Im Rahmen der Rubrik „Diplomatische Residenzen und Gebäude in Wien“ präsentieren wir Ihnen im Magazin Diplomacy and Commerce Austria diesmal die türkische Botschaft in Wien.
Im 4. Wiener Gemeindebezirk, wegen der vielen Auslandsvertretungen auch Diplomatenviertel genannt, befindet sich die türkische Botschaft an der noblen Adresse der Prinz-Eugen-Straße Nummer 40 – direkt gegenüber vom Schloss Belvedere.
Vom Weinberg und Kutscherhaus zum Stadtpalais
Obwohl es heute in der Nähe des Stadtzentrums liegt, war das Grundstück, auf dem sich heute die türkische Botschaft befindet, im 19. Jahrhundert ein landwirtschaftliches Areal, auf dem Wein angebaut wurde.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass hier das erste Gebäude von Kutscher Martin Steinhauser errichtet wurde. Das genaue Baujahr des ersten Hauses ist nicht bekannt, aber es ist bekannt, dass Steinhauser im Jahr 1812 das Grundstück erweiterte und dass sich dort auch ein Park und Pferdeställe befanden.
Nachdem das Gebäude an August Gosmar (in zwei Abschnitten – 1820 und 1825) verkauft wurde, wechselte dieses Gebäude vier Mal den Besitzer (1839, 1845, 1869 und 1870), bevor es 1879 in den Besitz des wohlhabenden Alexander Scharf kam, der gleichzeitig der erste Besitzer des Botschaftsgebäudes in seiner heutigen Form war.
Ein prunkvoller Stadtpalast eines Medienmoguls gegenüber dem Belvedere
Auf dem Grundstück, auf dem sich heute die türkische Botschaft befindet, wurde das Gebäude im Jahr 1879 im Stil der italienischen Spätrenaissance und mit Beimischung des Neoklassizismus, als Stadtpalais für die Familie des Industriellen, Immobilienhändler und bekannten Journalisten Alexander Scharf erbaut, der 1883 nach dem Vorbild des „Observer“ die Tageszeitung „Wiener Sonn- und Montags-Zeitung“ gründete, sowie die „Wiener Börsen-Zeitung“ im Jahr 1865.
Der Bau dieses Gebäudes wurde von Hermann Helmer und Ferdinand Fellner
geplant, einem berühmten Duo aus dem Ende des 19. Jahrhunderts,
deren Architekturatelier „Fellner & Helmer“ auf den Bau von Theatern spezialisiert war und
deren Namen mit dem Bau von 48 Theatern in ganz Europa in Verbindung gebracht werden.
Scharf beauftragte 1879 das Architektenbüro Fellner & Helmer und ließ es vom Baumeister Ferdinand Hauser im Stile des Neoklassizismus neu erbauen.
Von der Monarchie Österreich-Ungarn
Die bilaterale Beziehungen zwischen Österreich und der Türkei begannen schon Mitte des 16. Jahrhunderts mit diplomatischen Gesandtschaften von Österreich-Ungarn und dem Osmanischen Reich. Eine ständige diplomatische Vertretung Österreichs in Konstantinopel bestand erst ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und der erste ständige osmanische Botschafter kam im Jahre 1798 nach Wien.
Mit der Unterzeichnung des Kaufvertrages am 14. Dezember 1916 durch S.E. Hüseyin Hilmi Bey, Botschafter des Osmanischen Reiches in Wien, wurde das Osmanische Reich zum neuen Eigentümer des Gebäudes, das im Grundbuch unter der Nummer 236 registriert war.
Nach dem Kauf des Gebäudes, wurde die heutige türkische Botschaft von Grund auf renoviert.
Nach dem Ersten Weltkrieg verloren beide Länder ihren Monarchiestatus und wurden Republiken.
Am 28. Jänner 1924 wurde ein Freundschaftsvertrag mit der neu gegründete Republik Türkei abgeschlossen und gleichzeitig wird dieses Datum als das Aufnahmedatum der neuen diplomatischen Beziehungen zwischen der Republik Türkei und der Republik Österreich betrachtet.
Stile und Einrichtung des türkischen Palais in Wien
Die Botschaft der Türkei befindet sich an der Ecke Prinz-Eugen-Straße/
Der Innenräume des Botschaftsgebäudes in Wien sind mit überaus wertvollen Einrichtungsgegenständen ausgestattet.
So sieht man beim Durchqueren der Räumlichkeiten der türkischen Botschaft faszinierende Details des Neoklassizismus.
Die Decken sind mit stilvollem Stuck verziert, an den Wänden hängen hochkarätige Meisterwerke in lebendigen Farben, die idyllische Renaissance-Darstellungen zeigen. Andere Decken bestehen aus dunklem Holz mit Goldornamenten, wie die im Büro des Botschafters. Wundervolle Gardinen aus hochwertigen Materialien wurden kombiniert mit stilvollen Sitzmöbeln, Marmorkaminen, Treppen und faszinierenden Marmorwänden im Festsaal. Besonders eindrucksvoll ist auch die reich vergoldete Struktur an den hohen Türen des Salons. Alles strahlt verschiedene Stile des Neoklassizismus aus, die hier an einem Ort raffiniert miteinander verflochten sind.
Dieses Gebäude ist ein einzigartiger Zeitzeuge des Historismus, mit prachtvollen Kronleuchtern, üppigen Kerzenleuchtern und einzigartigen Gemälden und Teppichen.
