Wie wird die Energieversorgung in der Zukunft aussehen

Janez Kopac, Direktor des Sekretariats der Energiegemeinschaft – Interview

Das Sekretariat der Energiegemeinschaft hat seit 2006 seinen Sitz in Wien. Die Vertragsparteien sind auf der einen Seite die Europäische Union, und auf der anderen Seite acht Vertragsstaaten: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Moldawien, Montenegro, Serbien und die Ukraine. Das Ziel ist es, den Binnenmarkt im Energiesektor auf Südosteuropa auszuweiten. Die Energiegemeinschaft strebt danach, stabile und einheitliche Rahmenbedingungen für die Entwicklung des Energiemarktes zu schaffen, die Versorgungssicherheit zu erhöhen, die Umweltsituation zu verbessern, sowie den Wettbewerb anzuregen.

Saubere und schmutzige Energie, das Aufhalten des Klimawandels, Gaslieferung aus der Ukraine und Russland, die Zukunft des Turkish Stream, der Wunsch von Amerika, flüssiges Gas nach Europa zu liefern – über diese und andere aktuelle Themen haben wir mit dem Direktor des Sekreteriats der Energiegemeinschaft Herrn Janez Kopac gesprochen.

Wenn es um Investitionen geht, sind zurzeit lediglich China und Russland dazu bereit, in sogenannte schmutzige Technologien zu investieren, während Institutionen der EU dies im Großen und Ganzen vermeiden. Warum ist das so?

Heute sind die wichtigsten energetischen Themen eigentlich Dekarbonisierung und der Kampf gegen den Klimawandel. Obwohl sich fast die ganze Welt damit beschäftigt, leiten entwickelte Länder, besonders die EU, diese Initiative. Ziemlich ambitioniert. Alles, was mit Energetik zu tun hat, vor allem zwischen 2030 und 2050, hat mit Karbonisierung zu tun. Ausstieg aus der Kohle, vor allem der Braunkohle, dann des Öls gefolgt von der Energieerzeugung auf saubere Weise, und mehr lokale Quellen, sind die Hauptkoordinaten, die von Politikern, Energieexperten, Unternehmen und Bürgern diskutiert werden.

Natürlich ist die Lösung der Frage der Rolle von Erdgas und sogar seiner Dekarbonisierung (Ausstoß von Kohlenstoff aus Methan und dergleichen), da sich dieser Sektor an diese unvermeidliche Transformation anpassen kann, eines der Hauptthemen im Erdgassektor. Mit der Anwendung der CO2-Speicherung (CCS) in der Volumenökonomie hätten auch andere fossile Quellen möglicherweise eine längere Lebensdauer, aber im Allgemeinen besteht kein Wille dazu. Auch Kernkraftwerke befinden sich meistens in der Phase der Schließung.An neue, sauberere Produktionstechnologien, Energieeffizienz und im Allgemeinen eine vollständige Umstellung der Verwendung von Energie werden große Erwartungen gestellt. DieVerbraucher werden gleichzeitig zu Herstellern, und ich erwarte auch eine Transformation des Verkehrs, wie wir ihn heute kennen. Natürlich wird das alles dauern.

Es ist daher nicht überraschend, dass EU-Finanzinstitutionen wie die EBWE und ähnliche keine Investitionen mehr in den schmutzigen Energiesektor unterstützen.

Diese Investitionen werden jedoch mindestens in den nächsten 20 Jahren noch genehmigt werden, und wenn man beabsichtigt, die Kraftwerke beispielsweise in den Jahren 2025 oder 2030 zu schließen, ist es klar, dass es weder Sinn, noch irgendeine Rentabilität hat.

Viele EU-Länder haben die Abschaffung von Kohle als Brennstoff für Elektrizität angekündigt (fast alle westeuropäischen Länder; selbst Deutschland, wo dieses Thema äußerst sozial und politisch sensibel ist, hat 2038 als Endjahr festgelegt), und Kernkraftwerke sind in den meisten Ländern ebenfalls unerwünscht.

