Ing. DI Pavlína Šrámková, Leiterin der Wirtschafts- u. Handelsabteilung Tschechiens: Tschechien ist aktuell unter den TOP 10-Ländern der Welt als bester Investitions- und Wirtschaftsstandort in der Zeit nach COVID-19

Die Covid-19-Pandemie hat zu beispiellosen Herausforderungen bei den laufenden operativen Aktivitäten der globalen Industrie, dem Handel und der Wirtschaft geführt. Die Weltwirtschaft wurde für mehrere Monate gezwungen, auf die Notbremse zu treten.

Dipl.-Ing. Pavlína Šrámková, Leiterin der Wirtschafts- u. Handelsabteilung der Botschaft der Tschechischen Republik in der Republik Österreich

Durch die restriktiven Maßnahmen und den Lockdown,den die Regierungen rund um den Globus durchgeführt haben, wurde die Wirtschaft in einen Winterschlaf versetzt.

Vorsichtig wird die Wirtschaft in jedem Land wieder hochgefahren. Alle Wirtschaftszweige sind von der Krise – ausgelöst vom Coronavirus – davon betroffen, ohne Ausnahme.

Wie hat sich die Krise auf die Weltwirtschaft ausgewirkt und wie sind die Prognosen für die Zukunft? Darüber haben wir mit Wirtschaftsexperten und Vertretern der ausländischen Wirtschaftskammern in Wien, sowie HandelsvertreterInnen aus Handelsabteilungen und Wirtschaftsdelegierten aus der Diplomatie in Österreich gesprochen.

Wir sprachen für Diplomacy and Commerce Austria mit DI Pavlína Šrámková, Leiterin der Wirtschafts- u. Handelsabteilung der Botschaft der Tschechischen Republik in der Republik Österreich  

Wie schätzen Sie die Lage ein, stehen wir vor einer ernsthaften Krise,  die lange andauern wird, oder vor einer raschen Erholung der Wirtschaft?

Der Wirtschaftseinbruch infolge der Pandemie ist weltweit spürbar. Andererseits prognostizieren Ökonomen für das nächste Jahr wieder ein Wirtschaftswachstum. Es ist aber unwahrscheinlich, dass das BIP 2021 auch nur annähernd das Niveau von 2019 erreichen wird. Für heuer wird von der Europäischen Kommission ein Rückgang des BIP in Tschechien im Ausmaß von -6,2 % prognostiziert, für 2021 wird ein Wachstum von +5% in Aussicht gestellt. Einige Branchen, etwa der Städtetourismus, werden jedenfalls noch Jahre unter den Auswirkungen von COVID-19 zu leiden haben. Viele Regierungen, darunter auch die tschechische und die österreichische, haben große Investitionen angekündigt. Die Investitionsmaßnahmen sollen die Folgen von COVID-19 mildern und zu einer rascheren Belebung der Wirtschaft beitragen.

Inwieweit haben die staatlichen Maßnahmen Ihres Landes bisher dazu beigetragen, die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft durch die COVID-19-Pandemie zu verringern?

Dank der rechtzeitigen Maßnahmen der Regierung am Anfang der Krise sind die Infektionszahlen niedrig geblieben. Die Geschäfte und Lokale konnten deshalb früher als in vielen anderen Ländern wieder geöffnet und die Wirtschaft hochgefahren werden. Die Tschechische Republik hat, so wie auch Österreich, etliche Hilfsmaßnahmen, wie Kurzarbeit, Kreditprogramme und Garantien, Förderungen für Selbständige, Zuschüsse für Mietkosten für Unternehmer oder steuerliche Erleichterungen, getroffen, um Firmen und Arbeitnehmer zu entlasten und zu unterstützen. Die Folgen der Krise werden sich erst in den nächsten Monaten genauer zeigen. Die Arbeitslosigkeit in Tschechien ist erfreulicherweise auch während der Corona-Krise nicht signifikant angestiegen. Die Grenzen zu den meisten europäischen Ländern sind wieder geöffnet und wir hoffen auf eine schnelle Erholung der Wirtschaft.

Der Wirtschaftssektor öffnet und erholt sich ebenfalls langsam. Wie schätzen Sie die Entwicklung in Ihrem Land ein, und wie auf globaler Ebene?

Im Fall der Tschechischen Republik, als eines stark an Export und Autoindustrie orientierten Landes, ist die Entwicklung auch von der Situation unserer Handelspartner, insbesondere Deutschlands, beeinflusst. Insgesamt kann man sagen, dass die Tschechische Republik die Krise sehr gut gemeistert hat. Das Vertrauen in die tschechische Wirtschaft wächst, und Tschechien ist aktuell unter den TOP 10-Ländern der Welt, die das prestigeträchtige CEO Magazine als beste Investitions- und Wirtschaftsstandorte in der Zeit nach COVID-19 ausgewählt hat. Das ist sicherlich eine positive Nachricht, auch angesichts der Tatsache, dass die tschechische Industrie im April aufgrund der restriktiven Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus einen Rückgang von mehr als 30% zu verzeichnen hatte. Die Tschechische Republik hat ihre Prioritäten gleichfalls bereits im Rahmen der wirtschaftlichen Erneuerung in der EU vorgestellt – es sollen die Automobilindustrie weiter gefördert und Investitionen in den Ausbau der Verkehrs- und digitalen Infrastruktur getätigt werden. Der Restart unserer Wirtschaft gründet sich auf öffentlichen Investitionen und Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Erwähnen möchte ich auch das erfolgreiche tschechische Modellprojekt für den gesamteuropäischen Markt mit Schuldscheinen für KMUs, dessen Ziel es ist, tschechischen Firmen über die Auswirkungen der Pandemie hinwegzuhelfen.

Experten auf der ganzen Welt machen verschiedene Ankündigungen über die zukünftigen Szenarien dieser Pandemie, von der Behauptung, dass im Herbst eine zweite Welle erwartet wird, bis zu der Behauptung, dass es überhaupt keine zweite Welle geben wird.  Bereiten Sie sich auf beide Szenarien vor und was passiert, wenn das, was alle befürchten, ein neuer Lockdown erneut eintritt? Wird es zusätzliche Maßnahmen geben?

Zur Zeit weiß niemand, wie es in Zukunft weitergeht. Unsere gemeinsame Erfahrung aber zeigt, dass es immer einen Weg gibt.  Klar ist, dass sich die Freude über die allmähliche Wiederkehr zur Normalität mit Ängsten bezüglich der ökonomischen Folgen und einer möglichen zweiten Welle an Infektionen abwechselt. Auch die tschechische Regierung bereitet sich auf die Möglichkeit einer zweiten Pandemie-Welle vor, wenn auch viele Experten nicht an eine solche glauben. Derzeit kann niemand seriös prognostizieren, ob und in welcher Stärke es zu einer solchen zweiten Welle kommen wird. Die Erfahrungen aus Welle eins zeigen, dass einige westliche Staaten die Ausbreitung des Corona-Virus nicht wirklich erfolgreich eindämmen konnten, auch weil Beschränkungen der persönlichen Freiheit dort kritischer gesehen wurden. Die Tschechen waren während der Krise sehr kreativ, haben sich selbst Masken genäht, viele Firmen haben Schutzvisiere produziert. Falls es wirklich zu einer zweiten Welle kommt, wird es auf die angemessene Verhängung von Restriktionen ankommen. In der Tschechischen Republik arbeiten wir bereits an einem System, das eine etwaige zweite Welle durch die rechtzeitige Eindämmung lokaler Cluster zu verhindern trachtet.

(Svetlana Nenadovic-Glusac)