Seit Beginn der Corona-Virus-Pandemie, die die Gesundheitsvorsorge, Pharmazie, Wirtschaft, Handel und damit Regierungen auf der ganzen Welt in die Knie zwang, hat der Wettlauf der Weltmächte um eine Rettung der Menschheit begonnen. Diesmal haben alle einen gemeinsamen Feind – SARS-CoV2, dazu kommt noch ein erschwerender Umstand – es ist ein Rennen gegen kostbarere Zeit.
Eine Skepsis, die sich in der Bevölkerung sowie unter den Medizinern immer mehr verbreitet, stellt die Zuverlässigkeit mancher Covid19 Tests in Frage.
Dazu kommt die Unzufriedenheit derjenigen, die einen Test benötigen und lange auf Testungen warten müssen und sehr oft noch länger auf die Testergebnisse.
Und während Wissenschaftler und Epidemiologen auf der ganzen Welt auf Hochtouren arbeiten, um die Pandemie zu lindern und schlussendlich zu beenden, gibt es in Wien einen jungen Wissenschaftler, Molekularbiologen und promovierten Biotechnologen, der eine neue Form des Testens auf das SARS-CoV-2-Virus entdeckte und patentierte.
Exklusive für das Magazin Dilpmacy and Commerce Austria haben wir mit Dr. Daniel Wallerstorfer Bsc., Gründer und Geschäftsführer der Novogenia GmbH – dem Erfinder des innovativen PCR-Gurgel-Tests – gesprochen.
Die Coronakrise hat Österreich und Europa seit einigen Wochen wieder fest im Griff. Als Mittel um einen unkontrollierten Ausbruch zu verhindern, gilt eine umfassende Teststrategie. Wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Probleme bei der Umsetzung?
Ich denke, grundsätzlich macht es Österreich nicht schlecht. So viele Menschen zu testen, ist eine gigantische logistische Herausforderung, in die wir alle erst hineinwachsen müssen. Im Moment scheint die Verfügbarkeit der Sanitäter allerdings einen Engpass darzustellen, denn wir haben immer noch freie Analysekapazitäten. Die Anforderung, dass speziell geschultes Personal den Abstrich machen muss ist ein großer limitierender Faktor. Wir lösen gerade dies mit unserem neuen Gurgelsystem, das wir gerade entwickelt und zum Patent eingereicht haben. Es ist ein registriertes Medizinprodukt, das von Laien selbst angewendet werden kann. Somit können auch andere Menschen, nicht nur Sanitäter und Ärzte, die Probenabnahme organisieren. Eine weitere Lösung, an der arbeiten, ist eine automatisierte Probenregistrierstation. Wir nennen das NOVO SMART SCREEN. Es ist ein Gerät, das man überall aufstellen kann (z.B. in der Lobby eines Unternehmens). Vorbeigehende Personen (z.B. Mitarbeiter) können vollkommen selbstständig ihre Gurgelprobe abnehmen und über das Gerät mit dem RFID-Chip einwerfen. Das Gerät schickt verschlüsselt die Probenidentität an das Labor und löst einen Abholauftrag aus. Das Ergebnis kommt zwischen 10 und 24 Stunden später per Email, SMS etc. All diese Techniken helfen dabei, die Engpässe bei der Probenregistrierung und Abnahme zu verbessern. Meinem Wissenstand nach werden aktuell nur 7 Prozent aller Tests in Österreich innerhalb von 48 Stunden ausgewertet, manchmal dauert es sogar eine Woche.
Auch wäre es keine schlechte Idee, Probenabnahmen an die freie Wirtschaft auszulagern. Wir haben etwa 40 mobile Teams, die wir in ganz Österreich einsetzen können. Hier könnten wir bei vielen Projekten helfen und Teil der Lösung für die aktuellen Probleme sein. Man könnte dieses System z.B. in Schulen anwenden. Mit dem Novo Smart Screen kann man so 100 Proben in acht Minuten abnehmen.
In Wien setzt man jetzt auf die Gurgelmethode und mobile Einsatzteams für Schulen sowie Teststraßen, in denen man kostenlose PCR Tests im „Drive-In“ Verfahren anbietet. Was halten Sie davon?
Das Gurgeln hat einige Vorteile. Es ist nicht so unangenehm wie ein Nasenabstrich, und in unseren eigenen Validierungen haben Gurgelproben 16 mal mehr Viren enthalten als ein Rachenabstrich. Ich bin also der Meinung, dass man damit sehr gute Ergebnisse erzielen kann. Es gibt aber noch Unterschiede in den Gurgelmethoden. Manche gurgeln mit Salzwasser, um den Virus am Leben zu halten und den Anwender nicht zu vergiften. Die Proben sind in diesem Fall aber noch infektiös und nicht sehr lange stabil, weshalb man die Proben kühlen muss. Das in Wien eingesetzte Verfahren hat meiner Information nach schon eine bessere Stabilität als Salzwasser. Aber wir z.B. bevorzugen den Virus nach der Abnahme zu deaktivieren, also nicht mehr ansteckend zu machen. Nach 10 Sekunden Gurgeln mit Wasser wird es in ein Röhrchen überführt, das festgetrocknete Stabilisierungssalze enthält. Diese lösen sich auf, töten das Virus und stabilisieren die Probe für Wochen bei Raumtemperatur. Das ist ein einzigartiges System, das wir entwickelt haben, und das an die aktuellen Gegebenheiten besser angepasst ist als andere Methoden auf dem Markt.
