Offizier ist kein Beruf wie jeder andere, man muss Idealist sein
In der Rubrik „Interessante Persönlichkeiten“ des Magazins Diplomacy and Commerce Austria sprachen wir für unsere Sommer-Ausgabe mit dem hochangesehenen Herrn Ernst Bachner, Oberst i.R. und ehemaligen Leiter des Militärischen Protokolls des österreichischen Bundesheers und derzeitiger stellvertretender Generalsekretär des ÖSK (Österreichisches Schwarzes Kreuz).
Sehr geehrter Herr Oberst, Ihr Ausscheiden aus dem österreichischen Bundesheer ist nun etwa zwei Jahr her, wie verbringen Sie jetzt Ihren Alltag als Rentner?
Die Zeit vergeht so schnell, dass ich festgestellt habe, dass ich schon seit über zwei Jahren im Ruhestand bin. Ich ging mit der Verhängung des ersten Lockdowns infolge der Pandemie in den Ruhestand. Die Gestaltung der plötzlich üppig vorhandenen Freizeit war bedingt durch die eingeschränkten Möglichkeiten natürlich eine Herausforderung.
Ich hatte mir vorgenommen, kein Pensionist zu werden, der vor lauter Hobbys und zu erledigenden Dingen keine Zeit mehr hat, seinen Ruhestand zu geniessen. Ich habe mir vorgenommen, Zeit zu nehmen, meinen Interessen nachzugehen, ein bisschen mehr auf die Gesundheit zu achten und zusätzlich etwas Neues zu versuchen, das aber kein neuer Beruf sein soll, sondern mich intellektuell fordert und verhindert, auf dem Sofa, vor dem TV-Gerät, zu verkommen. Ich habe daher das Angebot angenommen, für die Vereinigung “Österreichisches Schwarzes Kreuz – Kriegsgräberfürsorge” als stellvertretender Generalsekretär tätig zu sein.
Ihr Einsatz im Bundesheer als Leiter des Militärischen Protokolls war sehr verantwortungsvoll und erforderte vollen Arbeitseinsatz. Was fehlt Ihnen seit Ihrer Pensionierung aus der aktiven Zeit beim österreichischen Bundesheer?
Die berufliche Laufbahn bringt es mit sich, dass ein Ablaufdatum bekannt ist und man Zeit hat, sich darauf vorzubereiten und kein Pensionsschock eintritt. Dessen ungeachtet ist es doch ein gravierender Einschnitt im Leben eines Menschen. Ich kann aber alle noch Berufstätigen beruhigen, es hat viele Vorteile, wenn man sein Leben und seinen Alltag selsbstbestimmt verbringen kann.
Was fehlt mir, seit ich nicht mehr berufstätig bin? Ich habe meinen Beruf gewählt, weil mich Technik interessiert, ich gerne mit Menschen zusammenkomme, um mit ihnen zu arbeiten und zu feiern, zu sprechen und zu plaudern, zu diskutieren und einer Meinung zu sein.
Ich war 13 Jahre bei der Truppe, zwölf Jahre in der Lehre an einer Waffenschule und 18 Jahre im Ministerium. Ich habe in meiner 18jährigen Verwendung als Protokollchef des Bundesheeres mit Botschaften und Armeedienststellen vieler Länder zusammengearbeitet und dabei ungemein interessante Menschen getroffen, mit denen es ein Vergnügen war, die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Erfüllung der Aufträge sicherzustellen.
Ich hatte in dieser Zeit an die 400 Besuche auf Minister- und Generalstabschef-Ebene zu organisieren, das Besuchsprogramm zu erstellen, mich um die Sicherheit zu kümmern, die Fachgespräche mit den zuständigen Stellen des Verteidigungsressorts zu koordinieren, Lokale für die im Protokoll vorgesehenen Diners auszusuchen, ein interessantes Truppenbesuchs- oder Kulturprogramm auf Wunsch des Gastes vorzubereiten und – ganz wichtig, ein ansprechendes und abwechslungsreiches Besuchsprogramm für die Ehefrau des Gastes festzulegen.
Ich habe das natürlich nicht alles selbst gemacht, sondern hatte ein kompetentes Team, das mich bei diesen vielen Aufgaben unterstützte. Sie sehen, ich hatte wirklich sehr viel mit Menschen zu tun, und ich habe diese Zusammenarbeit auch ungemein genossen.
Der Kreis der Personen, mit denen ich jetzt zusammenkomme, ist seit meiner Pensionierung natürlich viel kleiner geworden und beschränkt sich hauptsächlich auf Freunde und Menschen, die ich im Rahmen meiner Nebentätigkeit kennenlerne. Ich hatte in meinem Beruf sehr viel freie Hand in der Erfüllung der vorher genannten Aufgaben, aber der Vorteil des Ruhestandes besteht darin, dass man völlig selbstbestimmt seine Zeit einteilen kann, was und wann man tun möchte.
