Während die Fotografie heute fast jede Art von Publikation dominiert, gerieten die Ursprünge dieses Zusammenwirkens in Vergessenheit: Der Weg des Fotos ins Buch gestaltete sich lang und war von zahlreichen technischen Problemen begleitet, umso erstaunlicher sind die unterschiedlichen kreativen Lösungsvorschläge der Pioniere.
Originalfotografien, Probedrucke oder Buchmaquetten (originale Buchentwürfe) aus den Sammlungen der ALBERTINA eröffnen einen neuen Blick auf einen bisher unbeachteten Aspekt österreichischer Kulturgeschichte, der durch vielfältige Querverbindungen zwischen wissenschaftlicher Neugier, industriellen Interessen, künstlerischen Experimenten und einer dem Projekt Aufklärung verpflichteten Bildungspolitik gekennzeichnet ist.
In der Ausstellung mit rund 300 Exponaten aus den Jahren von 1840 bis 1940 entwickelt sich ein außergewöhnliches Panorama innovativer Leistungen entlang von Prachtbänden und Werbebroschüren, Reiseberichten und wissenschaftliche Atlanten, Künstlerentwürfen und Industriedokumentationen. Ein breites Spektrum früher Fotobände in Österreich präsentiert hier erstmals faszinierende Kombinationen aus überzeugender Fotografie, raffinierter Buchgestaltung und handwerklicher Perfektion. Die Publikation der Ausstellung verfolgt den Weg des Fotos ins Buch weiter: auf über 200 Seiten eröffnen sich anhand von umfassenden Texten und maßstabsgetreuen Faksimiles spannende historische Relationen zwischen Text, Bild und Buchobjekt.
Das Aufkommen der Fotografie 1839 inspirierte bereits ihre frühesten Kommentatoren zu vielversprechenden Zukunftsvisionen, die das Medium von Beginn an mit dem Buch in Verbindung brachten. Man verglich die Erfindung der Fotografie mit der des Buchdrucks, als die massenweise Vervielfältigung der Lichtbilder noch in weiter Ferne lag. Man sah das revolutionäre Potential nicht nur in der detailgetreuen Abbildung ohne menschliches Zutun, sondern auch in der maschinellen Reproduzierbarkeit, deren Entwicklung aber noch in den Kinderschuhen steckte.
Dennoch war die Suggestion der fotografischen Abbildung als authentisch und untrüglich so groß, dass man auch im gedruckten Buch nicht auf das neue Medium verzichten wollte. Man behalf sich mit Abbildungen nach Fotografien, also Lithografien oder Holzstichen.
Ab 1857 erschienen Bücher mit eingeklebten Fotografien zur Illustration der Texte. Die Auftraggeber stammten vor allem aus der innovativen Wissenschaft und der expandierenden Industrie, es gab aber auch privat produzierte Bände als luxuriöse Erinnerungsstücke. Von Auflagenhöhen, wie sie die Druckerpresse ermöglicht und damit eine Revolution der Verbreitung von Schriften eingeleitet hatte, war dies weit entfernt und sollte dies auch bleiben.
Es folgen Jahrzehnte von institutionell betriebenen Versuchen, die Fotografie druckfähig zu machen und damit das „Ei des Kolumbus“ (Ludwig Schrank, 1864) zu finden. In dieser Phase entwickelten sich Edeldruckverfahren, die hochwertige Bildreproduktionen erlaubten und damit den von allen Forschern langgehegten Wunsch erfüllten, umfassende Bildatlanten mit detaillierten fotografischen Abbildungen zu publizieren und auf diese Weise authentisches vergleichsmaterial für die Forschung zu schaffen.
Die definitive „Professionalisierung“ des Fotodrucks in Österreich fand an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt (GLV) unter Direktor Josef Maria Eder statt. Ihr ist der Schwerpunkt der Ausstellung gewidmet. Rasch wurden fotografische Bilder in die raffiniert gestalteten Bücher des Wiener Jugendstils einbezogen.
1914 wurde in Leipzig die Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik veranstaltet, für die Josef Hoffmann einen Österreichpavillon entwarf und damit die Bedeutung des Buchgewerbes in der Monarchie in zeitgemäßer Form feierte. Der Erste Weltkrieg, durch den die Ausstellung vorzeitig endete, brachte zwar noch ein eigenes Genre illustrierter Bände hervor, markierte aber zugleich das Ende der Ära der Prachtausgaben.
Eine weitere Verbesserung der Möglichkeiten, Fotografien zu drucken erlaubte in der Zwischenkriegszeit endlich die Produktion kostengünstiger Bildbände. Erstmals wurden farbige Schutzumschläge mit fotografischen Motiven entworfen – und damit eine gänzlich neue Ära auf dem Büchermarkt eingeleitet. Zugleich löste sich die Fotografie aus ihrer Funktion als begleitende Textillustration oder als Speicher „authentischer“ Sachinformation. Sie gewann im avantgardistisch gestalteten „Fotobuch“ eine neue Qualität: Hier wurden die Lichtbilder bewusst aneinander gereiht oder gegenübergestellt, in klarem Miteinander zwischen Bild und Text sind die Fotografien etwa im Jubiläumsband der Wiener Werkstätte (1929) oder in Stefan Kruckenhausers Du schöner Winter in Tirol (1937) in bisher ungeahnter Qualität zu erleben.
28. Juni – 22. September 2019
Albertina, Albertinaplatz 1, 1010 Wien
Täglich | 10 bis 18 Uhr
Mittwoch & Freitag | 10 bis 21 Uhr