Diplomatische Residenzen und Gebäude in Wien – Botschaft von Ungarn

Das ungarische Palais in Wien / Foto: Diplomacy and Commerce Austria

Im Rahmen der Rubrik “Diplomatische Residenzen und Gebäude in Wien” präsentieren wir Ihnen im Magazin Diplomacy and Commerce Austria diesmal das Botschaftsgebäude von Ungarn in Wien – das sogenannte “ungarische Palais” in der Bankgasse 4-6.

Es handelt sich um ein einzigartiges Gebäude, das wie kein anderes in Wien, die nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich und Ungarn darstellt und wo auch heute noch auf Schritt und Tritt Glanz und Gloria vergangener Zeiten zu spüren ist – die Zeit der K. u. K.-Monarchie.

Das Gebäude der ungarischen Botschaft besteht aus zwei Palästen, deren Bauwerke im Laufe der Geschichte von den großen Namen der damaligen Architektur beeinflusst wurden.

 

Palais Strattmann

Das Grundstück in der Bankgasse 6 (damals Schenkenstr. 3) und seine damaligen Besitzer, die Familie Kranichberg, wurden erstmals urkundlich anfangs des 14. Jahrhunderts (…-1370) erwähnt.

Dank des genauen Grundbuchkatasters haben wir heute Einblick auf die häufigen Besitzerwechsel dieser Liegenschaft bis ins Jahr 1689, als die Immobilie in den Besitz von Theodor Althet Heinrich Graf Strattmann, Kaiserlicher Hofkanzler, gelangte.

Der berühmte und produktivste österreichische Barockarchitekt Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656-1723) wurde mit dem Bau des Schlosses für Kanzler und Hofkanzler Theodor Athletus Heinrich Graf Strattmann beauftragt, dessen persönliche Handschrift trotz Renovierungen noch heute sichtbar ist.

Der Bildhauer und Architekt, dessen Name hinter dem Bau vieler Kirchen und Schlösser in Salzburg, Prag und Wien steht – die berühmtesten darunter die Karlskirche, die Hofstallungen in Wien (heutiges MuseumsQuartier), die Hofbibliothek und die Winterreitschule der Hofburg in Wien. Fischer von Erlach zeigte sein ganzes Können beim Bau vom Palais Stratmann.

Fassade der Palais Stratmann, Bankgasse 6 (1733) / Gezeichnet von S. Kleiner und gestochen von J. A. Corvinus

Wie das Stadt-Palais zur ungarischen Hofkanzlei wurde 1747-1848

Das damalige Haus und der Sitz des ungarischen Hofkanzlers, Ludwig Grafen Batthhyány, war nicht standesgemäß genug, um als Unterkunft und zu repräsentativen Zwecken dienen zu können. Und mit Hilfe und Zustimmung von Maria Theresia konnte noch während des Krieges im Jahre 1747, ein standesgemäßes Haus für die ungarische Hofkanzlei angekauft werden.

Im Juli 1747 wurde das Haus in der heutigen Bankgasse 6 durch den ungarischen Hofkanzler, den höchsten Beamten des Ungarischen Königreichs am Kaiserhof, erstanden.

Das einzig vorhandene Dokument, das den Auftrag der Kaiserin zum Ankauf des neuen Hauses beweist, ist das Dekret in Latein verfasst, in dem die entscheidende Stelle lautet: “Ihre Majestät habe sich gnädig entschlossen, dass für die Bezahlung des Hauses, über jenen Betrag, der von löblichen Ständen des Königreichs Ungarn beigesteuert werden wird, für einige Zeit jährlich 6000 Gulden aus dem bereits erwähnten Taxatortsamt aufzuwenden. Die genannten ungarischen Hofkanzlei sei zum Zwecke angekauft worden, um dort nämlich Ihre künfitgen Sitzungen abzuhalten, und in dem auch fürderhin das amtliche Schriftgut bei Ihren untergeordneten Organen aufbewahrt werden wird”.

Neujahrskarte mit dem Bild des Gebäude des Ministerium in der Bankgasse 6 (1899)

Der Kauf des Gebäudes, der ein Symbol für das Zueinanderfinden stehe, wurde mit dem Geld der ungarische Stände, der Komitate, der privilegierten Gebiete und der königliche Freistände finanziert.

