Die Covid-19-Pandemie hat zu beispiellosen Herausforderungen bei den laufenden operativen Aktivitäten der globalen Industrie, dem Handel und der Wirtschaft geführt. Die Weltwirtschaft wurde für mehrere Monate gezwungen, auf die Notbremse zu treten.
Durch die restriktiven Maßnahmen und den Lockdown,den die Regierungen rund um den Globus durchgeführt haben, wurde die Wirtschaft in einen Winterschlaf versetzt.
Vorsichtig wird die Wirtschaft in jedem Land wieder hochgefahren. Alle Wirtschaftszweige sind von der Krise – ausgelöst vom Coronavirus – davon betroffen, ohne Ausnahme.
Wie hat sich die Krise auf die Weltwirtschaft ausgewirkt und wie sind die Prognosen für die Zukunft? Darüber haben wir mit Wirtschaftsexperten und Vertretern der ausländischen Wirtschaftskammern in Wien, sowie BotschafterInnen, HandelsvertreterInnen aus Handelsabteilungen und Wirtschaftsdelegierten aus der Diplomatie in Österreich gesprochen.
Wir sprachen für Diplomacy and Commerce Austria mit Juan Ignacio Diaz, Leiter der Wirtschafts- und Handelsabteilung der Botschaft der Argentinischen Republik in der Republik Österreich.
Wie schätzen Sie die Lage ein, stehen wir vor einer ernsthaften Krise, die lange andauern wird oder vor einer raschen Erholung der Wirtschaft?
Aufgrund der Krise, die durch die vom Coronavirus COVID-19 verursachte Pandemie entstand, änderten die wichtigsten internationalen Organisationen ihre Vorhersagen abrupt: Sprachen sie im Jänner noch vom einem weltweiten Wachstum um 3,3 % für 2020, so prognostizieren sie nun einen wirtschaftlichen Abschwung im selben Ausmaß.
Die Dauer der Wirtschaftskrise steht in direktem Zusammenhang mit der Dauer der Pandemie. Das heißt: Wenn sich das Virus weiterhin rasch ausbreitet und die nationalen Gesundheitssysteme beeinträchtigt, wird die Krise schwerer sein und länger andauern.
Daher hängt die Überwindung der Krise von der Effektivität der Kontrolle des Virus auf globaler Ebene ab.
Inwieweit haben die staatlichen Maßnahmen Ihres Landes bisher dazu beigetragen, die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft durch die COVID-19-Pandemie zu verringern?
Aufgrund dieser gesundheitsgefährdenden Situation hat Argentinien eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um Familieneinkommen, Produktion sowie Arbeitsplätze zu sichern und die Versorgung sicherzustellen. Darunter sind:
– Noteinkommen für Familien
– Ausgleichszahlungen für Gehälter: Jene Unternehmen, deren Einnahmen und Produktionsniveau betroffen sind, können beim Staat um die Übernahme von 50 % des Lohns der ArbeiterInnen ansuchen.
– Zahlungsaufschub oder Reduzierung der Arbeitgeberbeiträge
– Ausweitung der Arbeitslosenversicherung
– Gutscheine für gefährdete Personengruppen: PensionistInnen, Angestellte im Gesundheitsbereich und Sicherheitskräfte
– Aussetzung von Mieterhöhungen und Zwangsräumungen
– Kredite zur Sicherung der Produktion und der Versorgung
– Vorübergehende Aussetzung der Abschaltung von Diensten aufgrund offener Rechnungen
– Bankwirtschaftliche Maßnahmen: Aussetzung der Schließung von Bankkonten und der Einhebung von Gebühren für Abhebungen an Bankomaten; Fristenverlängerung für die Einlösung von Schecks
– Import- und exportbezogene Maßnahmen: verpflichtende Einholung einer Genehmigung vor dem Export von Produkten und medizinischer Ausrüstung, die zur Bekämpfung der Pandemie notwendig sind; Abschaffung von Steuern auf den Import notwendiger Gesundheitsgüter
Darüber hinaus wurden eine verpflichtende präventive nationale Quarantäne sowie soziale Isolierung angeordnet, um das argentinische Gesundheitssystem zu entlasten, die Kapazitäten desselben zu stärken und die Bettenanzahl in Spitälern und Intensivstationen zu erhöhen, bis die Kurve abschwächt und der Höhepunkt der Ansteckungen überschritten wurde. Argentinien ist sich dessen deutlich bewusst, dass der Zusammenbruch des Gesundheitssystems direkte Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Reaktivierung der wirtschaftlichen Aktivitäten hat, weshalb das Hauptziel ein Gesundheitssystem ist, das eine Pandemie wie diese bewältigen kann.
Der Wirtschaftssektor öffnet und erholt sich ebenfalls langsam. Wie schätzen Sie die Entwicklung in Ihrem Land ein, und wie auf globaler Ebene?
Es ist offensichtlich, dass die Dynamik der Erholung unterschiedlich sein wird und dass einheitliche Analysen nicht auf die Diversität und Komplexität der Weltmärkte anwendbar sind. Daher muss berücksichtigt werden, dass die Auswirkungen des Virus auf die Weltwirtschaft die verschiedenen geografischen Regionen zu unterschiedlichen Zeitpunkten getroffen haben. Ein Beispiel: Wie von der WHO angegeben, ist der Mittelpunkt der Ausbreitung des Virus derzeit der amerikanische Kontinent.
Die aufstrebenden Volkswirtschaften befinden sich in einer Finanzsituation, die durch eine Kombination äußerer Schocks geprägt wird, beispielsweise die weltweite Krise, gesunkene Ölpreise und eine steigende Risikoaversion, was zu einer Abwertung ihrer Währungen und einem Finanzkapitalabfluss geführt hat. Dieser Kontext erschwert auch den Umgang mit den höheren Staatsschulden vieler Länder.
Experten auf der ganzen Welt machen verschiedene Ankündigungen über die zukünftigen Szenarien dieser Pandemie, von der Behauptung, dass im Herbst eine zweite Welle erwartet wird, bis zu der Behauptung, dass es überhaupt keine zweite Welle geben wird. Bereiten Sie sich auf beide Szenarien vor und was passiert, wenn das, was alle befürchten, ein neuer Lockdown erneut eintritt? Wird es zusätzliche Maßnahmen geben?
Eine zweite Welle oder neue Ausbrüche hängen vor allem von der Arbeit, die heute getan wird, ab – vor allem in jenen Ländern, die bereits zur “neuen Normalität” übergegangen sind. Die Präventions- und Vorsorgemaßnahmen, die wir täglich treffen, werden zumindest bis zum Vertrieb einer Impfung einen Einfluss auf das Verhalten des Virus haben.
Argentinien erlebt zur Zeit (Mitte Juni) eine beschleunigte Ausbreitung des Virus in den großen Städten, und das Ziel ist, ständig an der Prävention, Identifizierung und Isolierung des Virus zu arbeiten, um den Ausbruch einer neuen Welle zu verhindern. Weitere Lockdowns oder andere extreme Zusatzmaßnahmen sind keine nachhaltigen Instrumente, vor allem nicht für Schwellenländer.
(Svetlana Nenadovic-Glusac)