Andy Warhol bis Damien Hirst. The Revolution in Printmaking ist der zweite Teil des großen Terzetts rund um die Geschichte der Druckgrafik, die die ALBERTINA in diesem Jahr zeigt. Dabei ist diese Präsentation in der ALBERTINA MODERN eine Ausstellung besonderer Art. Der Print nach 1960 unterscheidet sich radikal von der Druckgrafik der fünf vorangegangenen Jahrhunderte.
Die druckgrafische Sammlung der Albertina spiegelt die internationale Kunstentwicklung mit ihren vielfältigen Strömungen anhand herausragender Beispiele wider. So sind die amerikanische Pop und Minimal Art mit Andy Warhol, Robert Rauschenberg, Roy Lichtenstein und Donald Judd im gleichen Maße vertreten wie die Künstler des deutschsprachigen Raums mit Georg Baselitz, Jörg Immendorff, Anselm Kiefer und Franz Gertsch. Der Bogen spannt sich bis zu jüngeren Künstlerinnen wie etwa Christiane Baumgartner und Michaela Konrad. Dabei wird dem zeitgenössischen Umgang mit traditionellen Techniken wie etwa dem Holzschnitt ebenso viel Aufmerksamkeit gewidmet wie dem innovativen Gestalten mithilfe neuer drucktechnischer Möglichkeiten.
Drei wesentliche Elemente machen die Revolution nach 1960 im Besonderen aus: Das Prinzip der Serialität und Repetition, das für das Werk von Andy Warhol, Chuck Close und Donald Judd typisch ist. Die Monumentalisierung der Druckgrafik stellt ebenso eine wichtige Erneuerung dar, die bei Anselm Kiefer und Franz Gertsch über Georg Baselitz bis hin zu Christiane Baumgartner oder Gert und Uwe Tobias zu sehen ist.
Schließlich der Siebdruck als neue Technik, der gewissermaßen die Basis dieser Entwicklungen schafft. Die Realität – in Magazinen und Tageszeitungen ständig reproduziert und wiederholt – wird nun als Kunstwerk präsentiert. Die Arbeiten entstehen nicht mehr nach dem Modell oder vor der Natur, sondern in Auseinandersetzung mit der bereits fotografierten Wirklichkeit. Realität wird nicht mehr nachgeahmt, sondern abgedruckt. Durch die Abkehr der Kunst vom Grundsatz, sie sei ‘Nachahmung der Natur’ war die Realität aus der Kunst verschwunden. Mitte des 20. Jahrhunderts Jahrhunderts taucht sie nun plötzlich in der Pop Art wieder auf, allerdings auf eine medial vermittelte Weise.
Der Siebdruck
Andy Warhol nimmt mit der Technik Einsatz des Siebdrucks für die serielle Produktion eine zentrale Rolle in der Entwicklung der Druckgrafik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein. In Anlehnung an industrielle Vorgänge soll der Herstellungsprozess von Kunstwerken mittels Siebdruckverfahren wie am Fließband ablaufen. Industriell gefertigte Massenware – wie die Campbell soups, die in jedem Haushalt zu finden war – wird ebenfalls industriellmechanisiert reproduziert; dabei verschwindet der Künstler bzw. die Künstlerin, wie in der Industrie der individuelle Arbeiter namenlos bleibt. Vergleichbar der Arbeit in einer Fabrik erfolgt nun die Kunstproduktion. In diesem Zusammenhang nennt Warhol sein Atelier auch Factory.
Die Monumentalisierung der Druckgrafik
Die zeitgenössische Kunst arbeitet mittlerweile ganz selbstverständlich mit riesigen Formaten – eine Arbeitsweise, die sich erst in den letzten Jahrzehnten etabliert, ausgehend von New York nach dem Zweiten Weltkrieg. Viele Künstler versuchen, ihrem eigenen Schaffen Platz und Raum zu geben, unter Zuhilfenahme des Großformats den Blick des Betrachters anders zu lenken und den Werken eine gänzlich neue Erscheinung zu verleihen. Aufseiten des Betrachters bringt das große Format eine Veränderung der Wahrnehmung mit sich. Meist wurden diese Werke zudem in kleineren Räumen präsentiert, um eine intensive ästhetische wie moralische Auseinandersetzung mit dem Thema zu veranlassen.
Das Prinzip der Serialität
Repetition wird in den 1960er Jahren zum künstlerischen Prinzip erhoben. So entstehen auch Warhols weithin bekannte Porträtserien berühmter Persönlichkeiten, die durch ihren außergewöhnlichen Farbkosmos bestechen: In grellen Farbkombinationen und knallig bunten Kontrasttönen werden die Motive in immer neuen Abfolgen variiert. Warhol thematisiert die in den 60er Jahren geführte Debatte über die Abschaffung der Todesstrafe mit seiner Serie Electric Chair. Auch den kontroversen chinesischen Diktator Mao Tse-tung porträtiert er, doch er tut dies stets in starken Neonfarben, die den Kontrast zu diesen düsteren Themen unterstreichen. Wie kaum eine andere Sammlung weltweit vermag die ALBERTINA aufgrund ihrer umfangreichen Bestände und herausragenden Sammlungsgeschichte nicht nur die letzten fünf Jahrhunderte, sondern insbesondere die letzten fünf Jahrzehnte in einer umfassenden Präsentation, wie dieser, nachzuzeichnen.