Obwohl Sie offiziell im Ruhestand sind, engagieren Sie sich weiterhin zum Wohle der Armee, in Ihrem Fall ist es die hochgeschätzte Schwarze-Kreuz- Kriegsgräberfürsorge, deren Motto „Versöhnung über den Gräbern“ ist. Wie kamen Sie zu diesem Verein?
Ich möchte vielleicht zuerst für Ihre internationale Leserschaft einige Zahlen, Fakten und Daten über diese Vereinigung bringen. Die wichtigsten rechtlichen Grundlagen für die Gründung und Tätigkeit des Österreichischen Schwarzen Kreuzes (ÖSK) findet sich im Staatsvertrag von St. Germain vom 2. September 1919, in einem Bundesgesetz vom 7. Juli 1948 über die Fürsorge für Kriegsgräber aus dem Ersten und Zweitem Weltkrieg, dem Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zum Schutz der Opfer des Krieges, dem Staatsvertrag vom 15. Mai 1955, betreffend der Herstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreichs und im Protokoll der XX. Internationalen Rotkreuz- Konferenz in Wien im Oktober 1965, betreffend Resolution Nr. XXIII über die Nachforschung nach Grabstätten.
Die Evidenzhaltung, Pflege und Erhaltung der in Österreich befindlichen Kriegsgräber, in denen sowohl eigene als auch fremde Soldaten, sowie Kriegsgefangene und Zivilinternierte ruhen können, ist Aufgabe der Republik Österreich. Diese bedient sich zur Erfüllung dieser Aufgabe des ÖSK. Das ÖSK ist ein Verein nach dem Vereinsgesetz 2002.
Ein kurzer Auszug aus den Statuten:
Das ÖSK ist überparteilich und überkonfessionell. Es ist nicht auf Gewinn gerichtet und verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige oder mildtätige Zielsetzungen. Das sind im Inland in erster Linie die würdige Errichtung von Soldatenfriedhöfen und Kriegsgräberanlagen der Angehörigen aller Nationen und Glaubensbekenntnisse, soweit sie unter die Anwendung der Kriegsgräbergesetze und unter Artikel 19 des Staatsvertrages von 1955 fallen, ebenso die Pflege und Erhaltung von Kriegsgräbern aus der Zeit vor oder aus dem Ersten Weltkrieg. Im Ausland obliegt dem ÖSK die würdige Errichtung und Pflege von Soldatenfriedhöfen und sonstigen Kriegsgräberanlagen der Angehörigen der k.u.k. Armee, sofern diese noch vorhanden sind, wobei in Ermangelung solcher die Errichtung von Gedenksteinen und Mahnmalen als Ersatzgräber angestrebt wird.
Die finanzielle Grundlage zur Durchführung der nationalen und internationalen Aufgaben bildet vorwiegend das Ergebnis der alljährlich durchgeführten “Allerheiligensammlung”. Dazu kommen Mitgliedsbeiträge, Beiträge einzelner Gemeinden und Länder, Vermächtnisse, Spenden usw. Im Bundesbudget sind für das ÖSK keine finanziellen Mittel vorgesehen.
Hier schliesst sich auch der Kreis mit der Frage, wie ich persönlich zum ÖSK gestoßen bin.
Als junger Offizier wurde mir in meiner Garnison zu Allerheiligen die verantwortungsvolle Aufgabe anvertraut, mit meinen Soldaten die Sammlung am örtlichen Friedhof zu leiten. Nach diesem ersten Kontakt mit dem Verein gab es immer wieder Berührungspunkte, bis mir anlässlich meiner Versetzung in den Ruhestand vom Vorstand des Vereins das Angebot unterbreitet wurde, meine berufliche Expertise doch für die gute Sache einzubringen, was ich jetzt in der Funktion des stellvertretenden Generalsekretärs tue.
2019 feierte das ÖSK sein 100-jähriges Bestehen. Gibt es nach so vielen Jahren noch Fälle, die gelöst werden müssen, damit gefallene Soldaten ihren ewigen Frieden finden können und was sind die Aufgaben dieses ehrenwerten Vereins?
Der Verein ÖSK wurde 1919 von einem Offzier der k.u.k. Armee gegründet, weil er der Meinung war, dass sich jemand um die vielen Soldatengräber kümmern muss, damit das Andenken an deren Opfer nicht vergessen wird und dadurch auch ein mahnendes und sichtbares Zeichen für den Frieden gesetzt wird. Im Friedensvertrag von St. Germain waren die uns alliierten assoziierten Regierungen übereingekommen, die auf ihrem Staatsgebiet befindlichen Kriegsgräber mit Achtung zu behandeln und in Stand zu halten.
