Anlässlich des bevorstehenden Weihnachtsfestes bringt Ihnen das Magazin Diplomacy and Commerce Austria eine exklusive Kolumne von Hermann Kroiher, Generalsekretär der UNCAV, der Vereinigung der UNO-Korrespondenten in Wien. Herr Kroiher war in der Vergangenheit zwölf Jahre lang Direktor der Österreich Werbung für Skandinavien und Finnland mit Sitz in Stockholm und erzählt uns viele Details und Geheimnisse des Weihnachtsmannes.
Die Reise, auf die uns der Autor in seiner Kolumne mitnimmt, geht von Lappland und den Polarkreis über ganz Skandinavien und den Nordpol bis nach Palästina und zu den Bergen Kirgisistans. Diese Geschichte beinhaltet eine Reise durch Geografie, Geschichte, Realität und Fiktion – Gute Reise!
Svetlana Nenadovic Glusac – Direktorin Diplomacy and Commerce Austria
Der Weihnachtsmann am Polarkreis
Weihnachten ist ein Fest des Friedens und der Freude, zumindest ist es so geplant, denn diese Magie ist allgegenwärtig. Dazu kommt die Romantik, die zur Einstimmung auf das große Fest auch in der Vorweihnachtszeit nicht fehlen darf. Überall gibt es Weihnachtsmärkte mit Ständen voller Geschenke für jeden Geschmack und angeblich jedes Portemonnaie, den Punsch und Glühwein riecht man – zumindest in den Alpenländern – schon von Weitem und dazwischen treten Turmbläser auf und ein Kinderchor singt stimmungsvolle Weihnachtslieder.
Nun ist aber Weihnachten auch mit Symbolfiguren verbunden und diese haben eigentlich nur eine Aufgabe: Geschenke zu bringen und Jung und Alt ins pure Glück zu stürzen. Dann passt es wieder mit dem Frieden in der Familie. Eine dieser Symbolfiguren ist der Weihnachtsmann, er hat große Ähnlichkeit mit gleichgesinnten Gabenbringern auf der ganzen Welt. Ob nun Väterchen Frost, Père Noël, Santa Claus, Babbo Natale, Sinterklaas, das Christkind oder der liebe Nikolaus und sein Helfer Knecht Ruprecht, oder gar der Krampus schon im Vorfeld am Werk ist, ist eigentlich sekundär.
Aber bleiben wir beim Weihnachtsmann. Woher kommt er eigentlich und wo wohnt er? So genau weiß man es noch immer nicht, aber eines ist klar. Er wohnt weit im Norden, nicht mehr weit zum Nordpol, die Landschaft ist tief verschneit und es ist dort lange finster und kalt. Genau diese Voraussetzungen erfüllt Rovaniemi, eine finnische Kleinstadt in Lappland am Polarkreis.
Der Legende nach ist er der Nachfolger des Heiligen Nikolaus von Myra. Der Weihnachtsmann ist verheiratet und hat viele kleine Weihnachtswichtel (Tonttus), die in der Werkstatt damit beschäftigt sind, das ganze Jahr über Weihnachtsgeschenke anzufertigen.
Für die Finnen kann der Weihnachtsmann (auf finnisch „joulupukki“) nur in Finnland wohnhaft sein, zumindest wird es so in einem Märchen des populären Rundfunksprechers Markus Rautio in den 1920er Jahren erzählt. Nach seinem Weihnachtsmärchen wohnt der Weihnachtsmann im Berg Korvatunturi im Norden Finnlands, der Berg hat die Form eines Ohres, in dem er die Wünsche der Kinder aus aller Welt hören kann. Da dieser Berg an der russischen Grenze aber zu weit abgelegen war, wurde der Einfachheit halber Rovaniemi zum zweiten Wohnsitz des Weihnachtsmannes erklärt. So etwas geht eben nur im Märchen.
Damit der Weihnachtsmann auch umsichtig und effizient agieren kann, hat man ihm gleich ein ganzes Weihnachtsdorf gebaut und es steht mittlerweile seit 1985 direkt am Polarkreis. Dort residiert er nun, der Weihnachtsmann, ehrfürchtig und vertrauenserweckend dreinschauend mit weißem Bart und rotem Mantel aus Samt, weißen Handschuhen, Zipfelmütze und schwarzen Stiefeln. Nicht nur zur Weihnachtszeit und die Wochen davor, nein, das ganze Jahr über macht er Dienst am Polarkreis.