Russland interessiert sich auch nicht wirklich für Kohle, sein natürliches Betätigungsfeld sind Gas und Öl, obwohl es auch bei der Ölverarbeitung anfängt, hohe ökologische Standards einzuführen. Es stimmt, einige Gasgiganten auch aus Russland sprechen auch über Wasserstoff als Ersatz für Erdgas in der Zukunft.

Russland sollte jedoch die Dekarbonisierung als Hauptherausforderung im Auge behalten und sich an den von mir angesprochenen Übergang anpassen, um die Trends des Energiebedarfs auf seinen Exportmärkten zu verfolgen, und nicht in unrentablen Investitionen stecken zu bleiben.

Was China angeht, würde ich auch sagen, dass es eine sehr ernste Phase des Übergangs zur Erzeugung von Ökostrom beginnt, obwohl dort das Hauptproblem lokaler Natur – die Luftverschmutzung – ist. Und die Tatsache, dass es in schmutzige Technologien außerhalb Chinas investiert, scheint nicht ganz konsequent zu sein, hat aber sicherlich eine eigene interne Wirtschaftslogik, die immer mit Chinas weiterem Einfluss verbunden ist.

Wir sollten jedoch immer diejenigen Länder fragen, die mit solchen ausländischen Akteuren zusammenarbeiten, warum sie heute (fast im Jahr 2020) in Kohlekraftwerke investieren wollen, und ich meine die Länder unserer Region, das heißt, der Energiegemeinschaft? Die Chinesen haben nicht an allem Schuld.

Wie ist die Haltung der Energiegemeinschaft gegenüber dem Pariser Abkommen und dem Paket “Saubere Energie für alle Europäer”?

Ganz ähnlich der Europäischen Union. Unsere Minister haben im November 2018 einen Plan zur Annahme dieses neuen Gesetzespakets bis Dezember dieses Jahres auch in der Energiegemeinschaft veröffentlicht. Und die Umsetzung des Pariser Abkommens ohne dieses neue Gesetzespaket ist nicht möglich.

Am 3. Februar wird über die Chancen, dass Serbien die EG-Genehmigung erhält, den Bau von Türkisch Stream von der bulgarischen zur ungarischen Grenze fortzusetzen, entschieden?

Das ist eine sehr interessante Entscheidung. Aber andererseits ist sie auch einfach.

Das Sekretariat respektiert einfach das Ausnahmeverfahren, das vom Gastrans-Projektpromotor eingeleitet und von der Regulierungsbehörde im Rahmen des dritten Pakets genehmigt wurde. Wir haben die Entscheidung im Hinblick auf die Rechte der Energiegemeinschaft und der Europäischen Union bewertet (jedes Projekt ist sehr spezifisch und man muss eine Ad-hoc-Bewertung vornehmen).

Wir sind weder an geopolitischen Spielen interessiert, noch wollen wir jemandem etwas  geben oder wegnehmen.Unsere Meinung ist durch einen großen Filter bisheriger Erfahrung in Europa hindurchgegangen. Mein Team hat sich mit diesem Projekt in den letzten vier Monaten Tag und Nacht beschäftigt und (heute am 1. Februar) unsere Stellungnahme an die serbische Regulierungsbehörde gesandt.

Bald werden Sie das gesamte Dokument lesen können. Es ist jedoch wichtig zu sagen, dass das Sekretariat eine sehr gesunde und offene Kommunikation mit der serbischen Seite und Gastrans hatte (in der Tat haben wir einen neuen, hohen Kommunikationsstandard für die Energiegemeinschaft gesetzt), dass wir Argumente lediglich auf den Daten, die wir hatten, basierten und das wir alles gemacht haben, dass wir nicht gegen das Projekt an sich sind und dass wir fordern, dass die Entscheidung ergänzt wird, um die Ausnahmeregelung möglich zu machen, weil wir eine Reihe potenzieller Probleme identifiziert haben, die den Wettbewerb auf dem Gasmarkt in Serbien beeinträchtigen könnten. Durch die Anwendung aller unserer Maßnahmen werden meiner Meinung nach diese Probleme gelöst werden.

