Gabor Lilik, Wirtschaftsattaché von Ungarn: Eine angemessene Kontrolle der Epidemie ist die Voraussetzung für einen Neustart der Wirtschaft

Die Covid-19-Pandemie hat zu beispiellosen Herausforderungen bei den laufenden operativen Aktivitäten der globalen Industrie, dem Handel und der Wirtschaft geführt. Die Weltwirtschaft wurde für mehrere Monate gezwungen, auf die Notbremse zu treten.

Gabor Lilik, Erster Botschaftssekretär und Wirtschaftsattaché der Botschaft von Ungarn in der Republik Österreich

Durch die restriktiven Maßnahmen und den Lockdown, den die Regierungen rund um den Globus durchgeführt haben, wurde die Wirtschaft in einen Winterschlaf versetzt.

Vorsichtig wird die Wirtschaft in jedem Land wieder hochgefahren. Alle Wirtschaftszweige sind von der Krise – ausgelöst vom Coronavirus – davon betroffen, ohne Ausnahme.

Wie hat sich die Krise auf die Weltwirtschaft ausgewirkt und wie sind die Prognosen für die Zukunft? Darüber haben wir mit Wirtschaftsexperten und Vertretern der ausländischen Wirtschaftskammern in Wien, sowie BotschafterInnen, HandelsvertreterInnen aus Handelsabteilungen und Wirtschaftsdelegierten aus der Diplomatie in Österreich gesprochen.

Wir sprachen für Diplomacy and Commerce Austria mit Gabor Lilik, Erster Botschaftssekretär und Wirtschaftsattaché der Botschaft von Ungarn in der Republik Österreich.

 Wie schätzen Sie die Lage ein, stehen wir vor einer ernsthaften Krise,  die lange andauern wird, oder vor einer raschen Erholung der Wirtschaft?

Die meisten Wirtschaftsforscher haben während der Pandemie zwei mögliche Szenarien entwickelt, ein optimistisches und ein pessimistisches. Entsprechend wurde auch die Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Erholung prognostiziert. Ich bevorzuge die optimistischen Szenarien für die Corona-Epidemie und ich bin dementsprechend der Meinung, dass sich die Wirtschaft infolge der von den verschiedenen Regierungen ergriffenen Konjunkturmaßnahmen schnell erholen kann. Sollte eine zweite Welle auf uns zukommen, sollen die Regierungen damit bereits mit Erfahrung und vorbereitet umgehen können.

Inwieweit haben die staatlichen Maßnahmen Ihres Landes bisher dazu beigetragen, die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft durch die COVID-19-Pandemie zu verringern?

Als Wichtigstes betrachte ich die Gesundheitsschutzmaßnahmen, die getroffen wurden, um zu verhindern, dass sich die Epidemie massiver ausbreitet. Die Regierung reagierte zurecht auf die Epidemie, so dass sie sich nicht übermäßig hinzog. Eine angemessene Kontrolle der Epidemie ist die Voraussetzung für einen Neustart der Wirtschaft. Der Schwerpunkt der Wirtschaftsmaßnahmen in Ungarn lag auf der Bewahrung von Arbeitsplätzen. Eine der wichtigsten Maßnahmen war in diesem Zusammenhang die Einführung des Kurzarbeitsmodells, das in Ungarn bisher nicht angewendet wurde. Dadurch konnte eine große Anzahl von Arbeitsplätzen erhalten bleiben. Weitere, wichtige Maßnahmen waren die Beihilfen in Form von Steuererleichterungen und Kreditaufschüben, die die Liquidität von den in Schwierigkeiten geratenen Unternehmen erheblich erhöht haben. Der Wachstumsbeitrag der Wirtschaftsschutzmaßnahmen zur Förderung der Wirtschaft könnte laut Schätzungen 3,7 Prozentpunkte erreichen.

Der Wirtschaftssektor öffnet und erholt sich ebenfalls langsam. Wie schätzen Sie die Entwicklung in Ihrem Land ein, und wie auf Globaler Ebene?

Laut Einschätzungen ungarischer Ökonomen könnte die ungarische Wirtschaft nach einem Konjunkturabschwung von 3,0 % in diesem Jahr einen Aufschwung von 4,8 % im Jahr 2021 aufweisen. Da Ungarns Wirtschaft stark exportorientiert ist, ist eine Voraussetzung für das Erreichen einer so starken Wachstumsrate, dass die globale Wirtschaft sich in der Tat rasch erholt und das erwarte ich auch. Die Krise wurde durch die Coronavirus-Epidemie und die Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie verursacht, nicht durch interne Schocks, die durch erhebliche Ungleichgewichte der Wirtschaft verursacht wurden. Die Regierungen führten robuste Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft ein, um die wirtschaftliche Auswirkung ihrer Einschränkungen zu verringern.

Experten auf der ganzen Welt machen verschiedene Ankündigungen über die zukünftigen Szenarien dieser Pandemie, von der Behauptung, dass im Herbst eine zweite Welle erwartet wird, bis zu der Behauptung, dass es überhaupt keine zweite Welle geben wird.  Bereiten Sie sich auf beide Szenarien vor und was passiert, wenn das, was alle befürchten, ein neuer Lockdown erneut eintritt?   Wird es zusätzliche Maßnahmen geben?

Ungarische Experten gehen von einer zweiten Welle der Corona-Pandemie aus. Dementsprechend werden die zur Bewältigung der Pandemie geschaffenen operativen Strukturen aufrechterhalten. Es ist sehr wichtig, dass man die Entwicklung einer zweiten Welle rechtzeitig erkennt. Die Abwicklung einer zweiten COVID Pandemie ist aber sehr schwer einzuschätzen. Sollte es soweit kommen, dass ein neuer Lockdown eingeführt werden muss, werden die nötigen Maßnahmen getroffen.    

 Svetlana Nenadovic-Glusac