Der Weihnachtsmann hat natürlich auch ein eigenes Postamt. Post bekommt er aus der ganzen Welt, mittlerweile sind es fast 200 Länder, aus denen Wünsche und Anliegen kommen. Die Zahl der jährlich einlangenden Briefe, Karten und zu beantwortenden Wunschzetteln geht inzwischen in die Millionen. Aber der Weihnachtsmann geht auch mit der neuesten technischen Entwicklung und den Anforderungen der Zeit und hat sich in der Kundenkommunikation angepasst. Er beantwortet Briefe von Kindern aus der ganzen Welt in allen Sprachen per Email, über soziale Medien wie Facebook oder Twitter, aber auch noch auf dem ganz normalen Postweg.
Als Weihnachtsmann hat man nicht nur einen langen Arbeitstag und eine überlange Saison, sondern auch irdische Probleme, die einem das Alltagsleben schwer machen können. So bekam eine der “Weihnachtsmann-Firmen” 2015 mit dem Finanzamt Schwierigkeiten. Es hatten sich Steuerschulden in der Höhe von ca. 200.000 Euro angehäuft und die für Weihnachtsmann-Folklore zuständige Betreibergesellschaft Dianordia mußte Insolvenz anmelden. Der finnische Fiskus wollte nicht länger auf Kosten der Steuerzahler Geschenke machen. Man startete über Facebook eine Sammelaktion und Santa Claus konnte letztlich gerettet werden. Zu schaffen machte der Gesellschaft vor allem der Rückgang der Gäste aus dem nahen Russland (diese machten 20 Prozent des gesamten Umsatzes aus) und das Ausbleiben von Besuchern aus anderen zahlungskräftigen Herkunftsländern.
Es gab noch weitere irdische Probleme. Santa hat im eigenen Ort schon längst mit dem „Santa Claus Holiday Village“ Konkurrenz bekommen. Beide Attraktionen liegen nahe beieinander und für Außenstehende ist es nicht einfach, den Durchblick zu behalten. Der Manager des „Villages“ hatte die Sorge, daß sein Unternehmen, das jährlich etwa 300.000 Besucher zählte, von potentiellen ausländischen Besuchern mit seinem Konkurrenten verwechselt werden könnte.
Weihnachten ist schon längst nicht mehr ein Fest der Sinne sondern des Geschäftes und so ist auch der Weihnachtsmann aus Rovaniemi verstärktem internationalen Wettbewerb ausgesetzt. Allerdings nicht nur aus dem eigenen Land, sondern auch aus den skandinavischen Nachbarländern. Schweden, Norwegen, Island, Dänemark und auch Grönland reklamieren ebenfalls für sich, die Heimat des Weihnachtsmannes zu sein. Nur eines ist klar: am Nordpol soll er nicht wohnen, auch wenn das Hollywood gerne behauptet.
Bei einem Sommerkongress von ca. 130 Weihnachtsmännern (im Winter herrscht ja Vollbeschäftigung) im Jahr 1995, bei 28 Grad im Schatten in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen, machte Finnland schon im Vorfeld Exklusivrechte geltend und boykottierte das Treffen, worüber die anderen Länder mächtig empört waren. Die dänischen Organisatoren wollten die Finnen sogar aus der Zunft rauswerfen.
Eine engagierte Bürgergruppe beantragte ungeachtet des internen Streits in der Europäischen Union, Finnland als den einzig wahren Wohnort des Weihnachtsmannes anzuerkennen. Aber nur das baltische Estland, in dem der Weihnachtsmann nach wie vor aus Finnland kommt, signalisierte Unterstützung.
