Die Covid-19-Pandemie hat zu beispiellosen Herausforderungen bei den laufenden operativen Aktivitäten der globalen Industrie, dem Handel und der Wirtschaft geführt. Die Weltwirtschaft wurde für mehrere Monate gezwungen, auf die Notbremse zu treten.
Durch die restriktiven Maßnahmen und den Lockdown,den die Regierungen rund um den Globus durchgeführt haben, wurde die Wirtschaft in einen Winterschlaf versetzt.
Vorsichtig wird die Wirtschaft in jedem Land wieder hochgefahren. Alle Wirtschaftszweige sind von der Krise – ausgelöst vom Coronavirus – davon betroffen, ohne Ausnahme.
Wie hat sich die Krise auf die Weltwirtschaft ausgewirkt und wie sind die Prognosen für die Zukunft? Darüber haben wir mit Wirtschaftsexperten und Vertretern der ausländischen Wirtschaftskammern in Wien, sowie HandelsvertreterInnen aus Handelsabteilungen und Wirtschaftsdelegierten aus der Diplomatie in Österreich gesprochen.
Wir sprachen für Diplomacy and Commerce Austria mit Dr. Marcelo Villagran, chilenischer Handelsvertreter, der in München ansässig ist und der neben Deutschland, auch für Österreich und die Schweiz verantwortlich ist.
Wie schätzen Sie die Lage ein, stehen wir vor einer ernsthaften Krise, die lange andauern wird, oder vor einer raschen Erholung der Wirtschaft?
Ohne Zweifel hat die COVID-19-Pandemie das Leben in unserer Gesellschaften radikal verändert und weltweit hohe menschliche und wirtschaftliche Kosten verursacht. Um das Leben von Millionen von Menschen zu retten, mussten unsere Regierungen nicht nur die Gesundheitssysteme stärken, sondern auch soziale Maßnahmen treffen, welche tiefgreifende Auswirkungen auf die Finanzmärkte und die Realwirtschaft zufolge hatten. Chile ist keine Ausnahme und während in Europa die Infektionszahlen sinken, steuert die Anzahl der Corona-Infektionen in Lateinamerika auf einen Höhepunkt zu. Es ist noch schwer vorherzusagen, ab wann sich unsere Wirtschaft wieder erholen wird. Die Länder, die am stärksten von der Pandemie betroffen sind, werden auch wirtschaftlich am schwersten leiden. Damit sich die Wirtschaft deshalb bald wieder erholen kann, versuchen unsere Länder die Infektionszahlen zu senken.
Inwieweit haben die staatlichen Maßnahmen Ihres Landes bisher dazu beigetragen, die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft durch die COVID-19-Pandemie zu verringern?
Die Corona-Krise verursacht große gesundheitliche sowie wirtschaftliche Schäden. Auch Chile wird als offene Volkswirtschaft mit 29 Handelsabkommen mit 65 Märkten, welche 67 % der Weltbevölkerung und 88 % des globalen Bruttoinlandsprodukts repräsentieren, unter den Einschränkungen des internationalen Handels leiden. Prognosen über das Wirtschaftswachstum wurden hier, wie auf der ganzen Welt, von den Wirtschaftsinstituten massiv nach unten revidiert. Die Regierung ist täglich bemüht, richtige wirtschaftspolitische Reaktionen festzulegen. Am 3. März 2020 wurde in Chile der erste COVID-19-Fall bestätigt und nur 16 Tage später stellte die Regierung das Corona-Hilfspaket zur Rettung der Wirtschaft vor, mit mehr als 15 Mrd. Euro (dieses entspricht 6,8 % des BIPs von Chile). Die Gesundheit der Menschen steht für uns an oberster Stelle. Trotzdem ist die Corona-Krise auch eine große Herausforderung für die Wirtschaft und das Beschäftigungsverhältnis vieler Chilenen. Das Hilfspaket setzt sich zum Ziel, die am stärksten von der Krise betroffenen Bevölkerungsgruppen und Wirtschaftszweige zu unterstützen. Die Quarantäne, weitreichende Einschränkungen und soziale Distanzierung, haben ebenso harte Auswirkungen auf viele Chilenen. Deshalb wurde vor Kurzem ein Beschluss von Regierung und Opposition, über die Schaffung eines neuen Fonds von bis zu ca. 10 Mrd. EUR verabschiedet, welcher die Auswirkungen der Corona-Krise auf schwer betroffene Familien abmildern soll. Hinzu kommen zusätzliche Ressourcen für Gemeinden und soziale Einrichtungen. Ferner stehen auch finanzielle Mittel zur Förderung der Wirtschaft zur Verfügung, welche einen starken öffentlichen Investitionsplan berücksichtigen. Ob alle diese Maßnahmen unter den aktuellen Umständen ausreichen, ist erst später absehbar. Sie haben aber zumindest schnell dazu beigetragen, die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie für viele Chilenen zu verringern.
Der Wirtschaftssektor öffnet und erholt sich ebenfalls langsam. Wie schätzen Sie die Entwicklung in Ihrem Land ein, und wie auf die Globale ebene?
Das ist leider in Lateinamerika noch nicht der Fall. Da Chile aber vom globalen Handel abhängig ist, bedeuten erste Lockerungen der Corona-Beschränkungen Hoffnung, dass unsere köstlichen Lebensmittel und Weine auch bald wieder in Restaurants verkauft werden können.
Das Exportförderungsbüro von Chile (ProChile) hat erst vor Kurzem ein Büro in München eröffnet, welches auch für Österreich zuständig ist. Auf diese Weise können wir das chilenische Exportangebot für diesen wichtigen Absatzmarkt unserer Produkte fördern. Nach aktuellen Schätzungen der chilenischen Zentralbank wird die chilenische Wirtschaftsleistung dieses Jahr um 5,5 % bis 7,5 % Prozent sinken, 2021 hingegen wieder deutlich wachsen (zwischen +4,75 % und +6,25 %). Hierdurch werden auch für ausländische Investoren wieder gute Bedingungen geschaffen.
Experten auf der ganzen Welt machen verschiedene Ankündigungen über die zukünftigen Szenarien dieser Pandemie, von der Behauptung, dass im Herbst eine zweite Welle erwartet wird, bis zu der Behauptung, dass es überhaupt keine zweite Welle geben wird. Bereiten Sie sich auf beide Szenarien vor und was passiert, wenn das, was alle befürchten, ein neuer Lockdown erneut eintritt? Wird es zusätzliche Maßnahmen geben?
Lateinamerika ist noch weit davon entfernt, die Auswirkungen der ersten Corona-Welle zu überwinden. Natürlich sind wir sehr besorgt, dass eine zweite Welle dieser Pandemie noch gravierender ausfallen könnte. Wir stehen derzeit vor einer noch nie da gewesenen globalen Herausforderung. In den vergangenen Tagen haben wir gesehen, dass Regierungen, wenn dies notwendig ist, reagieren und zusätzliche Maßnahmen ergreifen müssen. Unsere Regierungen werden alles tun, um die negativen Auswirkungen des Virus auf die öffentliche Gesundheit und die Wirtschaft zu bewältigen.
Svetlana Nenadovic-Glusac