S.E. Botschafter von Großbritannien in Österreich Herr Leigh Turner, Interview
Botschafter Ihrer königlichen Hoheit des Vereinigten Königreichs S.E. Leigh Turner hatte zu Beginn seiner diplomatischen Karriere ein Mandat in Wien, gefolgt von Moskau, Berlin, Kiew und Istanbul. Seit 2016 ist Herr Turner erneut britischer Botschafter in Wien.
Die Unverwechselbarkeit dieses Diplomaten spiegelt sich im britischen Humor wider, aber auch in seiner Einzigartigkeit. Zum Beispiel, beim Neujahrsempfang der Diplomaten in der Hofburg, wo die diplomatischen Vertreter von 129 Staaten auf Einladung des Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen kamen, kam S.E. Turner im Kilt und auf dem Fahrrad, begleitet von seiner dänischen Kollegin und das sogar im Regen.
S.E. Botschafter Turner ist sehr aktiv in sozialen Netzwerken, insbesondere auf Twitter, Instagram und Youtube, wo er seinen Anhängern über seine Arbeit berichtet, aber auch seine Eindrücke von Kunst und den Ausstellungen, die er besucht, teilt. Er hat sogar seine Hashtag-Serie namens #keenonwien, wo er seine Lieblingsorte in der Stadt dokumentiert.
Das aktuelle Thema für alle Briten, insbesondere für alle britischen Diplomaten auf der Welt, ist der Brexit. Daher haben auch wir mit Herrn Turner angefangen, über dieses Thema zu sprechen.
Die Ausgabe des Magazins “The Economist” “World in 2019” hat drei mögliche Szenarien für den Brexit vorhergesagt. Wie sehen Sie eine mögliche Auflösung in diesem Moment?
Die Position der britischen Regierung ist klar – wir wollen, dass es einen geregelten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU gibt, der sicherstellt, dass die zukünftigen Beziehungen zwischen dem UK und der EU so eng wie möglich sind. Das betrifft die wirtschaftliche Zusammenarbeit ebenso wie die Wissenschaftskooperation, den kulturellen Austausch, Sicherheitsfragen und natürlich die zahllosen Verbindungen zwischen Briten und Österreichern auf allen Ebenen. Es gibt etwa 11.000 Briten hier in Österreich und rund 25.000 Österreicher im Vereinigten Königreich. Sicherzustellen, dass sie alle – egal wie der Brexit ausgeht – weiter dort, wo sie jetzt leben, arbeiten und studieren, ist unsere oberste Priorität. Noch laufen die Verhandlungen, aber aus Sicht der Regierung gibt es Zuversicht, dass wir zu einer guten Lösung kommen werden.
Als Botschafter in Wien sind Sie den Ereignissen im westlichen Balkan nahe. Wie sehen Sie die Zukunft dieser Region, die mit dem Erbe des Krieges der neunziger Jahre noch nicht abgebrochen hat?
Der Westbalkan ist eine sehr dynamische Region, dem das Vereinigte Königreich große strategische Bedeutung zumisst. Wirtschaftlich und politisch gibt es großes Entwicklungspotenzial. Wir arbeiten in diesen Fragen auch eng mit Österreich zusammen und haben im Rahmen des Berlin Prozesses vergangenes Jahr ein Treffen für Wirtschaftsministerinnen und Wirtschaftsminister aus der Region veranstaltet.
Der britische Botschafter in Belgrad, Herr Denis Keefe, erzählte uns oft auf unseren Konferenzen, wie sehr sich die Diplomatie seit dem Aufkommen sozialer Netzwerke, vor allem von Twitter, das für viele Staatsmänner zum grundlegenden Kommunikationsmittel wurde, verändert hat
Als Botschafter muss man heute auch ein guter Kommunikator sein. Ich selbst nutze Social Media schon seit vielen Jahren. Als Botschafter in der Ukraine habe ich viele Blogs verfasst, die teilweise eins zu eins von ukrainischen Zeitungen abgedruckt wurden. Als Generalkonsul in Istanbul war vor allem Twitter mein Medium und ich konnte binnen kurzer Zeit tausende von Followern gewinnen, die sich über meine Arbeit informieren wollten. Beide Kanäle betreibe ich auch hier in Wien intensiv weiter. Zusätzlich mache ich viele Youtube Videos und habe auch eine Präsenz auf Instagram aufgebaut. Ich finde es sehr wichtig, insbesondere mit jungen Menschen in Kontakt zu sein, die vielleicht nicht so oft mit Diplomatie zu tun haben und ihnen zu vermitteln, was ein Botschafter eigentlich den ganzen Tag macht. Ich habe zum Beispiel eine Hashtagserie namens #keenonwien gestartet, wo ich meine Lieblingsorte in der Stadt dokumentiere. Viele Menschen sprechen mit darauf an, das schafft eine psotivie Atmosphäre.