Das nächste Problem ließ nicht lange auf sich warten. Der Weihnachtsmann agiert weltweit und so drang auch die Kunde aus dem fernen Bethlehem bis in die Heimat des Weihnachtsmannes, dass wegen der Abriegelung des Westjordanlandes durch Israel für die gewohnte Weihnachtsdekoration nicht genügend Geld zur Verfügung stünde. Das ließ die Menschen am Polarkreis nicht ruhen, und sie schickten eine 14 Meter hohe Tanne auf Reisen. Der Weihnachtsbaum kam allerdings nur bis in die israelische Hafenstadt Haifa und dort erst einmal in Quarantäne. Ein Sprecher der lokalen Behörden meinte, der Baum könne Krankheiten verbreiten und die Bäume in der ganzen Gegend schädigen. Aber was sollte dann mit den 11.000 elektrischen Christbaumkerzen geschehen? Auch die mussten in Haifa bleiben, angeblich wegen technischer Probleme.
Inzwischen schmückten die Palästinenser einen eigenen Baum mit bescheidenen Mitteln. Immerhin gab es aber eine tröstliche Mitteilung: der finnische Weihnachtsmann durfte als einziger unbeanstandet nach Bethlehem reisen und dort am Heiligen Abend (24.12.1996) Süßigkeiten an die Kinder in der Geburtsstadt Jesu verteilen.
Geschenke sind nun einmal ein wesentlicher Teil des Festes, und der Weihnachtsmann als Gabenbringer ist in diesem Zusammenhang nicht wegzudenken. Es ist eine Herausforderung bis zur letzten Minute. Der Weihnachtsmann ist ein weiser, alter Mann mit jahrelanger Arbeitserfahrung im
Logistikbereich. Aber wie bewältigt er eigentlich die orts- und fristgerechte Paketzustellung? Normalerweise ist der Weihnachtsmann mit seinem Rentierschlitten mit durchschnittlich 40 km/h unterwegs, wenn er es eilig hat, und das kommt oft vor, dann steigt er kurzfristig auf ein Snowmobil um, das schafft bis zu 150 km/h.
Nun hat aber die schwedische Beraterfirma SWECO den Streit, woher der Weihnachtsmann auf seinem schwer mit Paketen beladenen Rentierschlitten eigentlich genau kommt und wo er sein Lager hat, auf sehr originelle Weise gelöst. Er kommt nämlich weder aus Finnland und schon gar nicht aus der Spraglebugten Bay in Uummannaq an der Westküste von Grönland, sondern – man höre und staune – aus Kirgisistan.
Das Unternehmen rechnete nämlich aus, daß der optimale Logistik-Standort für ein überregionales Verteilerzentrum von Kindergeschenken in einem Bergmassiv im Norden des zentralasiatischen Landes liegt. Von dort aus bleiben ihm 48 Stunden Zeit, wenn er entgegen der Drehrichtung der Erde unterwegs ist, außerdem müsse er von Kirgisistan aus weniger Umwege machen. Je nachdem welche Nation bzw. Familie an welcher Tradition und Weihnachtsgeschichte festhält, gestaltet der Weihnachtsmann die Paketzustellung zeitlich und räumlich flexibel.
Berücksichtigt wurden beim Ausrechnen der idealen Weihnachtsmann-Basis demographische und physikalische Parameter wie die Verteilung der minderjährigen Weltbevölkerung oder die Rotationsgeschwindigkeit der Erde. In geschätzten 600 Millionen Haushalte mit vier Personen und bei insgesamt 2,5 Milliarden Kinder hat der Weihnachtsmann pünktlich die Pakete abzuliefern. Dazu müssen die Rentiere vor dem Schlitten mit 5.800 Kilometern pro Sekunde um den Erdball sausen. Aufhalten darf sich der Weihnachtsmann nirgends lange, er hat genau 34 Mikrosekunden (1 Sekunde = 1 Million Mikrosekunden) Zeit, die Geschenke zu hinterlegen.
Allerdings hat die ganze Sache noch einen Haken: der tonnenschwere mit Geschenken beladene Schlitten des Weihnachtsmannes gerät bei so einer hohen Geschwindigkeit wegen des starken Luftwiderstandes in Brand, er würde sich demnach innerhalb von 4,26 Tausendstel-Sekunden auflösen. Aber es wäre ja nicht der Weihnachtsmann, wenn er nicht auch dieses Problem lösen würde.
Rovaniemi ist aber nicht nur die Stadt des Weihnachtsmannes, es hat mehr zu bieten und eine sehr bewegte Geschichte.
