In einem Schlüsselmoment des 1950er-Jahre-Films nimmt Sissi inmitten der jubelnden Masse auf dem Markusplatz ihr Kind in die Arme. Die Szene hat ihre Wurzeln in einem Mythos, der seit dem 19. Jahrhundert zum kollektiven Gedächtnis Österreichs gehört: Venedig. So wie viele Mythen wurde diese Vorstellung von der Lagunenstadt erst erfunden – auch über zahlreiche bildnerische Darstellungen. Viva Venedig
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Jahr 1866 waren Venedig und Venetien Teil der Habsburgermonarchie. Lange Zeit blickten die Österreicher*innen sehnsüchtig Richtung Süden auf die Lagunenstadt. Hier glaubte man Unbeschwertheit und einfaches Leben zu finden; die vom Meer geprägte Landschaft; die Loslösung von der bürgerlichen Enge im eigenen Land. In drei thematischen Kapiteln begibt sich die Ausstellung auf die Spuren dieser Inszenierung eines Traums.
Der erste Teil beleuchtet die Historienmalerei des 19. Jahrhunderts: Österreichische und italienische Künstler*innen hielten Episoden aus der ruhmreichen tausendjährigen Geschichte Venedigs in opulenten Darstellungen fest. Besonderes Beispiel dafür ist das über zehn Meter lange Gemälde von Hans Makart Huldigung der Caterina Cornaro – wegen seines ungewöhnlichen Formats nur selten zu sehen, ist es eine der besonderen Attraktionen der Schau. Der zweite Teil wendet sich der engen historischen Verbindung der Stadt mit Österreich zu. Aufgrund der geografischen Nähe hielten sich österreichische Künstler*innen wie etwa Antonietta Brandeis, Leopold Carl Müller, Carl Schuch oder August von Pettenkofen über längere Zeiträume in der Stadt auf, um sich Inspiration zu holen. Auch im Wiener Stadtbild hinterließen venezianische Motive ihre Spuren: Der umfangreiche, in den 1850er-Jahren errichtete Komplex des Wiener Arsenals etwa erinnert nicht nur mit seinem Namen, sondern auch mit seinem eigenwilligen Baustil explizit an das venezianische Vorbild. Und schließlich wird im dritten Abschnitt Venedig als Sehnsuchtsort beleuchtet – jener Mythos, der die Stadt seit dem beginnenden 19. Jahrhundert bis heute prägt. Maler*innen und vor allem auch Literat*innen aus Europa und den USA gaben sich der Magie, aber auch der Melancholie der Stadt hin; bis heute sehen manche in Venedig eine Metapher für “Sterben in Schönheit”.
Die Ausstellung umfasst rund 80 Gemälde, ein Großteil davon stammt aus der Sammlung des Belvedere. Daneben bieten auch zahlreiche Beispiele aus Literatur und Film weitere Zugänge zur künstlerischen Auseinandersetzung mit dieser faszinierenden Stadt.
BELVEDERE / Unteres Belvedere / bis 4. September