Dr. Josef Höchtl, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Völkerverständigung – INTERVIEW (D & ENG)

Bundesministerin für Familie, Frauen, Integration und Medien MMag. Dr. Susanne Raab, Dr. Josef Höchtl, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Völkerverständigung und Bundeskanzlerin a.D. Dr. Brigitte Bierlein / Foto: Magazin DC Austria

Text: Svetlana Nenadovic Glusac

 

Es gibt immer Licht, wenn wir nur mutig genug sind, es zu sehen

Prof. Dr. Josef Höchtl wurde in Hollabrunn (NÖ) geboren, ist ein österreichischer Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler sowie Politiker der ÖVP und war über 24 Jahre im Nationalrat vertreten, wo er seine wesentliche Beschäftigung in den Ausschüssen für Unterricht, Wissenschaft, Finanzen und Aussenpolitik fand.

Neben Wirtschafts- und Sozialwissenschaften studierte er Soziologie, Philosophie der Politik und Ideologiekritik an der Universität Wien, wo er auch Publizistikvorlesungen besuchte und Sprachstudien in Englisch, Französisch, Spanisch und auch ein wenig Russisch absolvierte.

Ab dem Jahr 1971 war Dr. Josef Höchtl für die Wirtschaftsuniversität Wien tätig, hielt Lehrveranstaltungen u.a. über “Macht und Herrschaft”, “Soziale Konflikte”, “Methoden der empirischen Sozialforschung” und “Einführung in die Allgemeine Soziologie”.

Später übersiedelte er als “Sonderbeauftragter für Internationale Angelegenheiten” (u.a. auch für den Aufbau der deutschsprachigen Andrassy Universität in Budapest u.v.a. zuständig) ins Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung.

Sein politisches Engagement begann er schon im 16. Lebensjahr, als er eine Gruppe der Jungen ÖVP im Weinviertel (Marktgemeinde HADRES) gründete und zu deren ersten Obmann er gewählt wurde. Während seiner politischen Karriere war Dr. Höchtl in verschiedenen Bereichen aktiv und war viele Jahre Bundesobmann der Jungen ÖVP, der größten politischen Jugendorganisation Österreichs mit über 100.000 Mitgliedern, sowie später Bundesobmann des ÖAAB. International war er auch zehn Jahre der Vorsitzende aller christdemokratischen, konservativen und “like-minded” Abgeordneten aller 138 Parlamente der Welt, die in der IPU (International Parliamentary UNION) vereint sind.

Würdigung für einen Freund – Dr. Alois Mock / Foto: Privatarchiv

Dr. Höchtl wurde mehrfach für sein Schaffen ausgezeichnet, die wichtigsten Auszeichnungen sind: Großes Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich – dies ist die wichtigste staatliche Ehrung,  sowie der Orden des heiligen Gregor des Großen (offiziell: Ordine Equestre Pontificio di San Gregorio Magno) Päpstlicher Ritterorden des heiligen Gregor des Großen – der vierthöchste Orden für Verdienste um die römisch-katholische Kirche. Er wird direkt vom Papst verliehen.

Für seinen Einsatz für die deutschsprachige Andrassy Universität in Budapest wurde Dr. Höchtl mit der Ehrensenatoren-Würde ausgezeichnet. Etliche weitere nationale und internationale Auszeichnungen und Ehrungen säumen sein bisheriges Leben.

Derzeit engagiert sich Dr. Höchtl u.a. in der “Österreichischen Gesellschaft für Völkerverständigung”, dessen Präsident er ist.

Mit Edith und Alois Mock / Foto: Privatarchiv

Sehr geehrter Herr Dr. Höchtl, was war die Grundidee und wann wurde die “Österreichische Gesellschaft für Völkerverständigung” gegründet?

Die Grundidee, die mich gemeinsam mit einigen langjährigen Freunden, u.a. .dem damaligen Außenminister Dr. Alois Mock, zur Gründung der “Österreichischen Gesellschaft für Völkerverständigung” motiviert hat, war, eine Organisation zu schaffen, die es einerseits ermöglicht, hochrangige österreichische und internationale Persönlichkeiten aus den Bereichen der Politik, der Wirtschaft, der Kultur, der Religionen, der Diplomatie etc. zu Begegnungen und Vorträgen einzuladen und andererseits solche auch in ihren Staaten zum Austausch zu treffen.