In diesem Jahr wird Europa drei bedeutende Jubiläen feiern – 100 Jahre seit dem Vertrag von Versailles, 80 Jahre seit Beginn des Zweiten Weltkriegs und 30 Jahre seit dem Fall der Berliner Mauer. Alle drei Ereignisse haben die Zukunft Europas maßgeblich beeinflusst. Wie sehen Sie Europa heute im Kontext dieser drei Jubiläen?
Die Jubiläen zeigen, das Europa mehr ist als die EU. Europa ist eine Wertegemeinschaft, die für Frieden und Stabilität steht. Auch nach dem Brexit wird das Vereinigte Königreich weiterhin ein Teil dieser Gemeinschaft sein. Wir verlassen zwar die EU, aber wir verlassen nicht Europa. Verstärkte politische Integration hat die britische Bevölkerung im Brexit Referendum abgelehnt. Aber niemand stellt das gemeinsame Wertefundament in Frage. Die Ereignisse der letzten Jahre, sei es in der Ukraine oder in Syrien haben gezeigt, dass man Frieden nicht als selbstverständlich hinnehmen darf und, dass wir weiterhin gemeinsam daran arbeiten müssen, unsere demokratischen Grundwerte zu verteidigen. UK wird in dieser Frage immer ein verlässlicher europäischer Partner bleiben.
Im Jahr 1921 fuhren die britischen Schiffe HMS Glowworm und HMS Cardiff den letzten Kaiser der österreichisch-ungarischen Monarchie Karl und die Kaiserin Zita mit ihren Kindern aus Ungarn ins Exil auf Malta und dann auf Madeira. Wie sehen Sie das kulturelle und politische Erbe der österreichisch-ungarischen Monarchie 100 Jahre nach ihrem Verschwinden?
Ich habe oft den Eindruck, dass viele Menschen in Österreich die Monarchie mit positiven Assoziationen verbinden. Wir merken auch das große Interesse, dass der britischen Monarchie entgegengebracht wird. Ich denke, es gibt für die Menschen hier viele Gründe, um stolz zu sein, auf die Errungenschaften der Donaumonarchie. Es war ein multikulturelles Imperium von beeindruckender Größe, mit richtungsweisenden Infrastrukturprojekten und Modernisierungsinitiativen. Der architektonische Glanz von Wien, Budapest und anderen Städten zeugt noch heute von den damaligen Leistungen. Der Lauf der Geschichte ging dann aber in eine andere Richtung. Geschichtsbewußtsein ist in der heutigen Zeit aber wichtiger denn je.
Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptpotenziale der Zusammenarbeit zwischen dem Vereinigten Königreich und Österreich im Jahr 2019?
Die bilateralen Beziehungen mit Österreich sind sehr eng. Es gibt rund 250 österreichische Unternehmen, die Vertretungen in UK eröffnet haben. Die allermeisten tun das auch vor allem deshalb, weil UK mit seinen 65 Millionen Einwohnern und seinem annähernd gleich grossen Druchschnittseinkommen ein sehr interessanter Markt ist. Besonders stolz sind wir auf die Wissenschaftszusammenarbeit. Trotz Brexit ist die Zahl der EU Austauschstudierenden in UK im vergangenen Jahr um rund 2% gestiegen. Für Österreichische Studierende ist UK mittlerweile die drittbeliebteste Destination. Diesen Austausch wollen wir weiter fördern.
(Svetlana Nenadovic Glusac)