Das Motto des polnischen Vorsitzes in der Visegrad-Gruppe heißt „Back on track“
Anlässlich des 30. Jahrestages der Gründung der Visegrad-Gruppe sprachen wir mit den Botschaftern der V4-Mitgliedsländer Polen, Ungarn, der Slowakei und der Tschechischen Republik.
Zu diesem großen Jubiläum sprachen wir exklusiv für das Magazin Diplomacy and Commerce Austria mit I.E. Jolanta Roza Kozlowska, Botschafterin der Republik Polen in der Republik Österreich, über die Arbeit und Ziele der V4-Gruppe, über die Themen Klimawandel und Migrationspolitik sowie die Bekämpfung der Coronarvirus-Pandemie und Immunisierung der Bevölkerung in Polen.
Seit ihrer Gründung hat die Visegrad-Gruppe alle ihre damals gesetzten Ziele erreicht. Welche Ziele hat V4 für die Zukunft und welche beziehen sich auf Ihr Land?
Polen, die Tschechoslowakei und Ungarn haben im Jahr 1991 die Visegrad-Gruppe gegründet, um gemeinsam den EU- und NATO-Beitritt anzustreben. Schon seit mehreren Jahren sind Polen und alle Visegrad-Staaten Mitglieder der beiden Organisationen. Unsere enge Zusammenarbeit hat jedoch nichts von ihrer Bedeutung verloren. Heutzutage sollten wir gemeinsam nicht nur die Zukunft Europas, sondern auch die transatlantische Partnerschaft aufbauen.
Das Motto des polnischen Vorsitzes in der Visegrad-Gruppe heißt „Back on track“. Die Rückkehr zur Normalität und der wirtschaftliche Wiederaufbau der EU sind uns besonders wichtig. Wir befürworten eine echte Kohäsion Europas und den Ausbau des Binnenmarkts. Die Visegrad-Kooperation umfasst aber auch andere Bereiche und hat viele verschiede Dimensionen, wie die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kultur, der Bildung und Forschung sowie im Militärsektor.
Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die regionale Zusammenarbeit zwischen V4-Ländern in Bezug auf die Zusammenarbeit innerhalb der EU?
Wir vier sind souveräne, selbstbewusste, zukunftsorientierte Staaten, die im Herzen Europas liegen. Regelmäßig koordinieren wir auf der europäischen Ebene unsere Standpunkte und Positionen. Die V4-Länder spielen beispielsweise eine enorme Rolle in der Stabilisierung der EU-Wirtschaft während der Corona-Pandemie. Wir sind bereit, weiter unseren Beitrag zugunsten ganz Europas zu leisten. Auf der anderen Seite erwarten wir aber, dass unsere Interessen ebenfalls respektiert werden. Mit absoluter Sicherheit verstärkt eine enge Kooperation zwischen unseren Staaten die Entwicklung der EU. Die Zukunft Europas liegt auch in unseren Händen.
Die Premierminister der V4-Staaten haben sich kürzlich in der polnischen Stadt Krakau getroffen, um das 30. Jubiläum zu feiern. Anschließend wurden die Themen Klimawandel, Migrationspolitik in der EU und Integration von sechs osteuropäischen Ländern und dem Südkaukasus angesprochen (Armenien, Aserbaidschan, Weißrussland, Georgien, Moldawien und die Ukraine). Welche Position hat Ihr Land zu diesen Themen eingenommen?
Die polnische Klimapolitik ist selbstverständlich mit dem Klimaziel der EU eng verbunden. Wir planen den Kohleausstieg bis 2049. Diese Aufgabe ist für uns eine große Herausforderung – auch in finanzieller Hinsicht, weil derzeit der Anteil der Kohle im polnischen Strommix circa 70 Prozent beträgt. Polen versucht auch, Windenergie auf dem Meer zu gewinnen. Wir arbeiten gerade an einem großen Offshore-Projekt in der Ostsee. Unsere Wirtschaft benötigt aber auch stabile Energiequellen wie die Atomkraft. Der erste Reaktorblock wird in unserem Land bis 2033 errichtet, fünf weitere werden folgen.
In der Frage Migrationspolitik vertreten Polen und Österreich eine ähnliche Position. Unserer Meinung nach soll der Schutz der EU-Außengrenzen und die Kooperation mit den Transit- und Herkunftsländern verstärkt werden.
Lassen Sie mich betonen, dass die Östliche Partnerschaft von Polen und Schweden initiiert wurde. Die Stabilität und der Wohlstand der Staaten Osteuropas und des Südkaukasus liegen uns besonders am Herzen. Wir unterstützen sie und werden auch in Zukunft ihre Bemühungen auf dem Weg zur euro-atlantischen Integration befürworten. Es steht doch in den EU-Verträgen, dass sich jedes europäische Land um die Mitgliedschaft in der EU bewerben kann.
Auf dem gleichen Treffen der Premierminister der V4-Staaten wurde das aktuelle Problem der Bekämpfung der Coronarvirus-Pandemie angesprochen. Wie ist die momentane Situation der Pandemie in Ihrem Land, und wie läuft die Immunisierung der Bevölkerung?
Wie ganz Europa kämpft auch Polen gegen die dritte Pandemiewelle. Ich bin sehr zufrieden, dass die polnische Impfkampagne nach Plan verläuft. Bis Ende August sollten in Polen alle Erwachsenen, die dazu bereit sind, geimpft werden. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sieht auch unsere wirtschaftliche Lage und die Situation am Arbeitsmarkt gut aus. Polen und die V4-Staaten werden ein wichtiger Motor für das Wirtschaftswachstum im postpandemischen Europa sein.
