Dürer im Kupferstichkabinett: Teufel, Komik und die Interpretation nackter Tatsachen

Manche Blätter Dürers sind nicht klar zu deuten. Für den Genuss seiner Druckgrafiken im Wiener Kupferstichkabinett ist das nicht weiter hinderlich.

Hexen, Huren oder womöglich die drei Grazien? Oder gar Aphrodite, Athene und Hera, jene drei Göttinnen, aus denen der trojanische Königssohn Paris die Schönste aussuchen sollte? Von weltlicher Sünde bis göttlicher Unschuld: Das ist einmal eine Bandbreite in der Interpretation nackter Tatsachen.

Auch 500 Jahre nach der Entstehung von Albrecht Dürers Kupferstich Vier nackte Frauen ist sich die Forschung nicht einig, was für Nackedeis der Meister der Frührenaissance auf diesem Blatt von 1497 dargestellt hat. Allerdings lassen eine Teufelsfratze und menschliche Gebeine zu den Füßen der Frauen etwas am keuschen Liebreiz der Damen zweifeln. Und die Inschrift “O.G.H.”? Eine der Lesarten ist “odium generis humani”, Hass des Menschengeschlechts.

29 Blätter aus dem Frühwerk

Rätsel werden in der Ausstellung Von Hexen, Meerwundern und der Apokalypse des Kupferstichkabinetts der Akademie der bildenden Künste nicht gelöst. Die Auswahl von 29 Blättern aus dem nach Dürers Wanderjahren einsetzenden Frühwerk ist vielmehr eine Kostprobe aus den reichen Dürer-Schätzen des Hauses. Bis auf zwei Dutzend Werke verfügt man über das komplette, 260 Arbeiten umfassende OEuvre von Holzschnitten und Kupferstichen. Probe- oder Unikatdrucke wie jene zur geplanten Ehrenpforte Kaiser Maximilians I., von denen es weltweit nur zwei gibt (einen verwahrt die Albertina), fehlen etwa.

Die kleine Kabinettausstellung im Ausweichquartier im Wiener Theatermuseum ist auch als Zeichen dafür zu lesen, dass man der 100.000 Druckgrafiken umfassenden Kollektion künftig mehr Wertschätzung angedeihen lassen will. Zur präsentierten Auswahl von Blättern erster Güte (zu Lebzeiten Dürers oder noch im 16. Jahrhundert gedruckt) gehört die komplette, immer wieder Entdeckungen erlaubende Serie zur Apokalypse.

Frau mit Finanzgewalt

Zu den unbekannteren Stichen zählen etwa die Allegorien ungleicher Paare, die um 1500 ungeheuer populär waren: Originalität und Komik begeistern für die Sujets, die etwa einen stark übergewichtigen Koch an der Seite seiner mit der Schlüsselgewalt über die Finanzen ausgestatteten bürgerlichen Frau zeigen. Fantastisch, auch in der Akkuratesse der Strichführung, die Darstellung einer ungleichen Harold-und-Maude-Liebe: Der Teufel lauert mit dem Stundenglas schon hinter dem nächsten Baum.

(mobil.derstandard.at, Anne Katrin Feßler)