Am 24. Januar 2019 stellte die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Forum Finanz“ im Bundesministerium für Finanzen dendiesjährigen Transition Report 2018-2019 mit dem Titel „Work in Transition“ vor.
Die Redner auf dem Forum waren: Dr. Nathaniel Young, Principal Economist der EBRD und Cо-Autor des Transition Reports, Sektionschef Mag. HaraldWaiglein, Dr. Doris Ritzberger-Grünwald (OeNB) und Dr. Michael Landesmann (wiiw), als auch Moderator Dr. Kurt Bayer vom Wiener Institut fürInternationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw).
Die Forschungsergebnisse, die im Transition Report dargestellt werden, zeigen, dass es mit dem Fortschrittund der Entwicklung der Staaten zur Bevölkerungsabnahme und gleichzeitig zum Wachstum der geschätzten Lebenserwartung kommt, was letztlich zu demografischen Unterschieden führt. Ein Wachstum lässt sich auch in der durchschnittlichen Anzahl der Jahre bemerken, die die Bürger im Bildungsprozess verbringen, wasaber eine Bevölkerungsabnahme zufolge hat. Das immer höher werdende Durchschnittsalter der Bürger und die Bevölkerungsentwicklung, die unter dem Niveau der einfachen Reproduktion ist, führt schließlich dazu, dass sich diedemografische Geburtenrate sehr schnell in einer potenziell schwierigen Lagebefinden kann. Die Bevölkerung in den südlichen und östlichen Regionen des Mittelmeers (SEMED), Zentralasien, Aserbaidschan und der Türkei ist erheblichjünger im Vergleich zur schnell wachsenden Bevölkerung der Staaten deseuropäischen Kontinents. Europäische Staaten, die eine rasant wachsende Ökonomie vorzeigen können, weisen immer noch eine eher niedrige Beteiligung derälteren Bevölkerung auf dem Arbeitsmarkt auf. So war beispielsweise die Beteiligungder älteren Bevölkerung zwischen 50 und 64 in den G7 Staaten auf dem Arbeitsmarkt im Jahr 1997 68% und im Jahr 2017 74%. Im Unterschied zu diesenStaaten weisen jene, die zur EBRD-Gruppe gehören, im gleichen Zeitraum einenWachstum derselben Altersgruppe auf und das von 56% auf 60%.
Die Beteiligung der älteren Bevölkerung auf dem Arbeitsmarkt fällt in den EBRD-Staaten rasant im Vergleichzu den G7-Staaten. In diesem Sinne legen die EBRD-Staaten einen großen Wert aufdie Verbesserung des Gesundheitsschutzes, was ein längeres Engagement derälteren Bevölkerung auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen sollte. Diese Erscheinungbezieht sich in erster Linie auf den männlichen Teil der Bevölkerung über 50. Untersuchungen haben gezeigt, dass Roboter in den Ökonomien mehr verwendetwerden, in denen die Arbeitskraft älter ist. Mit der Senkung verfügbarer Arbeitskräfte in schnell wachsenden europäischen Staaten und mit der Erhöhungder Arbeitskosten wird eine größere finanzielle Förderung für die Automatisierung und Robotisierung erwartet als in den anderen Staaten deseuropäischen Kontinents.
Interessant zu erwähnen ist auch die Tatsache, dass mit dem Älterwerden der Bevölkerung auch bestimmte Fertigkeiten schwinden, die eine bestimmte Altersgruppe ausgemacht hat, wobei dies sowohl für die EBRD-Staaten als auch fürandere entwickelte Ökonomien gilt.
Die Anzahl der fachkundigen Arbeiter ist bei der älteren Bevölkerung geringer, wobei die Einnahmen derfachlich ausgebildeten Bevölkerung größer werden, nach dem sie in eine höhere Altersgruppe übergehen. Obwohl es doch sehr schwer ist, in einem bestimmten Alter bestimmte Kompetenzen neu zu entwickeln, zeigen Untersuchungen, dass sichdiese Mühe finanziell auszahlt und dass der Arbeitsmarkt diese Bemühungenangemessen kompensiert. Dies bezieht sich auch auf andere Kompetenzen, die sichim Laufe des Lebens generieren (kommunikative Kompetenzen, Führungsqualitäten, soziale Kompetenzen).
