Rede des Bundeskanzlers anlässlich 75 Jahre Zweite Republik.
– Heute vor 75 Jahren wurde unsere Republik Österreich wiedererrichtet. Zu diesem Jubiläum dürfen wir auf eine erfolgreiche Zeit zurückblicken: Aus einem schwachen und zerrütteten Österreich ist ein starkes und wohlhabendes Land geworden. Eine Demokratie, die auf Rechtsstaatlichkeit und Freiheit baut, im Herzen der Europäischen Union – sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz in seiner Ansprache.
Der Bundeskanzler bedankte sich bei der Nachkriegsgeneration, die das Land nach dem Krieg wiederaufgebaut habe und erinnerte an Gründungsväter wie Leopold Figl, an große Gestalter wie Bruno Kreisky und an Vordenker wie Alois Mock. Auf ihren Schultern würden alle stehen, um die Erfolgsgeschichte gemeinsam weiter zu schreiben.
“Wir feiern dieses Jubiläum in einer Zeit der Krise und uns allen ist nicht wirklich zum Feiern zumute. Aber die Geschichte der Zweiten Republik zeigt uns, dass es immer wieder ein Auf und Ab gegeben hat: Phasen des Aufschwungs und des Friedens waren immer wieder unterbrochen durch Wirtschafts- und Finanzkrisen, Naturkatastrophen und gewaltsame Konflikte in der Nachbarschaft. Aber wir sind als Österreich und als Europäische Staatengemeinschaft aus all diesen Krisen gestärkt hervorgegangen und so wird es auch diesmal sein”, so Sebastian Kurz.
Erster Meilenstein bei der Bekämpfung von COVID-19 geschafft
Der Kanzler hielt fest, dass Österreich die Coronakrise bisher gut gemeistert habe. Ein erster und wichtiger Meilenstein sei durch die Abflachung der Infektionskurve geschafft worden. Er dankte den Regierungsmitgliedern sowie allen, die in den vergangenen Monaten in der kritischen Infrastruktur, in den Krankenanstalten, bei Polizei und Heer, in der Energie- und Wasserversorgung, in der Landwirtschaft, den Apotheken, Supermärkten und in vielen anderen Bereichen gearbeitet haben “und allen Menschen in Österreich dafür, dass sie die Maßnahmen mitgetragen haben. Ich weiß, das war und ist nicht einfach”. Vor allem Alleinstehende sowie Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen würden leiden aber auch Alleinerziehende und Eltern mit Kindern brächten die Maßnahmen an ihre Grenzen.
“Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass von heute auf morgen alles so sein wird, wie es einmal war. Ich kann Ihnen auch nicht versprechen, dass die nächsten Monate einfach werden. Aber ich möchte Ihnen heute schon eines versprechen: Genauso, wie wir von Anfang an rasch und konsequent gehandelt haben, um das Virus einzudämmen, genauso werden wir auch jetzt alles tun, um schnellst möglich unsere Freiheit zurückzugewinnen”, so Bundeskanzler Kurz.
Österreich befinde sich als erstes Land Europas auf dem Weg zur Wiedereröffnung der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens. Die Bundesregierung strebe Schritt für Schritt wieder eine Normalisierung des Lebens an, wolle aber gleichzeitig die Infektionszahlen so niedrig wie möglich halten. Der Erfolg in der nächsten Phase der Wiedereröffnung werde wieder vom Beitrag jedes Einzelnen abhängen. Die Eigenverantwortung stehe im Vordergrund: “Je mehr jeder von uns bei der Rückkehr in den Alltag weiter Abstand hält, Mund-Nasenschutz trägt und auf die Hygiene achtet, desto rascher und unbeschadeter werden wir voranschreiten können – alle gemeinsam als Team Österreich.”
Rasche Maßnahmen für Wirtschaft und Arbeitsplätze
“Eine Zeit der Krise zeigt uns wieder einmal, was im Leben wirklich zählt: Gesundheit, Familie, Freunde und natürlich wirtschaftliche und soziale Sicherheit. Sie zeigt uns auch, dass unser Lebensmodell der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und des Wohlstands zwar stark, aber nicht unverwundbar ist. Und sie erinnert uns daran, dass wir alle, jede Generation, hart dafür arbeiten müssen, um dieses Lebensmodell weiter zu stärken und es noch resilienter zu machen. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe”, hielt Sebastian Kurz fest.