Ich bin 18. Jahrhundert, in der Nähe der Hofburg, zwischen den Palais der österreichischen, tschechischen und ungarischen Adeligen gelegen, war das “ungarische Haus”, wie es oft in der vergangenen Zeiten genannt wurde, Sitz der jeweiligen Vertreter Ungarns in Wien: den Kanzlern, Ministern, Gesandten und Botschaftern.

Für Ungarn war das Haus nicht nur das Fenster zum Habsburger Reich, sondern zu ganz Europa.

Die Bedeutung dieses Gebäudes zeigt die Tatsache, dass nicht nur Maria Theresia oft bei Kanzler Esterházy zur Gast war, sonder zahlreiche Politiker dort über das Schicksal des Landes verhandelten.

Ihm gebührt der Verdienst, wie der ungarische Palast heute aussieht: Franz Grafen Esterházy, ungarischer Hofkanzler

Großer Umbau und noch größere Kosten

Nach dem Kauf des Palastes und der Ernennung von Franz Grafen Esterházy am 29. November 1762 zum ungarischen Hofkanzler kam es zum großen Umbau unter seinem bevorzugten Architekten Nikolaus Franz Leonhard von Pacassi. Dafür stellte Kaiserin Maria Theresia größzügigst Mittel zur Verfügung.

Grafen Esterházy hatte sich bereits vom Hofarchitekten Nikolaus von Pacassi einen Kostenvoranschlag über die allernötigste Renovierungen erstellen lassen und diese beliefen sich auf die damals bescheidene Summe von 25.000 Gulden. Da jedoch alle Fenster zu erneuern seien, müsste man mit Kosten von 40.000 Gulden rechnen. Esterházy schlug die Aufnahme eines Kredits vor.

Im Sommer 1766 schritt die Renovierung zügig voran, aber der ursprüngliche Kostenrahmen von 40.000 Gulden wurde sehr bald dramatisch überschritten. Der Kanzler Esterházy musste bereits am 28. August 1766 die Königin um die Zustimmung für die Aufnahme eines weiteren Kredits in der Höhe von 60.000 Gulden bitten. Maria Theresia schrieb eigenständig: “Noch weitere 40.000 Gulden, zu den üblichen Konditionen, wie die ersten – also zusammen 80.000”.

Ein Jahr darauf war das Geld aufgebraucht, diesmal wandte sich der Architekt Pacassi persönlich an die Königin um einen weiteren Kredit von 50.000 Gulden zu bekommen. Das Geld würde der Architekt für weitere Zimmer “die vergoldet sein müssen” verwenden. Die Königin schrieb am 14. Juli 1767, dass man schon sehr viel Geld und zwar zweimal mehr als veranschlagt gewährt hatte und doch Zustimmung gab für weitere 40.000 Gulden und etwas gereizt fügte sie bei: “Keine Vergoldungen, aber goldene Leisten, wie es jetzt bei Hof gemacht wird.”

Überall im Palast befinden sich Gemälde, die die Macht der Königin und Kaiserin darstellen / Bildnis von Königin Maria Theresia im Empfangssaal, unbekannter Künstler

Für die Hofkanzlei nur das Beste

Wichtige Eingriffe wurden im Inneren des Hauses vorgenommen: Erdgeschoss, Treppenhaus, Repräsentations- und Privatgemächer im ersten und zweiten Stock.

Pacassi stellte die besten Wiener Kunsthandwerker und hoftätige Dekorateure ein, um die Innenräume zu gestalten.

So arbeiteten Spitzenhandwerker an der Hofkanzlei: Vergolder Joseph Flügel und Matthias Landerer, Hoftischler Augustin Haunold, Bildhauer Wenzel Egger, Hafenermeister Johann Blaicher, Schöpfer eindrucksvoller Rokokoöfen und die pracht- und prunkvollen Rokokostukkaturen sind das Werk von Hofstukkateur Michel Bolla.

Maria Thereisa gestattete dem Hofkanzler im Sommer 1766 den Ankauf von Möbeln und Tapisserien, die von Fürst Paul Anton stammten. Die drei angekaufte Tapisserien stammten aus einer Brüsseler Manufaktur und stellten eine badende Venus, Bacchus und einen Vulkan dar.