Weiters wurde auch festgelegt, dass die Aufzeichnungen über die Gefallenen und alle zur Feststellung der Person dienlichen Unterlagen ausgetauscht werden und alle Auskünfte über Zahl und Ort der Gräber sämtlicher Toten, die ohne Feststellung der Person beerdigt worden sind, übermittelt werden. In Ermangelung anderer Institutionen hat die Republik Österreich damals den Verein ÖSK mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben betraut.
Auch über 100 Jahre nach Ende des Ersten und 77 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges ist die Notwendigkeit der Exhumierung und Rückführung von Soldaten und Kriegstoten in die Heimat, die Umbettung, Identifizierung und Zusammenlegung auf Soldatenfriedhöfe und Kriegsgräberanlagen notwendig und wird durch das ÖSK in Zusammenarbeit mit anderen ausländischen, dem ÖSK ähnlichen Institutionen, unterstützt.
Eine besondere Aufgabe stellt die Beratung von Angehörigen bei der Suche nach Grabanlagen, Gefallenen und Kriegstoten dar. Hier kann ich auch aus eigener Erfahrung erzählen. Auch in meiner Familie war das Schicksal meines Großvaters, der im 2. WK vermisst wurde, nicht geklärt. Durch meine Kenntnis der Aufgaben des ÖSK war es möglich, durch umfangreiche Recherche in Zusammenarbeit mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der für die Wehrmacht zuständig ist, Auskunft über das Schicksal und die letzte Ruhestätte meines Großvaters Gewissheit zu erhalten.
Können Sie sich rückblickend erinnern, was ausschlaggebend dafür war, Ihr Leben der Armee zu widmen. Und haben Sie einen Rat für junge Menschen, die diesen ehrenvollen Beruf ergreifen möchten?
Als ich ins wehrfähige Alter kam, war der Kalte Krieg auf seinem Höhepunkt und die Sicherheitslage der gesamten Welt auf diesen Konflikt ausgerichtet. Durch kluge und kompetente Ausbilder in meinem Grundwehrdienst wurde ich für die sicherheitspolitischen Notwendigkeiten des Staates sensibilisiert, sodass ich beschloss, die Theresianische Militärakademie, die älteste noch existierende Militärakademie der Welt, zu absolvieren.
Als Technikinteressierter ließ ich mich zum Offizier der Fliegerabwehrtruppe ausbilden. Ich entschloss mich also für “einen mittelmäßig bezahlten Beruf mit viel Aufenthalt in frischer Luft”, Zusammenarbeit mit Menschen, die man selbst in den militärischen Fähigkeiten ausbildet und einer Tätigkeit, die an reicher Abwechslung nicht zu wünschen übrig lässt. Um auch die Karriere zu fördern, bietet die Institution Bundesheer eine Vielzahl von Kursen und Weiterbildungen, welche die eigene Entwicklung unterstützen. Rückblickend kann ich auf ein erfülltes Leben als Offizier zurückblicken, ich war Kommandant, Lehrer und enger Mitarbeiter des Verteidigungsministers. Ich machte Dienst im Ausland und hatte das große Glück, bis auf die kritischen Tage im Sommer 1991 an unserer Südgrenze, nie in den Krieg zu müssen.
Was kann ich einem jungen Menschen, der Offizier werden möchte, sagen? Offizier ist kein Beruf wie jeder andere, man muss Idealist sein, die vorgefassten Meinungen des “Mainstream” ignorieren, die wohlgefassten Worte der Politik nicht immer glauben, nicht erwarten, dass der persönliche Einsatz für andere auch geschätzt wird und die Dinge tun, weil man von deren Richtigkeit überzeugt ist. Aber es ist ein abwechslungsreicher, interessanter und auch erfüllender Beruf.
Haben Sie als Rentner Hobbys entwickelt, oder haben Sie Zeit für Hobbys, für die Sie vorher keine Zeit hatten?
Wie ich vorhin schon sagte, ist der Zeitpunkt meiner Pensionierung mit der Pandemie zusammengefallen, sodass ich noch keine Möglichkeit hatte, neue Hobbys zu finden, Ich meine auch, dass ich mit meinen derzeitigen Interessen, (Menschen, Lesen, Politik, mein Oldtimer, Reisen, sobald meine Frau auch in Pension ist) und meinem Engagement für das ÖSK genug zu tun habe, damit die Pension nicht in Arbeit ausartet und ich so viel zu tun habe, dass ich keine Zeit mehr habe.
Svetlana Nenadovic Glusac