Das ging mit der gleichzeitigen Überzeugung einher, dass diese Verständigung nicht nur von Vertretern einer Partei, einer Religion, einer Orientierung etc. zu geschehen hat, sondern die Pluralität der Vortragenden und der Zuhörerschaft das attraktive ist.

So konnte ich mit meinem Team zu bisher 114 solcher höchstrangigen Abende einladen und moderieren. Sie umfassten Staatsoberhäupter, Ministerpräsidenten, Parlamentspräsidenten,  Kardinäle, Minister etc.- alle mit Vortag und freier und lebendiger  Diskussion.

Otto Habsburg, Josef Höchtl und Bundespräsident Kurt Waldheim / Foto: Privatarchiv

Sie organisieren häufig Veranstaltungen, bei denen eine große Anzahl ihrer Mitglieder sowie prominente Politiker*Innen zusammenkommen und auch aktuelle Minister nehmen an diesen Podiumsdiskussionen teil. Daher halten Sie viele für eine sehr einflussreiche Person. Sehen Sie sich selbst so?

Was ist sehr einflussreich? Ich betrachte mich als Person, die versucht, mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung einen Beitrag zu leisten, das Gemeinsame von Parteien, Religionen etc. zu fördern und das Trennende zu überwinden. Und in so vielen Jahren lernt man auch sehr viele nationale und internationale Persönlichkeiten kennen. Wenn man in diesen Begegnungen ehrlich und aufrichtig handelt, wird man auch geschätzt.

Ehemaliger deutscher Bundestagspräsident Norbert Lammert / Foto: Privatarchiv

Die Vizepräsidentin der ÖGV ist Dr. Brigitte Bierlein, die erste österreichische Bundeskanzlerin a.D. sowie ehemalige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes. Was bedeutet die Bekanntschaft mit hochrangigen Politikern und überhaupt Personen des öffentlichen Lebens für die Arbeit der Gesellschaft?

Ich bin sehr froh, dass sich Frau Dr. Brigitte Bierlein seit Jahren dazu bereit erklärt hat, als Vizepräsidentin wertvolle Beiträge zum Gelingen der Arbeit der “Österreichischen Gesellschaft für Völkerverständigung” zu leisten. Als erste österreichische Bundeskanzlerin und vorher als Präsidentin des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes hat sie ein überaus großes Ausmaß an Erfahrung und das tut unserer Gesellschaft sehr gut. Gleiches gilt für die vielen anderen Persönlichkeiten aus allen Bereichen der Gesellschaft, ob aus Wirtschaft, Politik, Diplomatie, Verwaltung, Kultur, Sport etc., die Begegnungsmöglichkeiten mit solchen Persönlichkeiten ist für die große Anzahl der Zuhörerschaft immer sehr aufschlussreich.

Ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel / Foto: Privatarchiv

Wie der Name der ÖGV bereits andeutet, die “Österreichische Gesellschaft für Völkerverständigung” ist international tätig. Mit welchen Ländern hat die ÖGV die meisten Kooperationen und in welchen Bereichen?

Ich selbst war bereits in rund 100 Staaten und pflege die dabei geknüpften Kontakte relativ konstant. Nicht nur durch Reisen, sondern auch durch ZOOM-Konferenzen, Mails, Telefonate etc. Die Zuverlässigkeit und wenn notwendig auch die Verschwiegenheit sind hier sehr wichtig.

Manches Mal mit Vertretern eines Staates mehr und dann wieder weniger, je nach Thema und Notwendigkeit, genauso ist es mit den Themen: sie sind sehr, sehr vielfältig.

Mit Papst Benedikt XVI / Foto: Privatarchiv

Als jemanden, der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und Soziologie studiert hat und vier Weltsprachen spricht, muss ich Sie fragen: Wie wichtig ist Völkerverständigung in der internationalen Politik und Diplomatie?

Extrem wichtig, und nicht nur dann, “wenn es brennt”. “Im Gespräch bleiben”, natürlich auch mit Andersdenkenden – das schafft Vertrauen. Und auf das kommt es in schwierigen Situationen an.

Und abschließend, als langjähriger Politiker und Student der Philosophie der Politik und Ideologiekritik, kann ich nicht anders und muss Sie nach Ihrer Meinung zum bewaffneten Krieg zwischen Russland und der Ukraine und den Ereignissen im Nahen Osten zwischen Palästina und Israel befragen. Sehen Sie Lösungen, um diese Konflikte zu beenden?