Zwei Räumlichkeiten wurden durch die Ausstattung besonders hervorgehoben, die Audienzzimmer Esterházys die mit einem Gemäldezyklus mit sechs hochformatigen Ölbildern die Phasen der ungarische Krönung Maria Theresias darstellt, und das Kanzlerzimmer mit einem beeindruckenden Fresko von Franz Anton Maulbertsch.

Maler Franz Meßmer und Wenzel Pohl schufen die „Große Serie“ mit Darstellungen der ungarischen Krönung von 1741 und das Portrait Kaiser Joseph II.

An der Fassade der ungarischen Botschaft befindet sich eine Wappenkartusche die Jahrzahl 1767 ergibt

Über die Mittelachse des Piano Nobile wurde eine auf Ungarn bezogene Wappenkartusche und die lateinische Inschrifttafel in Form eines Chronogramms, das dieJahrzahl 1767 ergibt, angebracht: „Dies ist das Gebäude, geweiht für die zu beratenden und durchzuführenden Angelegenheiten Ungarns und für das große königliche Siegel, das eine neue Form bekommen hat, als die erhabene Königin Maria Theresia heil den Ihren wiedergegebenen wurde. Das glückliche Volk freut sich, Ungarn jubelt“. Die Tafel bezieht sich auf die Vollendung des Umbaus im Jahre 1767 und zu Ehren und als Dank zur Heilung von Maria Theresia, die eine schwere Pockenerkrankung überlebte.

Die Innenräume der ungarischen Hofkanzlei begeistern Besucher mit Prunksälen, vergoldetem Stuck, reich gehaltener Ausstattung, großen Spiegeln, Tapeten aus Seide, Bildern, Tapisserien und des gesamten Piano Nobile, das Flair der maria-theresianischen Epoche.

Nach einer gelungenen Gesamtrenovierung erstrahlte das Palais und dessen herrliches Interieur in neuem Glanz und wurde zum Zeichen einer vier Jahrhunderte währenden gemeinsamen Geschichte.

Wie viele damals glaubten, konnte die Ausstattung der Räume mit der des kaiserlichen Schloss Schönbrunn durchaus wetteifern.

An der Fassade der ungarischen Botschaft befindet sich eine Wappenkartusche die Jahrzahl 1767 ergibt

Siebenbürgische Hofkanzlei (Bankgasse 4)

Im Lauf der Geschichte waren die Häuser in der Bankgasse 4 und der Bankgasse 6 einmal eines und dann wieder getrennt. Sie waren Zeuge aller Veränderungen, für das Habsburger Reich, für das unabhängige Österreich, das historische Ungarn.

An diesem Ort wurde zwischen 1783 und 1790 versucht, zwischen König Josef II. und den ungarischen Ständen zu vermitteln. Hier wurde 1848 der Grundstein des ersten ungarischen Außenministeriums gelegt sowie verschiedene Sitzungen abgehalten, vom Reichrat bis zur Beratungen über die gemeinsamen Angelegenheiten der Monarchie.

Stiegen zum 1. Stock. Im Hintergrund das Porträt von Kaiser Franz 1

Fusion der beiden Palais

Das Gebäude der ungarischen Botschaft in der Bankgasse 4-6 besteht aus zwei Gebäuden, der Ungarischen Hofkanzlei (Bankgasse 6) und der Siebenbürgischen Hofkanzlei (Bankgasse 4), deren Bauwerke im Laufe der Geschichte von den großen Namen der damaligen Architektur beeinflusst wurden.

Die beiden Palais wurden im Jahren 1783 und 1784 nach dem Entwurf von Franz Hillebrand vereinigt und mit einer einheitlichen Fassade versehen. Das Gebäude präsentiert sich seither mit einer dreigeschossigen Straßenfront, die zwei Portalanlagen mit Balkonen und schmiedeeisernen Gittern sowie eine große Pilasterordnung aufweist; die Rückfront stammt noch aus dem 17. Jahrhundert.

Wenn Sie den Marmorsaal betreten, spüren Sie den Geist vergangener Epochen, barocker Empfänge und der Macht der Monarchie

Das ungarische Ministerium in Wien (1867-1917)

1867 veränderte sich das Habsburgerreich, es kam zur dualistischen Monarchie. Die zwei Reichteile Österreich und Ungarn wurden, was die Innenpolitik betraf, zu zwei unabhängigen Staaten, und die Außenpolitik und das Kriegswesen gehörten in die Zuständigkeit der gemeinsamen Regierung.

