Die Sterne des Guide Michelin sind unter Spitzenköchen heiß begehrt. Dass damit extremer Druck verbunden ist, machte der französische Drei-Sterne-Koch Sebastien Bras deutlich, als er bat, in der Michelin-Ausgabe 2018 nicht mehr mit Sternen ausgezeichnet zu werden – ein Paukenschlag in der Gourmetszene. Umso erstaunter zeigte er sich nun, als ihm im Guide Michelin 2019 wieder zwei Sterne verliehen wurden.
Die „widersprüchliche Entscheidung“ des Guide Michelin mache ihn „skeptisch“. Die Sterne und die „Strategien“ des Gastronomieführers würden ihn aber ohnehin nicht mehr interessieren, so der Chefkoch des Gourmetrestaurants Le Suquet in der südfranzösischen Auvergne. 20 Jahre war Bras’ Restaurant mit Sternen ausgezeichnet worden.
Deren Rückgabe argumentierte er vor mehr als einem Jahr mit zu viel Druck. „Man wird zwei- bis dreimal pro Jahr kontrolliert. Man weiß nie wann. Jeder Teller kann kontrolliert werden. Das heißt, dass jeden Tag einer der 500 Teller bewertet werden kann, der die Küche verlässt.“
300.000 Euro für Blumen, Deko und Geschirr
Bras war nicht der erste, der sich bewusst von Sternen trennte. Bereits 2005 hatte der vor eineinhalb Jahren verstorbene französische Starkoch Alain Senderens ebenfalls seine drei Sterne zurückgegeben. „Die drei Sterne hatten ein ungeheures Gewicht, waren bedrückend. Jetzt muss nicht mehr alles 100-prozentig sein, und wir müssen auch nicht mehr allein 300.000 Euro jährlich nur für Blumen, Dekoration und das Geschirr ausgeben, nur um den Michelin-Kriterien gerecht zu werden“, resümierte er vor einigen Jahren seinen Schritt.
Inzwischen ist auch die Spitzengastronomie etwas legerer geworden. Doch der Aufwand bleibt weiterhin enorm. Entsprechend sind andere Spitzenköche inzwischen den Spuren von Senderens und Bras gefolgt. Zwar geben sie nicht öffentlichkeitswirksam ihre Sterne zurück, aber sie schließen ihre Sterne-Restaurants und wenden sich neuen Projekten zu.
Vielfach lautet das Argument, sich der nachhaltigen, regionalen und einfachen Küche zuwenden zu wollen. Der spanische Drei-Sterne-Koch Dani Garcia kündigte kürzlich die Schließung seines Restaurants in Marbella für heuer an und will stattdessen in diesem Lokal Burger braten.
„Jedes kleinste Detail muss sitzen“
Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der aus TV-Kochsendungen bekannte Küchenchef Johann Lafer sein Ein-Stern-Restaurant Val d’Or auf der Stromburg im deutschen Hunsrück geschlossen hat. Auch er sprach von Zwängen in Bezug auf die Sterne, von denen er sich nun befreien wolle: „Um in der Sterne-Küche mitzuspielen, muss jede Deko bis ins kleinste Detail sitzen, extrem hochwertige Zutaten sind unabdingbar“, sagte er in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“.
Er wolle sich nun auf nachhaltige Produkte, gute Verarbeitung und ein unprätentiöses Service fokussieren: „Es geht um die Kunst der einfachen Küche.“ Sterne-Küche sei ein riesiger Aufwand, und es werde immer schwieriger, die dafür notwendigen Zutaten vernünftig und nachhaltig zu erhalten: „Wenn ich allein an Meeresfische denke: Wie sollen die denn herkommen, in der Qualität, in der Spitzenrestaurants sie benötigen?“
„Viele träumen von diesem Heiligen Gral“
Als Ex-Sterne-Koch gebe er nun nicht mehr notwendigerweise Kaviar, Langusten und Hummer auf die Karte, sagte Bras in einem Interview mit dem Onlinemagazin Fine Dining Lovers, das kurz vor Bekanntgabe der erneuten Sterne-Vergabe für sein Restaurant publiziert wurde. Er bedaure seinen Schritt in keiner Weise. Der Druck habe nachgelassen. Nun urteile nur noch der Gast.
Gourmetauszeichnungen
Drei Sterne sind die höchste Auszeichnung beim Guide Michelin. Bewertet werden gleichbleibende Qualität der Zutaten, fachgerechte Zubereitung, Innovation und Einzigartigkeit der Gerichte. In Österreich gibt es kein Drei-Sterne-Restaurant. Es zählen hier aber auch stark die Hauben des Michelin-Konkurrenten Gaul Millau.
Er sei aber dankbar, was die Auszeichnung durch den Michelin Guide seinem Restaurant gebracht habe. Auch im Jahr ohne Sterne im Guide Michelin sei aber sein Lokal voll gebucht gewesen. Dass seine Entscheidung viele überraschte, sei verständlich: „Tausende Köche träumen von diesem Heiligen Gral.“
Männer dominieren Auszeichnungen
„Bras ist einer der wenigen, der sich das leisten kann“, meinte ein Brancheninsider kurz nach der Entscheidung des Suquet-Chefkochs, seine Sterne zurückzugeben. Trotz so mancher Kritik an den Bewertungsmethoden gelten die Michelin-Sterne nach wie vor als die weltweit bekannteste und wichtigste Auszeichnung in der Spitzengastronomie. Eine Auszeichnung entscheidet mit über Bekanntheit und wirtschaftlichen Erfolg des jeweiligen Restaurants.Datenschutz-Einstellungen öffnen:Soziale Netzwerke vollständig anzeigen
Le #GuideMichelin a décerné ses étoiles 2019. Comme d’habitude, comme chaque année, les grands étoilés sont des chefs hommes. Qui peut m’expliquer pourquoi a la maison, la cuisine est souvent dévolue aux femmes??😉😉— Dr Djamila Ferdjani (@DrDjamilaF) 21. Januar 2019
Für die Frankreich-Ausgabe des Guide Michelin 2019 wurde mit Stephanie Le Quellec vom La Scene in Paris eine weitere Spitzenköchin mit Sternen ausgezeichnet. Bisher spielte für den Guide Michelin nur Anne-Sophie Pic aus Valence in der Sterne-Liga mit. Dieses Missverhältnis der Geschlechter bei der Auswahl der Sterne-Träger sorgt immer wieder für Kritik.
Enttäuschung bei Herabgestuften
Während einige neue Küchenchefs die Aufmerksamkeit der Restaurantkritiker auf sich ziehen konnten, mussten traditionelle Sterne-Restaurants auf die höchste Auszeichnung mit drei Sternen verzichten.
Zwar konnte das Restaurant des im vergangenen Jahr verstorbenen Koch Paul Bocuse seine Topnote weiter behalten. Doch das elsässische Restaurant Auberge de l’Ill, das 51 Jahre mit drei Sternen ausgezeichnet worden war, das Astrance in Paris und das Maison des Bois von „Bauernkoch“ Marc Veyrat müssen heuer mit einem Stern weniger auskommen. Veyrat zeigte sich enttäuscht. Die Entscheidung sei „unfair“, aber er werde weiter kämpfen.
(sile, ORF.at/Agenturen)