Welche Stellungnahme hat die Energiegemeinschaft gegenüber dem Bestreben von Amerika hinsichtlich der Lieferung von Flüssiggas nach Europa?

Der LNG-Gasmarkt ist im Prinzip der einzige (und auch dies etwas bedingt) Weltgasmarkt. LNG hat wirklich eine globale Komponente und man kann die Lieferung dieses Gases nach eigenem Ermessen und auf einer täglichen Basis steuern. Natürlich mögen alle Gasproduzenten, einschließlich der LNG-Produzenten, sogar die USA, langfristige Verträge, aber das ist schon eine andere Frage.

Die Rolle von LNG in Europa hat zwei Dimensionen: preisliche Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit.Beide Dimensionen werden auch in Zukunft diesem Segment folgen, wobei der andere Parameter möglicherweise immer stärker betont sein wird. Im vergangenen Jahr wurden rund 70 Milliarden Kubikmeter nach Europa geliefert, was einen ordentlichen Prozentsatz seines Verbrauchs von etwa 500 Milliarden Kubikmetern (ohne die Türkei) darstellt.

Andererseits hat russisches Gas einen Rekordabsatz von rund 200 Milliarden Kubikmetern erzielt. Andere Quellen trocknen langsam aus oder werden absichtlich geschlossen (Niederlande) oder werden definitiv nicht wachsen (Norwegen). Es wird natürlich einige neue Versorgungsquellen geben, Aserbaidschan, vielleicht Rumänien, bei Algerien bin ich mir nicht sicher, aber sie werden nicht entscheidend sein.

Obwohl ich die Dynamik der Nachfrage nach natürlichem Erdgas in Europa nicht vorhersehen kann (die Energiegemeinschaft miteingeschlossen), angenommen der Verbrauch bleibt gleich wie heute oder etwas geringer – denn eine vollkommene Elektrifizierung ist immer noch nicht möglich und auch nicht billig – wird der Import sich vergrößern, weil sich die heimische europäische Herstellung immer mehr veringern und verschwinden wird.Und dann ensteht ein großes Spiel zwischen dem eigentlich nicht so teuerem russischen Erdgas (das immer mehr unter transparenten Bedingungen verkauft wird, zumindest in den größeren europäischen Ländern, in der Energiegemeinschaft sieht das etwas anders aus) und dem heute etwas teurerem LNG. Die Entfernung und die Transportkosten diktieren diesen Preisunterschied.

Angenomen die Herstellung von LNG wäre ausreichend und die Nachfrage in Asien (Japan, Südkorea, Taiwan, China usw.) mäßig, Europa, das als eine Art Balance-Region für LNG fungiert, würde das überschüssige LNG zu günstigen Bedingungen konsumieren (im umgekehrten Fall zu weniger günstigen Bedingungen). Aber hier kommen wir zu dieser nicht-märktlichen Kategorie – die Sicherheit bzw. die Vielfalt der Belieferungsquellen und der Akzent, den einige Länder, und auch die EU als Einheit, darauf setzen würden, d. h. dass Europa die Möglichkeit LNG in ausreichender Menge, ungeachtet dessen, wie hoch der Preis ist, reserviert.

Hier sieht Amerika bespielsweise seine Chance. Ob und in welchem Maße diese Politik mit dem europäischen Standpunkt synchron sein wird, wird interessant sein, zu sehen. Ich freue mich darauf, deren Erdgas in Europa zu sehen – Super, wieso nicht? Aber ich bin eher der Meinung, dass nach Europa limitierte Mengen amerikanischen (hiermit meine ich die USA) LNG kommen werden, denn so ist die geographische Konfiguration – deren Erdgas wird in Richtung Pazifik gehen.