Natürlich gibt es Lösungen, auch trotz der Traurigkeit und Enttäuschung, die mich bei solchen schrecklichen Konflikten bewegt.

Meine generellen Ansichten dazu: Vieles ist vielen in unserer Gesellschaft zur Selbstverständlichkeit geworden: Friede, Freiheit, Sicherheit, Demokratie, Einhaltung der Menschenrechte, Wohlstand etc… Und plötzlich wird in Europa, wo man dachte, es werde keinen Krieg mehr geben (OSZE Prozess) vieles davon radikal in Frage gestellt.

Meine Eltern, die 1945 aus ihrer südmährischen Heimat, wo ihre Vorfahren sehr lange gelebt und hart gearbeitet hatten, vertrieben worden sind, sagten mir öfters: “Du kannst nicht in Frieden leben, wenn es Dein Nachbar nicht will.”

Wir müssen uns immer wieder fragen: Wie kommen wir bei all diesen gegenwärtigen Herausforderungen zu einer Lösung?

Ein Satz, der in meinen Augen ein sehr schöner grundlegender Vorschlag für unendlich viele Spannungen, Krisen, Konflikte etc. darstellt, hat Mahatma Gandhi anzubieten, wenn er sagte: „Wo Liebe wächst, gedeiht Leben – Wo Hass aufkommt, droht Untergang.“

Mein langjähriger Freund und frühere Bundestagspräsident Deutschlands Prof. Dr. Norbert Lammert hat richtigerweise auch dazu zwei kurze Klarheiten ausgedrückt:

„Freiheit bedeutet Verantwortung“ und „Demokratie braucht Demokraten!“.

Als Sohn von Vertriebenen Eltern habe ich es immer als Verpflichtung gesehen – mich einzubringen!

“THERE is always LIGHT, if only we are BRAVE enough to see it.” (Es gibt immer Licht, wenn wir nur mutig genug sind, es zu sehen)

Dr. Josef Höchtl, Präsident der ÖGV, Finanzminister Dr. Brunner und Svetlana Nenadovic Glusac, Direktorin des Magazins Diplomacy and Commerce Austria / Foto: Magazin DC Austria

ENGLISH:

Dr. Josef Höchtl, President of the Austrian Society for International Understanding – INTERVIEW (ENG)

“There is always light, if only we are brave enough to see it”

We must continually ask ourselves: How do we find a solution to all of these current challenges?

Prof. Dr. Josef Höchtl was born in Hollabrunn (Lower Austria). He is an Austrian social and economic scientist as well a politician of the ÖVP (Austrian People’s Party). He was a member of the National Council (Austrian Parliament) for nearly 25 years, where his main focus was on the committees for Education, Science, Finance, and Foreign Policy.

In addition to economics and social sciences, he studied sociology, philosophy of politics, and critique of ideology (critical attitude towards ideologies) at the University of Vienna, where he also attended journalism lectures and completed language studies (English, French, Spanish, and some Russian). Starting in 1971, Dr. Josef Höchtl worked at the Vienna University of Economics, where he taught courses on topics such as “Power in various categories,” “Social Conflicts,” “Methods of Empirical Social Research,” and “Introduction to General Sociology.” Later, he moved to the Federal Ministry of Education, Science and Research as a “Special Representative for International Affairs,” responsible, among other things, for the establishment of the German-speaking Andrassy University in Budapest.

His political engagement began at the age of 16, when he founded a group of the Young ÖVP (Austrian People’s Party) in HADRES (in the „Weinviertel“ in Lower Austria) and was elected as their first chairman. Throughout his political career, Dr. Höchtl was active in various areas and for many years was the federal chairman of the Young ÖVP, Austria’s largest political youth organization with over 100,000 members, and later he became the federal chairman of the ÖAAB (=the ÖVP-organisation for workers and employees).

For ten years he was also chairman of all Christian Democratic, conservative, and “like-minded” members of all 138 parliaments in the world -united in the IPU (International Parliamentary Union).

Dr. Höchtl has been Multiple times honored for his work. The most significant awards include the Grand Decoration of Honour in Gold for Services to the Republic of Austria – the most important state recognition, and the Order of Saint Gregory the Great (officially: Ordine Equestre Pontificio di San Gregorio Magno), a Papal Order of Knighthood of Saint Gregory the Great – the fourth highest order for services to the Roman Catholic Church, which is awarded directly by the Pope.