Vor kurzem hat Bundeskanzler Sebastian Kurz seine Position zum Ausdruck gebracht, dass es innerhalb der EU keine gleichmäßige Verteilung von Impfstoffen gibt. Wie ist die Haltung Ihres Landes in Bezug auf die Verteilung von Impfstoffen innerhalb der EU, und welche Impfstoffe werden zur Impfung der Bevölkerung in Ihrem Land verwendet?
Trotz einiger Probleme und Schwierigkeiten glaubt Polen an eine gemeinsame europäische Lösung im Bezug auf die Herstellung und die Verteilung von Impfstoffen. Nur wenn die EU-Länder gemeinsam handeln, können wir sinnvolle Ergebnisse erzielen. Solidarität und Kompromissbereitschaft sind unerlässlich für den Erfolg im Kampf gegen die Corona-Pandemie.
In Polen werden ausschließlich die von der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA zugelassenen Impfstoffe verwendet. Der Ankauf anderer Impfstoffe ist nicht geplant.
English:
H.E. Jolanta Roza Kozlowska, Ambassador of the Republic of Poland to the Republic of Austria – INTERVIEW
The motto of the Polish Presidency in the Visegrad Group is “Back on track”
On the occasion of the 30th anniversary of the founding of the Visegrad Group, we spoke to the ambassadors of the V4 member countries Poland, Hungary, Slovakia and the Czech Republic.
On this big anniversary, we spoke exclusively for the Diplomacy and Commerce Austria magazine with H.E. Jolanta Roza Kozlowska, Ambassador of the Republic of Poland to the Republic of Austria, about the work and goals of the V4 Group, about the topics of climate change and migration policy as well as the fight against the coronary virus -Pandemic and immunization of the population in Poland.
Since its inception, the Visegrad Group has achieved all of the goals it set at the time. What goals does V4 have for the future and which ones relate to your country?
Poland, Czechoslovakia and Hungary founded the Visegrad Group in 1991 in order to jointly strive to join the EU and NATO. Poland and all Visegrad countries have been members of the two organizations for several years. However, our close cooperation has not lost any of its importance. Today we should build together not only the future of Europe but also the transatlantic partnership.
The motto of the Polish Presidency in the Visegrad Group is “Back on track”. The return to normalcy and the economic reconstruction of the EU are particularly important to us. We advocate real European cohesion and the development of the internal market. The Visegrad cooperation also includes other areas and has many different dimensions such as cooperation in the field of culture, education and research as well as in the military sector.
In your opinion, how important is regional cooperation between V4 countries in relation to cooperation within the EU?
All four of us are sovereign, self-confident, future-oriented states that lie in the heart of Europe. We regularly coordinate our points of view and positions at the European level. The V4 countries, for example, play an enormous role in stabilizing the EU economy during the corona pandemic. We are ready to continue doing our part for the benefit of all of Europe. On the other hand, we expect that our interests are also respected. With absolute certainty, close cooperation between our countries will strengthen the development of the EU. The future of Europe is also in our hands.
The Prime Ministers of the V4 countries recently met in the Polish city of Krakow to celebrate the 30th anniversary. Then the topics of climate change, migration policy in the EU and integration of six Eastern European countries and the South Caucasus (Armenia, Azerbaijan, Belarus, Georgia, Moldova and Ukraine) were addressed. What positions has your country taken on these issues?
Polish climate policy is of course closely linked to the EU’s climate target. We are planning to phase out coal by 2049. This task is a great challenge for us, also from a financial point of view, because coal currently makes up around 70 percent of the Polish electricity mix. Poland is also trying to get wind energy from the sea. We are currently working on a large offshore project in the Baltic Sea. But our economy also needs stable sources of energy such as nuclear power. The first reactor block will be built in our country by 2033, five more will follow.
On the question of migration policy, Poland and Austria take a similar position. In our opinion, the protection of the EU’s external borders and cooperation with the transit countries and countries of origin should be strengthened.
Let me emphasize that the Eastern Partnership was initiated by Poland and Sweden. The stability and prosperity of the states of Eastern Europe and the South Caucasus are particularly important to us. We support them and will continue to support their efforts on the way to Euro-Atlantic integration. It is stated in the EU treaties that any European country can apply for membership in the UE.
At the same meeting of the Prime Ministers of the V4 countries, the current problem of combating the coronary virus pandemic was raised. What is the current situation of the pandemic in your country and how is the population being immunized?
Like all of Europe, Poland is also fighting the third wave of pandemics. I am very pleased that the Polish vaccination campaign is going according to plan. By the end of August, all adults in Poland who are ready should be vaccinated. Compared to other European countries, our economic situation and the situation in the labor market also look good. Poland and the V4 states will be an important engine for economic growth in post-pandemic Europe.
Chancellor Sebastian Kurz recently expressed his position that there is no uniform distribution of vaccines within the EU. What is your country’s attitude towards the distribution of vaccines within the EU and what vaccines are used to vaccinate the population in your country?
Despite some problems and difficulties, Poland believes in a common European solution regarding the manufacture and distribution of vaccines. Only if the EU countries act together can we achieve meaningful results. Solidarity and willingness to compromise are essential for success in the fight against the corona pandemic. Only vaccines approved by the European Medicines Agency (EMA) are used in Poland. The purchase of other vaccines is not planned.
Text: Svetlana Nenadovic Glusac