Der Botschafter der Russischen Föderation in Österreich S. E. Herr Dmitrij Ljubinskij ist Absolvent des Staatlichen Moskauer Instituts für Internationale Beziehungen (MGIMO) und der Fakultät für internationale wirtschaftliche Beziehungen.
Obwohl er ein junger Diplomat war (er wurde am 1. Dezember 1967 geboren), baute sich Herr Ljubinskij seine Karriere auf, indem er im russischen Außenministerium arbeitete. Seine erste Position im Ausland bekam er mit 29 Jahren als Botschaftsrat bei der Botschaft der Russischen Föderation in der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, bzw. Berlin (von 1996 bis 2000).
In Wien war er zuerst als Gesandter der Botschaft der Russischen Föderation in der Republik Österreich (von 2000 bis 2008) tätig.
Sein Aufstieg auf der Karriereleiter setzte sich in Moskau fort, wo Herr Ljubinskij Stellvertretender Departementsdirektor im Außenministerium der Russischen Föderation (von 2008 bis 2010) war. Danach war er Direktor des 3. Europäischen Departments des Außenministeriums der Russischen Föderation (von 2010 bis 2015).
Im August 2015 führte ihn sein Lebensweg wieder in die österreichische Hauptstadt, diesmal als Botschafter der Russischen Föderation in der Republik Österreich.
Im Gespräch mit dem Botschafter S. E. Dmitrij Ljubinskij für Diplomacy and Commerce sprechen wir über die russisch-österreiche Beziehung, über die EU-Sanktionen gegen Russland, den „Sotschi-Dialog“ und die Hauptpotentiale der Zusammenarbeit zwischen der Russischen Föderation und der Republik Österreich.
Österreich und Russland pflegen seit Jahrhunderten sehr gute Beziehungen. Wo liegt, Ihrer Meinung nach, die Urquelle dafür?
Die Grundlagen der festen freundschaftlichen russisch-österreichischen Beziehungen sind vor allem in der gemeinsamen Geschichte, die auch schwierige Zeiten kannte, zu suchen und zu finden. In der modernen Welt sind sie durch gegenseitigen Respekt und die Berücksichtigung der Interessen des Gegenübers gekennzeichnet. Russland und Österreich führen einen offenen Dialog auf Augenhöhe. Das geographisch nicht so große Österreich ist für unser Land ein bedeutender Partner in Europa.
Die russische Botschaft in Wien und Sie haben eine Online-Dokumentarausstellung zum Thema „Krim in der Geschichte der russisch-österreichischen Beziehungen“ gepostet.
Ja, das stimmt. Das ist ein sehr interessantes Online-Projekt, das wir gemeinsam mit unseren KollegInnen aus der Abteilung für Geschichte und Dokumentation des russischen Außenministeriums verwirklicht haben. Es handelt sich um eine Sammlung von geschichtlichen Zeugnissen aus dem Archiv der Außenpolitik des Russischen Imperiums, die den Zeitraum vom 19. Mai 1783 bis zum 30. Juni 1787 umfassen und Informationen zum Verhältnis Österreichs zur Vereinigung von der Krim mit Russland im XVIII. Jahrhundert und über die Reise des Kaisers Joseph II. in das Gebiet Taurien im Jahr 1787 beinhalten. Die Ausstellung ist auf der deutschsprachigen Version der Webseite unserer Botschaft leicht zu finden. Sicherlich interessant für alle Geschichtsliebhaber.
Anfang März war die Ministerin Karin Kneissl in Moskau zu Besuch, danach ist der Herr Außenminister Sergej Lawrow nach Wien gereist und hat sich mit dem Herrn Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen getroffen. Es scheint so, wären die Beziehungen zwischen Russland und Österreich nie besser gewesen.
Moskau und Wien unterhalten in der Tat einen sehr intensiven und konstruktiven politischen Dialog. Die Dynamik, die wir bereits heuer in unserem Austausch erreicht haben ist erfreulich, aber ich würde diese Entwicklung nicht als Novum betrachten. Alleine im letzten Jahr haben sich Präsident Putin und Bundeskanzler Kurz viermal in Moskau, Wien, Graz und Sankt Petersburg getroffen. Meiner Meinung nach sind „Konsequenz“ und „Nachhaltigkeit“ die Schlüsselprinzipien, die die russisch-österreichischen Beziehungen darstellen.
