Krystyna Schreiber, Delegierte der Regierung von Katalonien für Mitteleuropa – INTERVIEW

Krystyna Schreiber, Delegierte der Regierung von Katalonien in Mitteleuropa / Foto: DC Austria

Es geht darum, eine politische Lösung für einen politischen Konflikt zu finden

Für das Magazin DC Austria sprachen wir mit der katalanischen Delegierten, Frau Krystyna Schreiber, über die Vertretung der Regierung von Katalonien in Mitteleuropa, über deren Sitz in Wien; darüber, für was sich die Repräsentanz einsetzt und was eine in Deutschland geborene Frau dazu bewogen hat, sich für Katalonien zu engagieren, sowie über die Ziele, die die katalanische Regierung hat und über die Bemühungen Katalanisch als offizielle EU-Sprache anerkennen zu lassen.

Frau Schreiber, nach dem Studium der Volkswirtschaft an der Universität Köln, haben Sie an der Universität Pompeu Fabra in Barcelona, Übersetzung für die Sprachen Deutsch, Katalanisch und Spanisch studiert. Trotz dieser Verbindung, muss ich Sie fragen, was hat dazu beigetragen, dass eine in Deutschland geborene und in Dresden aufgewachsene Person, eine katalanische Vertreterin wurde?

Es gibt ein sehr vitales, aktives, proeuropäisches und vor allem humanes Katalonien. Es ist eine Region mit mehr als 7,5 Millionen Einwohnern und. Einwohnerinnen und sie hat Europa sehr viel zu bieten, möchte sich sehr proaktiv einbringen. Die europäische Zusammenarbeit auf regionaler Ebene in so einem Rahmen unterstützen zu dürfen, ist für mich ein Privileg. Und aus persönlicher Sicht, hat uns Europa damals nach der Wende sehr unterstützt. Die Bedeutung von Demokratie hatte einen sehr direkten Einfluss auf mein Leben und das meiner Familie. Heute Menschen über Grenzen hinaus verbinden zu dürfen, dazu beizutragen, dass man den Anderen besser kennen-und auch verstehen lernt, ist vielleicht ein Beitrag, wenn auch noch so winzig, den ich mit meiner Arbeit für unser gemeinsames Europa leisten kann.

Delegierte Schreiber begrüßt die Gäste beim katalanischen Nationalfeiertag, La Diada, in Ljubljana.

Die katalanische Regionalregierung ernannte Sie im Jahr 2019 zu ihrer Delegierten für Österreich, Ungarn, Tschechien und die Slowakei mit Dienstsitz in Wien, können Sie erklären, wofür die Vertretung der katalanischen Regierung steht und was Ihre Aufgabe konkret ist?

An erster Stelle steht, dass wir nützlich sein möchten; sowohl für unsere Bürger und Bürgerinnen als auch für unsere Partner und Partnerinnen in Mitteleuropa. Wir vertreten katalanische Interessen und unterstützen den Austausch in beide Richtungen auf unterschiedlichen Ebenen, sowohl institutionell als auch zivilgesellschaftlich, und in unterschiedlichen Sektoren. Direkte Kommunikation ist uns wichtig, sie ist oft am effektivsten, letztlich sind es Menschen, die wir zusammenbringen, und ihre Visionen, die wir unterstützen dürfen. Dabei setzen wir besonders auf Projekte und Kooperationen, die nachhaltig und langfristig gedacht sind und proeuropäische Werte teilen. Wir arbeiten dafür, für unsere Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen eine Tür nach Katalonien und Barcelona zu sein, und auch eine Antenne für neuste Entwicklungen und Chancen in unseren Delegationsländern. Und inzwischen sind wir ein zwar kleiner, aber agiler und kreativer Vernetzungshub in Mitteleuropa. Seit 2022 ist unser Mandat auch auf Polen und Slowenien erweitert worden.

Der erste Präsident von Slowenien Milan Kučan, die Delegierte Krystyna Schreiber und der spanische Botschafter Juan de Aristegui Laborde während der Diada in Slowenien.

Gegenüber den Medien haben Sie vor ca. zwei Jahren betont, dass die katalanische Führung “kompromissbereit” sei und auch eine föderale Option den Konflikt zwischen Barcelona und Madrid lösen könnte, was haben Sie damit gemeint?