Besiedelt wurde die Gegend erstmals nach dem Rückzug der Gletscher gegen Ende der letzten Eiszeit zwischen 7000 und 5800 v. Chr., ab dem 3. Jahrtausend v.Chr. entstand durch die Vermischung der steinzeitlichen Urbevölkerung und der einwandernden Finno-Ugrier die samische Bevölkerung Lapplands, die auch in Rovaniemi lange vorherrschend blieb. Im Hochmittelalter verstärkte sich der Einfluß des Schwedischen Reiches in Lappland. Nach den Bestimmungen des Vertrags von Nöteborg von 1323 gehörte das Gebiet nominell zum Machtbereich Nowgorods. Durch den Bau der Eisenbahn 1909 erhielt Rovaniemi einige Bedeutung und 1929 erlangte das Gemeindezentrum von Rovaniemi als Marktflecken (kauppala) die kommunale Selbstständigkeit.
Im Winterkrieg von 1939 griff die Sowjetunion Finnland an. Im darauffolgenden Fortsetzungskrieg von 1941 bis 1944 war Rovaniemi ein Zentrum der deutschen Führung und Logistik in Lappland. Nach dem Seitenwechsel Finnlands zog die Wehrmacht unter Anwendung der Taktik der verbrannten Erde ab und zerstörte die aus Holzhäusern bestehenden Stadt Rovaniemi. Von 1945 bis 1952 wurde die Stadt nach Plänen des Architekten Alvar Aalto wieder aufgebaut. Gemeinsam mit den Architektenkollegen Viljo Revell und Yrjö Lindegren entwarf er 1945 den neuen Grundriss der Stadt Rovaniemi in Form eines Rentiergeweihs. Eine Attraktion ist das am Ufer des Flusses Ounasjoki gelegene und 1992 eröffnete Museum Arktikum. Es ist sowohl Museum als auch Zentrum der Wissenschaft und besteht aus zwei Institutionen, dem Provinzmuseum von Lappland, sowie dem Arktischen Zentrum. Ebenfalls sehenswert ist die 1989 fertiggestellte Jätkänkynttiläsilta (Holzfällerkerzenbrücke) im Nordwesten der Stadt.
Auch touristisch ist Rovaniemi mitsamt seiner Umgebung das ganze Jahr über eine interessante und viel besuchte Destination. Doch gerade in der Winterzeit bietet die Gegend viele Attraktionen, die es eben nur in Gebieten am Polarkreis geben kann. Das reicht von Hundeschlittenfahrten, Besuchen bei Samenfamilien, Rentierschlittenfahrten, eine Überlandfahrt mit dem Snowmobil bis zu unvergesslichen Nächten in einem Eishotel. Eine außergewöhnliche Besonderheit ist das Nordlicht, auch Polarlicht genannt. Dieses Naturschauspiel kann man nur im Winter in Gegenden um den Polarkreis bewundern.
Winter Renntierrennen Poro-Cup
Wer gegen Ende des Winters in der Gegend ist, sollte sich aber auf keinen Fall ein Rentierrennen entgehen lassen. So ein Rennen ist nicht nur ein farbenfrohes Spektakel, sondern hat auch einen hohen Erlebnis- und Unterhaltungswert.
Rentierrennen werden in Finnland seit 1932 veranstaltet, die Tiere werden professionell ausgebildet und betreut, von Frühjahr bis Herbst verbringen sie ein normales Rentierleben in freier Natur.
Der Finnische Renntierwettbewerbsverband veranstaltet jährlich den Poro-Cup, ähnlich wie im Autorennsport oder bei alpinen Skirennen gibt es hier allerdings nur fünf Veranstaltungen, bei dem das Tier mit den meisten Punkten gewinnt. Der Sportler, ausgerüstet mit Sturzhelm und Alpin- bzw. Langlaufskiern, hängt sich mit Zügeln an das Rentier an und galoppiert bei Gruppenrennen über eine Distanz von 1.000 Metern, in Einzeldisziplinen beträgt die Streckenlänge 1.000 bzw. 2.000 Meter.
Rovaniemi wird am 19. und 20.Februar 2022 Austragungsort dieses sportlichen Spektakels sein.
Eines ist aber sicher: eine Reise in den Norden Finnlands bleibt auf jeden Fall ein unvergessliches Erlebnis.