Aus Italien kommen jetzt neue Antitests, die innerhalb von 30 Minuten Ergebnisse liefern. Kann das die Lösung sein?
Antigen-Tests haben definitiv eine Daseinsberechtigung. Aber: Während ein PCR Test kleinste Virusmengen erkennen und hochkopieren kann (und somit kleinste Mengen erkennt), muss man mit dem Antigen-Test mit dem vorhandenen Material arbeiten. Sehr kleine Mengen sind somit schwer erkennbar und werden leicht übersehen. Bei stark ansteckenden Personen sind aber genug Viren vorhanden, dass diese Tests einen Großteil der Fälle erkennen. Ich habe vor kurzem die Studienlage durchsucht und 28 Studien gefunden, die einen Antigen-Test mit einem PCR-Test verglichen haben. Das Ergebnis war, dass sie etwa nur 65% der Fälle erkannt haben. Das ist somit deutlich schlechter als PCR. Allerdings gibt es Situationen, in denen das trotzdem Sinn macht. Man kann zum Beispiel vor einem Konzert jeden testen und 65% der Positiven vorher abweisen. Es ist keine 100%ige Sicherheit, aber jeder Positive, der isoliert wird ist ein Mehrwert. In Situationen, wo also sonst nicht getestet werden kann, sind Antigen-Tests eine gute Lösung. Für Prävention allerdings nicht. Hier ist es wichtig auch die schwächsten Fälle zu erkennen und zu isolieren, bevor sie stark ansteckend werden. Das kann nur die PCR-Technologie.
Was ist da so einzigartig bei den PCR-Tests der Novogenia, die Sie auch patentiert haben? Welche Probleme können sie lösen?
Patentiert haben wir unser Gurgelsystem. Das Problem beim Gurgeln ist, dass man die Lösung in den Mund nehmen muss. Jegliche Form von Virus-abtötenden Stoffen wären auch für den Menschen giftig. Deshalb Gurgeln viele mit Salzwasser oder ähnlichen gut verträglichen Lösungen, die aber wie ein Schluck Meerwasser einige Zeit einen unangenehmen Nachgeschmack hinterlassen. Das Virus und die Bakterien des Mundes bleiben am Leben, und die Lösung gilt als hoch infektiös während des Transports (das macht das medizinische Personal notwendig). Außerdem ist dies auch ein guter Nährboden für Bakterien, die sich in der Lösung vermehren und alles, auch den Virus, zersetzen. Deshalb ist es wichtig, herkömmliche Gurgellösungen sofort zu kühlen und schnell ins Labor zu bringen.
Wir haben uns bei diesen Problemen etwas einfallen lassen. Bei unserem als Medizinprodukt registriertem System gurgelt man für 10 Sekunden mit reinem Wasser. Das Wasser geht dann durch einen beigelegten Trichter in ein Auffangröhrchen. Und hier ist das Besondere. Wir haben es nach viel Entwicklungsarbeit geschafft, die Virus-abtötenden Stabilisierungssalze im Inneren des Röhrchen zu immobilisieren. Wenn das Gurgelwasser dann aufgefangen wird, beginnt es nach einiger Zeit die Salze aufzulösen. Die Viren werden dadurch deaktiviert, bzw. abgetötet. Das ist für den Versand per Kurier oder Post z.B. sehr wichtig. Außerdem enthält das System Stoffe, die die RNA des Virus, also sein Erbgut erhalten, damit wir diese später mit PCR nachweisen können. RNA ist extrem instabil. Im Labor wird diese immer bei -70°C gelagert, da sie sich bei Raumtemperatur innerhalb weniger Stunden zersetzt. Dieses Problem mussten wir lösen. Durch das Einsetzen der richtigen Salze ist es uns gelungen, die Probe so stabil zu machen, dass Viren RNA selbst bei drei Tagen bei 45°C komplett zu erhalten. Es ist also egal, ob die Probe zwei Wochen auf dem Postweg verbringt, ob sie zwischenzeitlich im heißen Auto liegt oder kurz einfriert, das Virus-Erbgut bleibt intakt. Das ist ein riesiger Fortschritt im Probenhandling. Viele Labors lehnen alle Proben ab, die älter als 24h sind. Bei unserem System ist das nicht mehr nötig. Es ist dieses Gurgelsystem, das wir zum Patent eingereicht haben, da hier der große Unterschied liegt.
