“Was sind wir Menschen doch! Ein Wohnhaus grimmer Schmerzen,
Ein Ball des falschen Glücks, ein Irrlicht dieser Zeit,
Ein Schauplatz herber Angst, besetzt mit scharfem Leid,
Ein bald verschmelzter Schnee und abgebrannte Kerzen”.
Andreas Gryphius
Vereinsamimung, verbrannte Haut, entstellte Gesichter. Ofer Lellouche stellt den Menschen auf ebenso mystische wie radikale Weise dar. Das Weltbild des 1947 in Tunis geborenen und nach seinem Pariser Studium seit 1966 in Israel lebenden Künstlers ist geprägt von der Erfahrung der Bedrohung, Verfolgung, Auslöschung. Lellouche wirft die älteste, universell gültige Frage auf: “Was ist der Mensch?”
Vor dem Hintergrund jahrtausendelanger Verfolgung ist es jedoch in der Geschichte des jüdischen Denkens – leider bis heute – von besonderer Stellung und Brisanz. Lellouche nähert sich dem Thema auch vor dem Hintergrund seiner eigenen multikulturellen Identität: Das ‘Warum’ steht seit jeher im Zentrum jüdischen Denkens. Sei es in Bibel oder Talmud: Im Hebräischen teilt sich das existentielle Fragewort denselben Zahlenwert wie das Wort für Mensch (Adam), um auf die bestehende, enge – und ewiggültige – Verbindung der beiden Worte hinzuweisen.
Das Selbstporträt und der menschliche Korpus sind die wichtigsten Themen von Lellouches’ Œuvre. Seine Körper sind nackt und entblößt wie Gott sie schuf. Wie oder warum sie entstellt wurden, bleibt in kafkaesker Weise ein Geheimnis. Auswege oder eine mögliche Befreiungsikonografie bietet Lellouche nicht: Seine düster und bedrohlich wirkenden Figuren blicken uns teilnahmslos an – und scheinen gerade dadurch eine umso durchdringendere Präsenz zu entfalten.
Lellouche begann in den 1970er-Jahren mit Videokunst und Malerei zu experimentieren und hat sich im Laufe seiner Karriere mit den verschiedensten Medien beschäftigt, darunter Zeichnung, Skulptur, Radierung und Holzschnitt.
Von wesentlicher Bedeutung für den Entstehungsprozess seiner Werke ist die Einheit von Inhalt und Form: Statt einem beliebigen Medium eine abstrakte Idee aufzuzwingen, bestimmen die spezifischen Merkmale beispielsweise eines Holzschnitts, einer Metallplatte oder eines Bronzegusses bewusst das Endergebnis der Arbeit.
Klaus Albrecht Schröder