Alle politischen Veränderungen brachten in dieser Zeit keine Veränderungen an dem Gebäude in der Bankgasse 6 mit sich außer, dass im Jahr 1873 das Gebäude ins Eigentum des Ungarischen Fiskus kam.

Huldigung an das königliche Paar zum Millennium 1896. Ölfarbendruck der zerstörten Gemäldes von Gyula Benczúr (ende 19. Jh.)

Zwischen zwei Kriegen

Die letzten Sitzungen der ungarischen Delegation in Wien fanden im Dezember 1917 statt. Gleichzeitig mit dem Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie erloscht auch die Tätigkeit des königlichen ungarischen Ministeriums am allerhöchsten Hoflager.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Gebäude beschädigt, vor allem die oberen Stockwerke, die nach dem Krieg sorgfältig saniert wurden. Abgesehen vom damaligen politischen Aufruhr in Europa, stand das Gebäude in der Bankgasse 6 aufrecht und stolz, als Denkmal einer vergangenen Ära, die unter der Schirmherrschaft von Ruhm und Macht Jahrhunderte dastand.

Der prunkvolle Spiegelsaal
Preßburger Saal
Kachelofen, Preßburger Saal

Von der Hofkanzlei zur heutigen ungarischen Botschaft 

Von Mitte des 18. Jahrhunderts, als das Gebäude in der Bankasse 6 zu der ungarischen Hofkanzlei wurde, ist das Erscheinungsbild größtenteils heute noch das gleiche wie nach dem großen Umbau während der Zeit von Kanzler Esterházy im Jahr 1786.

Im „Ungarischen Palais“ finden heutzutage verschiedene, von der ungarischen Botschaft organisierte Veranstaltungen statt, wie Konzerte, Ballet- und Literaturabende, Ausstellungen, Modeschauen, Meetings, repräsentative Mittag- und Abendessen sowie verschiedene Empfänge, in den Innenräumen sowie im Innenhof, in dessen Mitte sich noch immer der Brunnen von Maria Theresia befindet.

Fresko von Franz Anton Maulbertsch/ Maria Theresia verleiht dem Palatin Ludwig Grafen Batthyány die Kollane des Großkreuzes. Im Hintergrund steht der Ordenskanzler Franz Graf Esterházy mit dem Statutenbuch

Maria-Theresien-Brunnen

Das prunkvolle Barockpalais wird mit der großzügigen Mäzenin Königin Maria Theresia, die Ihre Dankbarkeit für die militärische Hilfe der Ungarn im österreichischen Erbfolgekrieg auf diese Weise ausdrückte, immer wieder in Verbindung gebracht.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass bei jedem Schritt im Palast ein Stück Geschichte über die große Monarchin zu finden ist, wie Bilder und schriftliche Dokumente, oder Anekdoten und Geschichten, die noch heute erzählt werden, seien sie nun erfunden oder wahr.

Eine solche Geschichte besagt, dass Königin Maria Theresia regelmäßig nachts durch geheime unterirdische Gänge von der Burg zum Palais in der Bankgasse 6 kam, um Wasser aus dem Brunnen in Innenhof zu trinken, dem damals wundersame und heilende Kräfte zugeschrieben wurden.

Daher kam auch der Name des Brunnens im Innenhof des Palais – Maria-Theresien-Brunnen.

Maria-Theresien-Brunnen
Büro des Botschafters
Das Innere der ungarischen Botschaft dient heute noch als wunderschöne Kulisse für Konzerte mit klassischer Musik oder Ballett
Kürzlich wurde in der Botschaft eine Dokumentation über die gastronomischen Gewohnheiten der königlichen Familie gedreht, die im ORF-Fernsehen ausgestrahlt wurde und bei der Botschafter Andor Nagy in historischer Tracht an den Dreharbeiten teilnahm (l.)
Scene, ORF-Doku
Botschafter S.E. Andor Nagy zeigt den Besuchern gerne persönlich das Botschaftsgebäude und gibt sein Wissen stolz an die Zuhörer weiter (r.)

Text: Svetlana Nenadovic Glusac

Foto: Ungarische Botschaft in Wien