Vor kurzem wurde von Ihnen der Novo Smart Screen vorgestellt: was kann dieses System und wofür ist es vorgesehen?
In manchen Skigebieten gibt es 2.000 Angestellte der Bergbahnen, die für den Erfolg der ganzen Region besonders wichtig sind. Deshalb haben viele von ihnen beschlossen Routinetestungen der Mitarbeiter einzuführen. Hier gibt es jedoch einen strengen Zeitplan: um 8:00 früh sind alle Mitarbeiter am Berg. Die Testung von 2.000 Personen muss also zwischen 6:00 und 7:30 abgeschlossen sein. Mit Sanitätern ist dies nicht möglich. Deshalb haben wir mit unserem Gurgelsystem ein Gerät entwickelt, das die Logistik und Organisation übernimmt. Bei diesen Geräten kann jeder Mitarbeiter selbst entscheiden wann er die Probe abnehmen möchte. Am Morgen vor dem Start kann im Vorbeigehen die Probe eingelegt und mit dem Zutritts-Chip oder der Saison-Karte assoziiert werden. Bei unserem Pilotbetrieb in Mayrhofen hat dies pro Person nur acht Sekunden gedauert. Der Mitarbeiter geht vorbei, entnimmt ein Gurgelset, sammelt die Probe, steckt sie ins Gerät, hält seinen Chip vor das Gerät und die Probe wird eingezogen. Der Transport ins Labor wird organisiert und 10 bis 24 Stunden später erhält der getestete eine SMS mit Link zu einem verschlüsselten medizinischem Befund.
Dieses System eignet sich aber nicht nur für Bergbahnen, sondern für alle Unternehmen, oder sogar Schulen, die eine regelmäßige Testung ermöglichen wollen, ohne große Abnahmetage mit Sanitätern und stundenlanger Betriebsunterbrechung organisieren zu müssen.
Welche Kapazitäten hat Novogenia? Wie viele PCR-Tests könnte man über Novogenia sofort abwickeln?
Derzeit arbeiten wir mit einer Kapazität von 18.000 Analysen pro Tag. Wir sind allerdings schon dabei unsere Kapazität auf etwa 25.000 und danach auf 35.000 pro Tag zu erhöhen. Und auch dies wäre noch nicht das mögliche endgültige Limit.
Wo sehen Sie die wichtigsten Einsatzgebiete für Novogenia und den Novo Smart Screen?
Regelmäßige Testungen von Gruppen von Menschen. Dazu gehören Krankenhäuser, Unternehmen, Schulen usw. Also überall, wo dieselbe Person regelmäßig eine Probe abgeben sollte um die Verbreitung zu verhindern.
Wären auch zusätzliche Laborkapazitäten außerhalb Ihres Standortes denkbar? Etwa auf Flughäfen und überall dort, wo eine schnelle Überprüfung notwendig ist?
Für Vor-Ort Testungen wie an Flughäfen hätten wir durchaus eine Lösung durch unsere Zusammenarbeit mit anderen Labors in Österreich. Abhängig von der notwendigen Regelmäßigkeit und Dringlichkeit, lassen sich individuelle Lösungen finden und leicht anpassen.
Bundesminister Anschober will im Jänner 2021 mit Impfungen beginnen und stellt sich als Ziel eine Durchimpfungsrate von 50 bis 60 Prozent vor. Ist das realistisch und sind ab dem Zeitpunkt Tests hinfällig?
Das ist leider nicht so einfach und realistisch. Die Durchimpfungsrate für die herkömmliche Grippe liegt aktuell bei unter 8 Prozent in Österreich. Und das Virus wird sich wie die Grippe zu unseren Standardkrankheiten dazugesellen und uns lange begleiten. Durch die Impfung können wir allerdings die Hochrisikopatienten schützen, was uns erlauben würde die Maßnahmen zu entschärfen. Ich wünsche es mir für die Menschheit, dass wir bald einen effektiven Impfstoff zur Verfügung haben werden. Allerdings ist auch dies eine gigantische Herausforderung. Würde ein Impfstoff-Hersteller eine Million Dosen pro Tag produzieren können, würde es immer noch 10 Jahre dauern, bis 50% der Weltbevölkerung geimpft werden können. Daher wird es noch lange Zeit heißen: testen, testen, und testen, um die Verbreitung zu verhindern.
Lässt sich diese Lösung bzw. Ihr PCR-Test auch außerhalb von Österreich anbieten?
Durchaus. Da unsere Proben so lange stabil sind, können wir auch Proben aus anderen Ländern empfangen und haben schon einige Aufträge aus anderen europäischen Ländern. Die Möglichkeiten sind sehr vielfältig und anpassbar, abhängig von den notwendigen individuellen Gegebenheiten.
Mehr Informationen:
https://www.youtube.com/watch?v=anDeQgauLWA&feature=youtu.be
Text: Svetlana Nenadovic-Glusac