalten oder Selbstvertrauen, um Geld zu investieren und auszugeben. Grundsätzlich ist Wirtschaft – Psychologie: jede menschliche Angst oder innere Unsicherheit hat negative wirtschaftliche Folgen. 

Experten auf der ganzen Welt machen verschiedene Ankündigungen über die zukünftigen Szenarien dieser Pandemie, von der Behauptung, dass im Herbst eine zweite Welle erwartet wird, bis zu der Behauptung, dass es überhaupt keine zweite Welle geben wird.  Bereiten Sie sich auf beide Szenarien vor und was passiert, wenn das, was alle befürchten, ein neuer Lockdown erneut eintritt?   Wie ist Ihre Meinung, wurde die Weltwirtschaft noch einen Lockdown überleben? 

Die Experten sind mehr oder weniger einig, dass es eine zweite Welle geben wird – sehr wahrscheinlich in der Periode November 2020 – Februar 2021. Meiner Meinung nach ist es nicht so wichtig, ob es eine neue große oder mehrere kleinere Wellen geben wird, sondern zu lernen mit dem Virus praktisch zu leben, ohne dass wir jedes Mal die Wirtschaft herunterfahren müssen. Diese eine globale Abriegelung war mehr als genug und hat großen Schaden eingerichtet. Ich fürchte, dass eine zweite oder dritte Welle so katastrophale wirtschaftliche Folgen haben wird, dass sich die Weltkonjunktur in einem ganzen Jahrzehnt nicht erholen wird. Das Leben muss weitergehen, der Planet muss lernen mit dem Virus lebenspraktisch und im Alltag zu leben, ohne drakonische Maßnahmen, drastische Abriegelungen oder ein totales Herunterfahren, ohne Panik oder Massenpsychose. In diesen 5-6 Monaten haben alle Länder genug Erfahrung gesammelt, um ihren Bürger zu ermöglichen, weiter normal zu leben – in der sogenannten neuen Normalität, oder besser gesagt, ungeachtet/trotz der neuen Normalität.

 (Svetlana Nenadovic-Glusac)