Die Mehrheit der parlamentarischen Kräfte in Katalonien hat immer aufgezeigt, dass die Zukunft der Katalanen von den Katalanen entschieden werden sollte, und zwar immer nach den strengsten demokratischen Regeln. Wenn Sie in die jüngste Geschichte Kataloniens zurückschauen, werden Sie feststellen, dass die katalanische Gesellschaft die Demokratisierung, Europäisierung und Föderalisierung Spaniens mit einer sehr positiven Einstellung jahrzehntelang unterstützt hat. Heute geht es darum, eine politische Lösung für einen politischen Konflikt zu finden. Der katalanischen Regierung ist es wichtig, dass dies über den Dialog und Verhandlungen geschieht.

Eine Wirtschaftsdelegation aus Oberösterreich unter dem oberösterreichischen Landesrat Markus Achleitner besucht das SEAT-Werk in Katalonien

Während die restlichen nicht EU-Länder beharrlich versuchen, Teil der Europäischen Union zu werden, denkt Katalonien noch immer über Perspektiven der katalanischen Unabhängigkeit nach (und wenn in welcher Form)?

Katalonien hat eine sehr lange demokratische Tradition. Tatsächlich rühmen sich die Menschen in Katalonien damit, eines der ersten Parlamente der Geschichte zu haben. Darüber hinaus war Katalonien schon immer stolz darauf, eine iberische Region mit einer sehr proeuropäischen Ausrichtung zu sein. Alle katalanischen Denker behaupten seit mindestens dem 19. Jahrhundert, europäisch zu sein. Was passiert ist, dass Katalonien mit seiner eigenen Persönlichkeit und Stimme in der EU wahrgenommen werden möchte – wie andere Regionen in Europa auch, diesbezüglich war und ist übrigens das Europa der Regionen eine sehr konstruktive Idee. Und es geht auch um die Würde und Anerkennung der Bürger und Bürgerinnen: zwischen 75 und 80 Prozent der Menschen in Katalonien möchten als politisches Subjekt wahrgenommen werden und über ihre politische Zukunft in einem friedlichen Kontext abstimmen. In welcher Form genau, das möchte die katalanische Regierung mit der Zentralregierung in Madrid vereinbaren. Es sollte auf jeden Fall ein demokratisches und transparentes Verfahren sein, und das Ergebnis sollte von allen Seiten respektiert werden.

Oberösterreichische Landesrat Markus Achleitner, katalanischer Minister für Wirtschaft und Arbeit Roger Torrent, Delegierte Krystyna Schreiber, Werner Pamminger, BizUp, Ricard Bandera, Advantage Austria,bei der Unterzeichnung eines MoU zwischen Oberösterreich und Katalonien (v.l.n.r.)

Gerade läuft die Kampagne der katalanischen Regierung um Katalanisch als offizielle EU-Sprache anzuerkennen, was wird es das konkret für die Katalanen bedeuten?

Wir halten den Vorschlag des spanischen Außenministers, Baskisch, Galizisch und Katalanisch als Amtssprachen anzuerkennen, für ein gutes Signal und sind uns in dieser Sache einig. Für die Menschen aus Katalonien ist das ein mehr als wichtiges Thema. In Katalonien gefiel das Wort “Nationalismus” nie, zumindest nicht so, wie es in Europa interpretiert wird. Die katalanische Identität basiert auf Sprache und Kultur, einer Sprache, die übrigens schon immer grenzüberschreitend war und in drei EU-Ländern sowie in Andorra, wo sie die alleinige Amtssprache ist, gesprochen wird. Sie hat insgesamt mehr als 12 Millionen Sprecher und steht damit an 9. Stelle der am häufigsten gesprochenen Sprachen der EU. Und es ist eine Sprache mit einer reichhaltigen Literatur, unterstützt von den Institutionen. Seit den 1980er-Jahren setzen sich die katalanischen Institutionen und zivilgesellschaftliche Vereine für die Anerkennung des Katalanischen in den EU-Institutionen ein, was auch kein komplizierter Prozess sein sollte; wir haben die Werkzeuge, die Community. Der Übersetzungsaufwand in der EU beträgt maximal 1 % des Budgets, bereits 30 Prozent offizieller Übersetzer in der EU können Katalanisch übersetzen. Für die Bürger und Bürgerinnen Kataloniens wäre es die offizielle Anerkennung ihrer proeuropäischen Einstellung und eine weitere Motivation für die bereits aktive europäische Zusammenarbeit. Wenn Europa schon immer in der katalanischen Welt präsent war, warum sollte Katalonien dann nicht auch mehr in der europäischen Welt präsent sein?

Interview mit “Business Insider” Polen zu Kataloniens Smart City Strategie
Delegierte Krystyna Schreiber während des Local Trend Congresses in Posen, Polen.
Delegierte Krystyna Schreiber mit dem katalanischen Präsidenten Pere Aragonès nach einer Arbeitssitzung in Barcelona

 

Text: Svetlana Nenadovic Glusac