Der Ballsaal und der Teppich, der in die Geschichte einging
Der Ballsaal in der Beletage, in dem die türkische Botschaft ihre Feierlichkeiten und Empfänge veranstaltet, ist im Gegensatz zu den prachtvollen Räumen im selben Stockwerk recht schlicht.
Die Wände des Ballsaals sind mit weißem, cremefarbenem, grauem und rotem Marmor verkleidet und mit Säulen mit korinthischen Kapitellen geschmückt.
An der vorderen Wand befindet sich ein großer Spiegel, davor befindet sich eine gerahmte Tapisserie, die das Bildnis des „Vaters der türkischen Nation“ Kemal Atatürk darstellt, flankiert von zwei französischen Porzellan-Kerzenständern aus dem 19. Jahrhundert im Empire-Stil der „Sévres“ Manufaktur.
Neben den vielen seitlichen Kerzen-Wandhaltern befindet sich in der rechten Ecke ein Flügel der Marke Pleyel Wolff Lyon&C (Lyon Paris) aus Walnussholz und an der rechten Wand ein massiver Marmorkamin.
Der „Star“ des Ballsaals ist jedoch ein Teppich, der in die Geschichte Österreichs eingegangen ist.
Es handelt sich nämlich um einen 200 Jahre alten Teppich, der von den fleißigen Webern der türkischen Provinz Uşak gewebt wurde und stilisierte florale und geometrische Ornamente aufweist.
Die Grundfarbe des Teppichs ist in einem satten Rotton, er ist aus Wolle hergestellt, die Knoten sind fest, der Flor ist kompakt und dicht, in der Mitte befindet sich ein Juwel-Muster, und die Größe des Teppichs beträgt stattliche 48 m2.
Der Teppich ging 1955 in die Geschichte ein, weil er bei der Unterzeichnung des Österreichischen Staatsvertrages, der die Unabhängigkeit Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg erklärte, im Saal des Schlosses Belvedere dabei war.
Davon zeugt die künstlerische Darbietung des Malers Robert Fuchs, der dieses historische Ereignis mit seinem Pinsel auf Leinwand festhielt. Das Bild zeigt die Staatsmänner, Minister und Botschafter um diesen Uşak-Teppich versammelt. Auch die Aussage des damaligen türkischen Botschafters, Hasan Göğüş, dient als Beweis, denn er bestätigte, dass der Teppich eigens für diesen Anlass von der Botschaft vis-à-vis zum Schloss Belvedere gebracht wurde.
Der “Blaue Saal”, der golden ist
Wenn sich die hohe Tür mit den vergoldeten reliefartigen Blumengirlanden im neoklassizistischen Stil öffnet und man den Blauen Saal betritt, fällt dem Besucher als erstes auf, dass der Salon eher in Gold- als in Blautönen geprägt ist.
Die Wände sind nämlich mit hochwertigem Stoff in Goldfarbe bedeckt, und das gleiche Material wurde bei der Herstellung von Vorhängen verwendet, die die Fenster einrahmen.
Erst auf den zweiten Blick erkennt man die blaue Farbe an den beiden Sitzgarnituren, die je aus einem Zweisitzer und zwei Sesseln bestehen und mit wunderschönem blauen Satin mit Blumenmuster bezogen sind.
Oben an der linken Wand über einem weißen Kamin, befindet sich ein Marmorrelief, das sechs Engel darstellt, und der Prunk des Raums besteht in erster Linie aus Tischen im Rokoko-Stil mit auffälligen goldenen Details. Es handelt sich um „Boulle“-Beistelltische, einer Technik, die der Schreinermeister des Louvre-Palastes, Andre Charles Boulle, im 17. Jahrhundert entwickelte. Hierbei werden Kupferverzierungen auf Schildpatt und Perlmutt kunstvoll eingebaut.
Einer der Schätze dieses Raumes ist ein ovaler Tisch aus der Epoche Napoleons III. (1849-1870) an dessen Unterseite Bronze-Frauenkopfe stehen, die unwiderstehlich an Medusen aus der griechischen Mythologie erinnern.
Ein Atatürk-Porträt von Mahler S. Süreyya (1928-1974) dominiert den blauen Salon, ihm zu beiden Seiten Wandleuchter im Rokoko-Stil.
Der stilvolle Speisesaal mit blauen Porzellanvasen der Marke Sèvres und französische Paravents
Das pompöse Esszimmer ist geschmückt mit blauem Brokat an den Wänden, Gipsarbeiten an der Decke, Kristalllüster und Wandkerzenhalter, einer Kommode, über der sich ein großer goldener Spiegel befindet, und darauf eine französische Kommodenuhr aus dem 19. Jahrhundert, verziert mit Bronzearbeiten auf dunklem Grund und zwei großen Kerzenhaltern. In der Mitte des Raumes befindet sich ein langer Tisch neueren Datums.
Im Raum dominieren zwei Nischen an der Vorderwand, in denen sich zwei faszinierende blaue Porzellanvasen der Marke Sèvres befinden. Diese haben die Signatur von T. Quentin und sind somit auf Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts zu datieren.
Die Aufmerksamkeit der Besucher wird von einem französischen Paravent erregt, der mit dem gleichen blauen Brokat wie die Wände bezogen ist, er ist mit Rokoko-Szenen mit Gold verziert. Auf dem Paravent im Speisesaal sind drei Medaillons zu sehen, die von Lorbeerzweigen und Blumenkränzen umgeben sind und die Boudoir-Szenen aus alltäglichem Leben zeigen.
Text: Svetlana Nenadovic Glusac
Fotos: Diplomacy and Commerce Austria