Die globale Wirtschaft stünde aufgrund der Coronakrise vor der größten Krise seit den 1930er Jahren. Österreich sei hier keine Ausnahme. Gerade als kleines exportorientiertes Land mit einer großen Tourismus- und Kulturlandschaft sei es besonders hart betroffen. Klein- und Mittelbetriebe würden um ihre Existenz bangen, Menschen müssten gekündigt werden. “Auch wenn wir als kleines Österreich die Weltwirtschaft nicht beeinflussen können, so versuchen wir in Österreich dennoch, so gut es geht zu unterstützen: mit Liquidität und Soforthilfe”, so Sebastian Kurz. Mehr als 14 Milliarden Euro seien bereits ausgezahlt worden. Alle zuständigen Stellen würden rund um die Uhr daran arbeiten, dass die versprochene Hilfe rasch dort ankäme, wo sie dringend gebraucht werde. “Aber eines muss uns klar sein: Mit dieser Soforthilfe ist der Wiederaufbau noch lange nicht abgeschlossen, er hat gerade erst begonnen. Wir werden in diesen und in den kommenden Jahren alles daransetzen, um gemeinsam mit den mutigen Unternehmern und den fleißigen Mitarbeitern in Österreich den Wirtschaftsstandort in seine alte Stärke zurückzuführen”, bekräftigte der Regierungschef.
Entlastung für kleine und mittlere Einkommen, Steuergerechtigkeit und Deregulierungsmaßnahmen
Die Bundesregierung werde den Weg der Entlastung, besonders für kleine und mittlere Gehälter fortsetzen. “Wir haben in der aktuellen Krise wieder gesehen, dass die Menschen, die unsere Gesellschaft am Laufen halten, nicht die sind, die den größten Bonus ausbezahlt bekommen. Wer hart arbeitet, der soll künftig auch mehr zum Leben haben. Das ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, aber in Zeiten wie diesen auch notwendig, um den Inlandskonsum wieder anzukurbeln”, hielt Kanzler Kurz fest. Gleichzeitig werde man auf nationaler und auf europäischer Ebene gegen alle Formen der Steuerflucht und gegen ungerechte Steuermodelle großer Konzerne ankämpfen. Jeder solle gerade in einer Zeit wie dieser “seinen fairen Beitrag leisten”. Darüber hinaus werde die Bundesregierung stärker investieren, wo immer es sinnvoll sei. Als Beispiele nannte der Kanzler Digitalisierung, Ökologisierung und Bildung. Weiters wolle man das Leben von Mensch und Wirtschaft durch Deregulierung vereinfachen. Der Staat wolle es künftig den österreichischen Unternehmen so leicht wie möglich machen, Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten. Noch diese Woche bringe die Bundesregierung die ersten Maßnahmen dazu auf den Weg. “Das Ziel dabei ist klar: Um jeden Arbeitsplatz in Österreich kämpfen”, bekräftigte der Bundeskanzler.
Österreich erlebe eine schwere Zeit: Die Ausbreitung des Coronavirus müsse weiterhin eingedämmt und gleichzeitig die Wirtschaft wieder hochgefahren werden. Dabei könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass es zu einer zweiten Ansteckungswelle komme. Sebastian Kurz zeigte sich zuversichtlich, dass Österreich als starkes Land den bisher erfolgreichen Weg fortsetzen könne. “Heute an diesem Tag, an dem wir 75 Jahre Zweite Republik feiern, können wir stolz auf unser Land blicken und dankbar sein für all das, was in unserer Republik bisher erreicht wurde. Aber wir können auch mit Mut und Zuversicht vorausblicken auf all das, was wir noch gemeinsam erreichen können: Auf das Comeback für Österreich, an dem wir alle beteiligt sein werden”, so der Bundeskanzler abschließend.
Republikfeier im Zeichen von COVID-19
Die Feier zur Gründung der Zweiten Republik findet anlässlich der “Proklamation über die Selbständigkeit Österreichs” wenige Tage vor Kriegsende des Jahres 1945 statt. Damals erklärten Vertreter von SPÖ, ÖVP und KPÖ den Anschluss an Deutschland für null und nichtig. Noch am gleichen Tag konstituierte sich eine provisorische Staatsregierung unter Karl Renner.
Das heurige Jubiläum ist geprägt durch die Coronakrise. Die geplanten Feierlichkeiten wurden abgesagt und beschränken sich auf Kranzniederlegungen am Burgtor durch die Regierungsspitze sowie Bundespräsident Alexander Van der Bellen, einen musikalischen Auftritt eines Philharmoniker-Quartetts im Kanzleramt und eine 15-minütige TV-Ansprache von Regierungschef Sebastian Kurz.
(bundeskanzleramt.gv.at)