Zeigen wir alle gemeinsam Österreich in seiner besten Verfassung!
Meine Damen und Herren!
Herzlich willkommen in der Hofburg.
Heute wird in wenigen Minuten eine Bundesregierung angelobt, die bis zur Ernennung der nächsten, neuen Bundesregierung nach den Wahlen zum Nationalrat im Amt sein wird.
Ich bin überzeugt, dass die neue Bundesregierung unser Land politisch, diplomatisch und sympathisch vertreten wird. Innenpolitisch und außenpolitisch als selbstbewusstes Land im Herzen Europas.
Auf der europäischen Ebene kommen in den nächsten Monaten einige Dinge auf uns zu: personelle Entscheidungen für den Rat, für die Kommission, für das Parlament. Der mehrjährige Finanzrahmen ist zu diskutieren und, und, und. Aber wir werden das schon schaffen in guter österreichischer Manier.
Innenpoltisch haben wir in Österreich in den letzten zwei bis drei Wochen einige unerwartbare Ereignisse erlebt.
Meine Damen und Herren,
das sollten wir uns vielleicht merken.
In der Politik weiß man oft nicht, was am als nächstes kommt. Man weiß nicht, was morgen kommt.
Und genau deshalb braucht es Dinge, auf die man sich verlassen kann.
Es braucht einige Regeln, Werte und Prinzipien, auf die wir alle gemeinsam bauen.
Auch wenn man in politischen Fragen unterschiedlicher Ansicht ist, muss es Regeln geben, die wir alle teilen und gemeinsam hochhalten.
Zwei davon möchte ich herausstreichen:
Es wird Sie nicht überraschen, eine davon ist unsere österreichische Bundesverfassung.
Die Bundesverfassung hat in den letzten Tagen und Wochen gezeigt, dass sie für alle Eventualitäten grundlegende, demokratische Spielregeln vorgibt.
Und auch wenn wir bestimmte Situationen in der Zweiten Republik noch nicht hatten, so ist doch in unserer Bundesverfassung Vorsorge für alle Eventualitäten getroffen worden, mit denen wir überraschend konfrontiert sein können.
Meine Damen und Herren, es gibt aber noch etwas mehr.
Es ist etwas, das nicht durch Gesetzestexte oder Judikatur exakt erfassbar und zu definieren ist.
Aber von dem ich glaube, dass es wichtig ist, auf dem wir aufbauen.
Ich nenne es einmal, „das typisch Österreichische“!
Das besteht für mich aus,
erstens: Zuversicht, auf gut Österreichisch: „Des mach ma schon, des krieg ma schon hin.“ Diese grundsätzliche Einstellung – es erinnert mich ein bisschen an ein Erlebnis in Israel, nebenbei gesagt, mit Vertretern der Start-up-Szene, die gesagt haben: „We don´t see problems, we don´t see challenges, we see opportunities.“
Also, wir lassen uns nicht schrecken von Problemen oder Herausforderungen, wir sehen die positive Chance.
Das Zweite ist Mut.
Ich zitiere gerne die Österreichische Bundeshymne: „Mutig in die neuen Zeiten“. Es gibt Situationen, wo man vor schwierigen Entscheidungen nicht zurückschrecken kann und nicht zurückschrecken darf. Und diesen Mut haben wir schon öfters gezeigt.
Und das dritte Wesentliche ist, glaube ich: Im Gespräch bleiben.
Ich kann das nicht oft genug betonen, auch auf gut Österreichisch: „Beim Reden kommen die Leut z‘samm!“
Man setzt sich zusammen und diskutiert was aus und schaut, wie man eine Lösung findet. Und gerade in den letzten Tagen und Stunden wurde das wieder sehr schön unter Beweis gestellt.
Meine Damen und Herren,
ich habe anlässlich der Beauftragung von Frau Dr. Bierlein mit der Bildung einer neuen Regierung von einer Vertrauensregierung gesprochen.
Vertrauen ist die Grundlage unseres Zusammenlebens insgesamt. Vertrauen ist natürlich auch die Grundlage von Politik.
Auch wenn es schwieriger scheint, im politischen Leben – schwierger als im persönlichen Kontakt, unter vier Augen, also unter Freunden und Bekannten – Vertrauen zu erwerben, muss man es dennoch immer wieder versuchen.
Ich habe unsere Bürgerinnen und Bürger nach dem Auftauchen dieses verstörenden Videos gebeten, nicht alle Politikerinnen und Politiker in einen Topf zu werfen.
Es sind die Allerwenigsten so wie in diesem Video, und Österreich ist nicht so.
Meine Bitte ist:
Entziehen Sie, die Bürgerinnen und Bürger des Landes, der Politik nicht das Vertrauen, wenden Sie sich nicht ab.
Prüfen Sie bitte in den nächsten Monaten bis zur Nationalratswahl – und danach natürlich – wem Sie Ihr Vertrauen schenken. Und ich bitte Sie jetzt schon: Gehen Sie im Herbst zur Wahl.
Sehr geehrte Mitglieder der künftigen Bundesregierung!
