S.E. Dr. Ivan Sirakov, Botschafter von Bulgarien: Mit den gemeinsamen Anstrengungen aller EU-Mitgliedstaaten wird die schwierige Situation zu bewältigen sein

Wir haben die Botschafterinnen und Botschafter der diplomatischen Gemeinschaft in Wien befragt, um herauszufinden wie die Botschaften ihre diplomatischen Aktivitäten im Ausnahmezustand organisiert haben, über die Maßnahmen der Regierung zur Unterstützung und Rettung der Wirtschaft, sowie wie sie die private Zeit in Zeiten der Pandemie verbringen und was sie zuerst machen werden, nachdem die aktuelle Situation beendet ist.

Wir sprachen für Diplomacy and Commerce Austria mit S.E. Dr. Ivan Sirakov, Botschafter der Republik Bulgarien in der Republik Österreich.

Wie hat sich die aktuelle Situation auf die Aktivitäten der Botschaft ausgewirkt?

Die letzte öffentliche Aktivität der Botschaft war der Empfang zu unserem Nationalfeiertag am 3. März. Genau eine Woche später kamen die Veranstaltungsbeschränkungen und es wurde klar, dass wir uns auf einen neuen Arbeitsmodus umstimmen müssen. Als dann am 13. März die Bundesregierung die Quarantäne und die Ausgangsbeschränkungen verkündet hat, haben wir Masken- und Abstandspflicht sowie Händedesinfektion in den Arbeitsalltag der Botschaft eingeführt. Seitdem richten wir uns an die offiziellen Vorgaben hier, so dass der Großteil des Teams in Home Office ist (mit schichtweise nur einem Präsenztag in der Woche) und der Bürobetrieb auf das Notwendigste heruntergefahren bleibt. Somit erfolgt unsere Abstimmung überwiegend online und per Telefon. 

Den Umständen entsprechend  hat die Konsulararbeit stark zugenommen. Ab Anfang April haben wir mehrere Transportmöglichkeiten für die Rückkehr von hunderten von bulgarischen Staatsbürgern aus den am meisten von Covid-19 betroffenen Regionen in Österreich zurück nach Bulgarien geschaffen. Gegenwertig konzentrieren sich unsere Bemühungen hauptsächlich auf organisierte Transitdurchfahrten von Mitbürgern aus ganz Europa sowie auf die logistische Unterstützung von wichtigen Gütertransporten nach Bulgarien. Während der regelmäßige Konsularempfang bis auf Weiteres eingestellt ist, bearbeiten wir natürlich weiterhin einzelne  humanitäre Notfälle.

Das war die letzte öffentliche Aktivität der Botschaft von Bulgarien, der Empfang zum Nationalfeiertag, der am 3. März stattgefunden hat / Foto: Diplomacy and Commerce Austria

Wie kommentieren Sie die Maßnahmen der Regierung zur Unterstützung und Rettung der Wirtschaft?

Was die Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 seitens der österreichischen Regierung angeht, sprechen die kontinuierlich sinkenden Zahlen der Infizierten für sich allein. Dank des rechtzeitigen und konsequenten Eingreifens seitens der Behörden, samt der hohen Disziplin der in Österreich lebenden Menschen, zählt das Land zu den Ersten in Europa, die zur Etappenöffnung der Wirtschaft und des gesamten Lebens übergehen.

Natürlich zieht eine historische globale Pandemie auch sehr schmerzhafte Wirtschaftsfolgen mit sich. Meiner Meinung nach wurden sowohl in Österreich als auch in Bulgarien auf staatlicher Ebene eine Reihe von soliden Unterstützungsmaßnahmen getroffen. Es ist uns aber allen klar, dass nationale Maßnahmen allein nicht ausreichen werden, um die stark verzweigte gesammteuropäische Wirtschaft wieder in Gang zu setzen. Daher sollen wir unsere Blicke nach Brüssel richten, wo angesichts dieser Schicksaalsherausforderung Verantwortung und Solidarität sehr stark gefragt sind.

Bulgarien selbst begann sehr früh mit Maßnahmen zur Vorbeugung des Coronavirus. Zahlreiche Produktionen wurden schnell umstrukturiert und begannen, Sicherheitsmasken zu nähen, Schutzanzüge, Helme und Schutzbrillen herzustellen. Wir haben heute sechs Unternehmen, die für Mundmasken zertifiziert sind. Es ist wichtig, dass wir nicht nur unsere lokalen Schutzbedürfnisse erfüllen, sondern auch anderen Ländern helfen können.

Bulgarien hat wie Österreich und andere Länder die Maßnahme 60/40 zur Erhaltung von Arbeitsplätzen eingeführt. Sie ist für kleine und mittlere Unternehmen sowie für Selbstständige gedacht. Ein zusätzlicher monatlicher Bonus wird unseren Ärzten und Polizisten gewährt.

Ich glaube, dass wir mit den gemeinsamen Anstrengungen aller EU-Mitgliedstaaten die schwierige Situation angehen werden, die noch vor uns zu bewältigen ist.

Wie verbringen sie ihre Privatzeit in der Pandemie?

Das was ich früher nicht machen konnte, ist mir gelungen heuer zu tun – man hat ja schließlich viel Zeit für sich alleine und die Familie. Es ist aber deprimierend nur zuhause zu sitzen, in  den eigenen 4 Wänden, und fernzusehen. In der Zeit habe ich dutzende Bücher gelesen. Ich war zutiefst getroffen von dem Buch über die letzten Arbeitstage des LH Erwin Pröll, den ich sehr schätze. Was für eine Ehrlichkeit, was für ein erfahrener Politiker – und würde sagen Staatsmann. Ich habe mir dutzende Absätze notiert – schließlich kommt bald auch meine Zeit, um Abschied von der Politik zu nehmen. Ich würde mir wünschen, dies mit demselben Stolz und Ehre zu tun, wie dies LH a.d. Erwin Pröll gemacht hat.

Was werden Sie zuerst machen nach dem die aktuelle Situation beendet ist?

Ehrlich gesagt, habe ich darüber noch nicht nachgedacht. Es fehlt mir der direkte Kontakt zu den Kindern, die in Wien wohnen und arbeiten. Erstmals, sicher ein Abendessen organisieren. Nicht fehlen dürfen alle Freunde. Wir warten seit langem, uns zu treffen und auszusprechen. Aber auch nicht  zu vergessen – wieder die täglichen Fitnessstunden zu genießen. 

Mit der Wiederaufnahme des politischen Lebens in Österreich kommen sicherlich zahlreiche Aufgaben, die zu meistern und nachzuholen sind.

Ich bin gespannt auf die Zeit, die auf uns zukommt.

Svetlana Nenadovic-Glusac