For his commitment to the German-speaking Andrassy University in Budapest, Dr. Höchtl was awarded the honor of Honorary Senator. Numerous other national and international awards and honors have marked his life to date. Currently, Dr. Höchtl is actively involved in the “Austrian Society for International Understanding,” which he is president of.

Dr. Höchtl, what was the fundamental idea, and when was the “Austrian Society for International Understanding” founded?

Together with some long-time friends including the then Foreign Minister Dr. Alois Mock, I was motivated to establish the “Austrian Society for International Understanding” to create an organization that enables high-ranking Austrian and international personalities from the fields of politics, economy, culture, religion, diplomacy, etc., to be invited for encounters and lectures, and on the other hand, to meet them in their countries for exchange. This was accompanied by the simultaneous conviction that this understanding should not only come from representatives of one party, one religion, one orientation, etc., but that the plurality of the speakers and the audience is what is attractive. Thus, with my team, I have been able to invite and moderate 114 such high-ranking evenings. They included heads of state, prime ministers, parliamentary presidents, cardinals, ministers, etc., all with presentations and free and lively discussions.

You often organize events where a large number of your members and prominent politicians come together, and current ministers participate in these panel discussions. Therefore, many consider you a very influential person. Do you see yourself that way? What is very influential?

I see myself as a person who tries, with decades of experience, to contribute to promoting the commonalities (common interests, similarities) among parties, religions, etc., and to solve conflicts.
Over so many years, one also gets to know many national and international personalities. If one acts honestly and sincerely in these encounters, one is also appreciated.

The vice-president of the “Austrian Society for International Understanding” is Dr. Brigitte Bierlein, the first female Federal Chancellor of Austria and former President of the Constitutional Court. What does the acquaintance with high-ranking politicians and public figures mean for the work of the society?

I am very pleased that for years Dr. Brigitte Bierlein has agreed to contribute as vice-president to the success of the work of the “Austrian Society for International Understanding.”

As the first female Federal Chancellor of Austria and previously as the President of the Austrian Constitutional Court, she has a tremendous amount of experience, which is very beneficial to our society. The same applies to the many other personalities from all areas of society, whether from economics, politics, diplomacy, administration, culture, sports, etc., the opportunity to meet such personalities is always very enlightening for the large audience.

As the name of the ÖGV already suggests, the “Austrian Society for International Understanding” operates internationally. With which countries does the ÖGV mostly cooperate and in which areas?

I myself have already been to about 100 countries and maintain the contacts made there relatively consistently. Not only through travel but also through ZOOM conferences, emails, phone calls, etc. Reliability and, if necessary, discretion are very important here. Sometimes more with representatives of one country and then less, depending on the topic and necessity, the same is true with the topics: they are very, very diverse.

As someone who has studied economics and social sciences, sociology, and speaks four world languages, I must ask you: How important is international understanding in international politics and diplomacy?

Extremely important, and not only when troubles are getting bigger -that means in dangerous situations. Keeping in touch , „Continuing talking“ and “Staying in contact” especially with those who think differently – that creates trust. And that is what matters in difficult situations.

And finally, as a long-time politician and student of the philosophy of politics and critique of ideology, I cannot help but ask you about your opinion on the armed conflict between Russia and Ukraine and the events in the Middle East between Palestine and Israel. Do you see solutions to end these conflicts?

Of course, there are solutions, despite the sadness and disappointment that such terrible conflicts provoke in me. My general views on this: Many things have become „taken for granted“ in our society: peace, freedom, security, democracy, adherence to human rights, prosperity, etc… And suddenly in Europe, where it was thought that there would be no more war (OSCE process !), much of this is being radically questioned.

My parents, who were expelled in 1945 from their South Moravian homeland where their ancestors had lived and worked hard for a very long time, often told me, “You cannot live in peace if your neighbor does not want it.”

We always have to ask ourselves: How do we find a solution to all these current challenges?

A phrase that, in my eyes, represents a very beautiful and fundamental proposal for endless tensions, crises, conflicts, etc., was offered by Mahatma Gandhi when he said, “Where love grows, life thrives – Where hatred arises, doom threatens.”

My longtime friend and former President of the German Bundestag, Prof. Dr. Norbert Lammert, also expressed two clear truths: “Freedom means responsibility” and “Democracy needs democrats!”

Being the son of displaced parents, I have always seen it as my duty to contribute something, to act! “THERE is always LIGHT, if we are BRAVE enough to see it.”

 

Text: Svetlana Nenadovic Glusac