Ich bin überzeugt, dass Sie eine gute, stabile und arbeitsfähige Bundesregierung sein werden.
Ganz besonders freut es mich, dass wir zum ersten Mal in der Geschichte eine Bundeskanzlerin an der Spitze der Regierung haben werden und zweitens, dass Frauen und Männer zum ersten Mal im gleichen Maße in dieser Bundesregierung vertreten sind.
Künftig kann niemand mehr sagen: „Das geht leider nicht.“
Und ich möchte allen heute anzugelobenden Ministerinnen und Ministern dafür danken und auch meinen Respekt aussprechen, dass sie sich in dieser nicht einfachen Situation zur Verfügung stellen und diese Verantwortung übernehmen.
Insbesondere natürlich möchte ich Ihnen danken, Frau Dr. Bierlein, als künftige Bundeskanzlerin, und Ihnen, Herr Dr. Jabloner, als künftigen Vizekanzler.
Sie alle zeigen staatspolitische Verantwortung mit Ihrer Entscheidung für die kommenden Monate die Bundesregierung zu übernehmen. Das ist mit Risiken verbunden, wir alle wissen das, und es ist nicht selbstverständlich, dass Sie diese Verantwortung übernommen haben. Vielen Dank!
Und zu den Österreicherinnen und Österreichern möchte ich zu diesem Punkt abschließend auch noch etwas sagen:
Europa und die halbe Welt schaut jetzt auf uns – nach den Ereignissen der letzten Wochen. Und ich möchte alle bitten und ersuchen: Zeigen wir uns jetzt von unserer besten Seite. Jede und jeder kann etwas beitragen. Zeigen wir alle gemeinsam Österreich in seiner besten Verfassung – im doppelten Sinne!
Österreich in seiner besten Verfassung! So ist Österreich! So sind wir!
Nun, bevor ich zur Ernennung und Angelobung komme, möchte ich den scheidenden Ministerinnen und Ministern sowie dem schon vergangene Woche aus dem Amt geschiedenen Bundeskanzler Sebastian Kurz meinen Dank aussprechen für ihren Einsatz im Dienste der Republik.
Ganz besonders gilt dieser Dank auch jenen vier Ministerinnen und Ministern, jenen vier Persönlichkeiten, die erst vor wenigen Tagen ernannt wurden und nun wieder ausscheiden.
Damit komme ich zu den verfassungsrechtlich wesentlichen Schritten: Bitte erlauben Sie, dass ich alle akademischen Titel weglasse.
Ich enthebe die mit der Fortführung der Verwaltung betraute Bundesregierung des Amtes.
Gemäß Artikel 70 Absatz 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes ernenne ich Sie, Frau Brigitte Bierlein, zur Bundeskanzlerin.
Die Bundeskanzlerin ist vor Antritt ihres Amtes vom Bundespräsidenten anzugeloben.
Ich ersuche Sie daher, folgendes Gelöbnis zu leisten und mit Ihrem Handschlag sowie durch Ihre Unterschrift zu bekräftigen:
„Ich gelobe, dass ich die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich beobachten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde.“
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Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin!
Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich zur Ernennung zur ersten Bundeskanzlerin der Republik Österreich. Bei der Erfüllung aller damit verbundenen Aufgaben im Dienste der Republik und der Bevölkerung wünsche ich Ihnen alles Gute und den besten Erfolg.
Auf Ihren Vorschlag, Frau Bundeskanzlerin, ernenne ich gemäß Artikel 70 Absatz 1 B-VG:
- Herrn Clemens Jabloner zum Vizekanzler und zum Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz,
- Frau Elisabeth Udolf-Strobl zur Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort,
- Frau Maria Patek zur Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus,
- Frau Brigitte Zarfl zur Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz,
- Herrn Eduard Müller zum Bundesminister für Finanzen,
- Herrn Thomas Starlinger zum Bundesminister für Landesverteidigung,
- Herrn Wolfgang Peschorn zum Bundesminister für Inneres,
- Herrn Andreas Reichhardt zum Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie,
- Herrn Alexander Schallenberg zum Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres sowie
- Frau Iris Eliisa Rauskala zur Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung.
Weiters betraue ich Herrn Eduard Müller gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 77 Absatz 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes mit der Leitung des Bundesministeriums für öffentlichen Dienst und Sport.
Schließlich ernenne ich gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes Frau Ines Stilling zur Bundesministerin ohne Portefeuille.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Ernennung als Mitglieder der Bundesregierung.
Ich wünsche Ihnen bei der Erfüllung Ihrer Aufgaben alles Gute und viel Erfolg. Und ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit mit Ihnen.
So wie die Bundeskanzlerin sind auch die übrigen Mitglieder der Bundesregierung vor Antritt ihres Amtes vom Bundespräsidenten anzugeloben.
Ich ersuche Sie daher, folgendes Gelöbnis zu leisten und mit Ihrem Handschlag sowie durch Ihre Unterschrift zu bekräftigen:
„Ich gelobe, dass ich die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich beobachten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde.“
(bundespraesident.at)
Fotos: Carina Karlovits/HBF und Peter Lechner/HBF