Trotz allem, die EU-Sanktionen gegen Russland sind noch immer ein grosses Thema. Ist die Aufhebung der Sanktionen bald in Sicht?
Ich glaube, dass das eine Frage ist, die an diejenigen gerichtet sein sollte, die die Entscheidung getroffen haben, diese Sanktionen einzuführen. Also an Entscheidungsträger in Brüssel und Washington.
Es war nie die Wahl Russlands, gegenseitig vorteilhafte wirtschaftliche Verbindungen mit den Ländern der EU abzubrechen. Die von unserem Land ergriffenen Gegenmassnahmen sind nur eine erzwungene Wehrreaktion. Niemand im Großraum Europa gewinnt in dieser Loose-Loose-Situation, die uns alle in eine Sackgasse führte. In einer immer härter werdenden globalen Konkurrenz hat sich die EU selbst politische Hürden beim Zugang zum russischen Markt aufgestellt.
Aber wir haben immer betont, dass unser Land an der Wiederherstellung einer vollwertigen Kooperation mit den EU-Ländern, mit der Union insgesamt oder auch auf bilateraler Ebene, interessiert ist. Russland ist zu positiven Gegenschritten bereit. Wir sind für vernünftige Vorschläge aus Brüssel und aus jeder EU-Hauptstadt vollkommen offen. Alle die anhand von Misskalkulationen gehofft haben, Russland durch Sanktionen zum Aufgeben gerechter nationaler Interessen zu zwingen, verstehen längst, dass sie einen prinzipiellen Fehler begangen haben.
Seit mehr als 50 Jahren wird Erdgas aus Ostsibirien durch eine 2722 km lange Pipeline nach Österreich gebracht, was ist mit der geplanten Pipeline „Nord Stream 2“?
Der Bau von „Nord Stream 2“ geht nach Plan voran. Ein Drittel der neuen Gasleitung wurde bereits am Boden der Ostsee verlegt. Meines Erachtens gehen die europäischen Energieunternehmen, die an diesem Projekt teilnehmen, darunter die österreichische OMV, fest davon aus, dass bereits Ende 2019 erstes Gas nach Deutschland fließen wird.
Die Versuche der USA das Projekt zu torpedieren sind natürlich nicht zu übersehen. Sanktionsdrohungen gegen EU-Firmen, offener und aggressiver politischer Druck auf einzelne europäische Regierungen – die Vorgehensweise Washingtons ist milde gesagt undiplomatisch. Es geht hier um unsaubere Konkurrenz. Anscheinend ist der Wunsch teures US-LNG auf den EU-Markt durchzupressen so stark, dass sogar Standardgepflogenheiten der internationalen Beziehungen als Zeitverschwendung gesehen werden.
Welche Erwartungen haben die beiden Länder vom „Sotschi-Dialog“?
Nun, ich kann nur für Russland sprechen. Das Gewebe der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Kontakte zwischen Russland und Österreich ist äußerst dicht. Wir hoffen, dass der „Sotschi-Dialog“ als eine russisch-österreichische zivilgesellschaftliche Plattform in einem aktiven Meinungs- und Erfahrungsaustausch seiner Teilnehmer richtungsweisende Ziele für die Weiterentwicklung dieser Partnerschaften setzen wird, um ihre Schaffenskraft maximal zu entfalten. Wir stehen noch ganz am Anfang, aber das Interesse von außerordentlichen Persönlichkeiten von beiden Seiten dazu einen Beitrag zu leisten, bekräftigt positive Erwartungen.
Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptpotenziale der Zusammenarbeit zwischen der Russischen Föderation und der Republik Österreich?
Wirtschaft, Kultur, Sport, humanitäre oder wissenschaftliche Kontakte – alles Mögliche! Es gibt keinen Bereich in unserer bilateralen Zusammenarbeit, in dem wir irgendwelche Entwicklungsgrenzen erreicht haben. Gerade heuer ist ein “Russisch-Österreichisches Jahr der Jugendaustausche” in vollem Gange und es zeigt bereits ganz deutlich neue in die Zukunft orientierte Möglichkeiten. Zum Beispiel im Bereich der Digitalisierung.
(Svetlana Nenadovic Glusac)