Die Staaten des südlichen undöstlichen Mittelmeers, Zentralasiens, der Türkei und des Aserbaidschansbefinden sich in der frühen Phase ihrer demografischen Transformation und inderen Fall ist eine Erhöhung des physischen Kapitals notwendig, aber auch die Verbesserung des Humankapitals, damit bessere Arbeitsplätze für junge Menschenentstehen und damit sich gleichzeitig die Anzahl der weiblichen Arbeitskräfteauf dem Arbeitsmarkt erhöht. In schnell wachsenden europäischen Ökonomien steigt das Bevölkerungsalter, im Vergleich zu ähnlichen Märkten weltweit, doch sehr rasant. Die vorhandene Emigration schwächt denexistierenden demografischen Druck etwas ab, aber eine höhere Beteiligung derüber 50-Jährigen ist dennoch notwendig. Die Tendenz ist zwar steigend, abernoch nicht genug. Den entwickelten Ökonomien gelang es mithilfe derImmigration, der Automatisierung und eines längeren Arbeitsengagements der Bevölkerung bislang den wirtschaftlichen Einfluss zu sanieren, der durch das Älterwerden der Bevölkerung entstanden ist. Rentenreformen und mögliche Änderungen des Steuersystems sollten älteren Altersgruppen dabei behilflichsein, eine Arbeit zu finden. Verbesserungen des Gesundheitssystems, sowie ein lebenslanger Bildungsprozess sind ebenfalls erforderlich, damit die ältere Bevölkerung ihreArbeitsplätze behält und ihre Kompetenzen weiterentwickelt.
Die Art der Arbeit und des Arbeitsengagements der Bevölkerung weist ebenfalls schnelle und bedeutende Veränderungen auf, die in erster Linie durch die Einführung der Automatisierung und Robotisierung bedingt sind. Viele Ökonomienin der Region, in denen Untersuchungen durchgeführt wurden, zeigen ein hohes Maß an Deindustrialisierung und eine wachsende Polarisierung des Arbeitsmarktes. Besonders ausgeprägt ist der Trend, dass es immer weniger Arbeitsplätzefür Menschen mit Sekundarstufe oder mit einem handwerklichen Beruf gibt. Mittechnologischen Veränderungen, die ein größeres Bedürfnis nach speziellausgebildeten Arbeitskräften nach sich ziehen, wird die Entwicklung vielerStaaten gerade wegen Mangel an speziell ausgebildeten Arbeitskräftenverlangsamt, was sich in erster Linie auf ICT-Kompetenzen bezieht. DieserMangel ist besonders beim älteren Teil der Bevölkerung ausgeprägt.
Die Migration der arbeitsfähigen Bevölkerung könnte gemindert werden, wenn sich die allgemeinen Lebensbedingungen, das Bildungswesen, der Gesundheitsschutz, die Wohnungssituation und die Infrastruktur bezüglich der Straßen in den am meisten von der Migration betroffenen Gebieten verbessern würde. Seit dem Beginn des Transitionsprozesses bewegen sich die Menschen in den meisten Fällen Richtung Großstädte. Trotz alledem lebt die Mehrheit der Bevölkerung weiterhin in Zonen, die von der Abwanderung dieser Menschen gezeichnet sind. Die Entwicklung der Städte und die dicht bevölkerten Regionen verbessern die wirtschaftlichen Aussichtender Bevölkerung, die diese Gebiete besiedelt, wobei die am dichtestenbevölkerten Regionen, Untersuchungen zufolge, die besten Aussichten für dieVerwirklichung des größten erwirtschafteten Einkommens in den nächsten 40 Jahren haben. Andererseits wird sich die erhöhte Bevölkerungsdichte in den Regionen auf die Lebensqualität im ökologischen Sinne auswirken, sodass die rechtzeitige Entwicklung einer Strategie erforderlich ist, die sich mit allennegativen Konsequenzen auseinandersetzen wird, wie z. B. Verkehrsstau und Umweltverschmutzung. Führungsstrategien und Interventionen müssen sichzukünftig im Ziele einer Produktivitätsverbesserung und der Möglichkeiten in Bezug auf den Standortwechsel auf die Regionen fokussieren, die eine Bevölkerungsabnahme und eine Senkung der Bevölkerungsdichte aufweisen.
(S.N.G.)