Wie sieht die Perspektive der Lagerung von flüssigem Erdgas in Kroatien auf Krk aus?

Ich weiß nicht, was ich zu diesem Thema sagen könnte, denn wir sind nicht direkt für Kroatien zuständig. Wir fühlen dieses Projekt nur sehr indirekt, und zwar durch sein Potenzial, das Gas nach Ungarn und dann in die Ukraine (was auf einem idealen gemeinsamen Markt möglich wäre, wofür aber im Augenblick wegen der hohen Kosten für den Erbau der benötigten Infrastruktur eine Hürde darstellen) zu liefern. Da sich die Kapazität diese Projektes aber immer mehr verringert, sehe ich nicht, dass das von großer Bedeutung für die Ukraine ist, die meiner Meinung nach über Polen leichter zu LNG käme.

Ob man dieses LNG von Krk bis zu der adriatischen Küste und in Richtung Albanien bringen könnte, weiß ich nicht. Albanien bereitet sich gerade enthusiastisch auf das Gas aus Aserbaidschan vor, das es nach Italien transitieren wird und fängt auch mit der Gasifizierung an.

Östlicher (Serbien, Bulgarien) ist es eher realistisch, dass LNG aus dem bestehenden Terminal in Revithoussa, Griechenland, geliefert wird, falls diese Länder eine Diversifizierung von russischem Gas möchten.

Wie gesagt, obwohl dieses Projekt hoh auf der PCI-Liste steht und fast 30% Kofinanzierung von der EU bekommen hat, ist es schwierig seine Durchführbarkeit zu beweisen. Für Kroatien allein ist es zu groß und für die Region zu klein.

Vielleicht klinge ich pessimistisch? Ich hoffe nicht, ich wünsche mir, dass dieses Projekt Erfolg hat.

Was bedeutet das Seekabel, das Italien und Montenegro verbindet, für die energetische Stabilität?

Es hilft der Stabilität, obwohl die Länder auf dem Gebiet Ex-Jugoslawiens schon jetzt sehr gut verbunden sind, was für die Stabilität am wichtigsten ist. Das Seekabel spielt für die Integration des Marktes vom Balkan und Italien eine große Rolle. Es wird einen starken Einfluss auf die Verbindung der Märkte haben.

Welche regionalen Projekte wären für diejenigen Staaten von Bedeutung, die Mitglieder der EU werden möchten und in welchem Maße stimmen die Gesetzgebungen dieser Länder mit denen der EU überein?

Für eine Mitgliedschaft in der EU ist das Projekt zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften. Auf dem Gebiet, das die Energiegemeinschaft deckt, ist Montenegro mit Abstand am besten, danach folgen Serbien und Nordmazedonien, und die Reformen stagnieren am meisten in Bosnien und Herzegowina wegen der politischen Blokade, oft seitens Republika Srpska, macnhmal auch der Föderation.

Wie sieht die Energiegemeinschaft die Situation in der Ukraine?

Die Ukraine ist das größte Mitgliedsland der Energiegemeinschaft und von großer Bedeutung für die Versorgung mit Erdgas. Fast alle Mitgliedsländer der Energiegemeinschaft und sogar 17 EU-Mitlgiedsländer bekommen das meiste Erdgas aus Russland über die Ukraine und weniger aus der Ukraine. Es ist für uns alle sehr wichtig, wie die Ukraine europäische Regelungen auf dem eigenen Gebiet respektiert. Ukraine hat, was die Reformen angeht, seit 2015 große Schritte gemacht, aber die wichtigste wurde noch nicht eingeführt – die Teilung von Naftogaz in einen Gasversorger und einen unabhängigen Gasübertragungsnetzbetreiber. Innerhalb des Landes gibt es zu viel Interesse an der Erhaltung dieser untransparenten Situation, sodass die Politik immer nocht nicht genug Kraft hat, diese Lage zu verändern.

(Svetlana Nenadovic Glusac)

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