Traditioneller Neujahrsempfang für das Diplomatische Korps bei Bundespräsident Van der Bellen (FOTO)

Pandemiebedingt fand die letzten zwei Jahre der traditionelle Neujahrsempfang des Bundespräsidenten für das Diplomatische Korps virtuell statt. Nach zweijähriger Pause war es endlich wieder soweit:

Am Dienstag, 14. Februar, lud der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen internationale Diplomaten und Diplomatinnen zum traditionellen Neujahrsempfang für das Diplomatische Korps in die Hofburg ein.

Nach einer langen, persönlichen Begrüßung jedes Diplomaten durch Präsident Van der Bellen folgte der offizielle Teil, in dem Präsident Van der Bellen die Versammelten im wunderschönen Zeremoniensaal der Hofburg begrüßte:

Hochwürdigster Apostolischer Nuntius,

sehr geehrter Herr Bundesminister Schallenberg,

Exzellenzen

Meine Damen und Herren

Ich danke Ihnen, Hochwürdigster Apostolischer Nuntius, für die herzlichen Wünsche, die Sie im Namen des Diplomatischen Korps für das neue Jahr und meine zweite Amtszeit zum Ausdruck gebracht haben.

Drei Jahre nach Beginn der Pandemie ist es mir eine große Freude, Sie alle endlich wieder persönlich in der Hofburg[1] begrüßen zu dürfen, um meinen Dank und meine besten Wünsche für das neue Jahr auszudrücken. Da dies unser erstes Treffen in meiner zweiten Amtszeit ist, möchte ich mich an dieser Stelle für die gute Zusammenarbeit in den vergangenen sechs Jahren bedanken. Sie alle haben wichtige Beiträge zur Pflege und Vertiefung unserer guten bilateralen Beziehungen geleistet, und viele von Ihnen sind im Rahmen der internationalen Organisationen mit Sitz in Wien täglich daran beteiligt. Ich freue mich auf die Fortsetzung der Zusammenarbeit in den kommenden Jahren.

Neujahrsempfang für das Diplomatische Corps im Zeremoniensaal der Wiener Hofburg. Foto: Peter Lechner/HBF

Bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich einige Worte zu dem tragischen Erdbeben sagen, das letzte Woche die Türkei und Syrien erschüttert hat.

Ich möchte den Zehntausenden von Opfern, denen, die ihre Angehörigen, ihre Familien, Freunde und Häuser verloren haben, mein tiefstes Beileid aussprechen.

Österreich entsandte 82 Soldatinnen und Soldaten, die Teil der Katastrophenhilfe der Österreichischen Streitkräfte (AFDRU) sind, in die Türkei, und österreichische NGOs leisten Unterstützung in den betroffenen Gebieten. Wir werden weiterhin unser Möglichstes tun, um humanitäre Hilfe zu leisten und das Leid der Opfer und der betroffenen Gemeinschaften zu lindern. Es ist wichtig, den humanitären Zugang zu allen Betroffenen zu gewährleisten, unabhängig davon, wo sie leben.

Ich denke, wir sind uns alle einig, dass 2022 kein einfaches Jahr war. Es ist wahr, dass es uns dank einer ausgezeichneten internationalen Zusammenarbeit gelungen ist, die Pandemie unter Kontrolle zu bekommen, aber vor fast genau einem Jahr hat Präsident Putin einen schrecklichen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen.

Ich war tief bewegt von dem, was ich bei meinem Besuch in der Ukraine vor zwei Wochen erlebt habe. Das Leid, die Zerstörung, die Ungerechtigkeit, die Grausamkeit des Krieges. Tag für Tag kämpfen ukrainische Männer und Frauen für ihre Freiheit, mit unglaublicher Entschlossenheit und zu unvorstellbaren Kosten.

Für Österreich bedeutet dieser Krieg einen bedeutenden Umbruch. Das ist vielleicht nicht auf den ersten Blick ersichtlich: Wir haben so viele Verbindungen sowohl zur Ukraine als auch zu Russland, unsere Länder sind wirtschaftlich stark miteinander verflochten. Was unsere Energieversorgung betrifft, so haben wir auch starke Verbindungen zur Ukraine und vor allem zu Russland. Ich werde später noch ausführlicher auf dieses Thema zurückkommen. Und wir sind ein neutrales Land.

 

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Meine Damen und Herren

Lassen Sie mich eines ganz klar sagen: Österreich ist militärisch neutral, aber wir sind politisch nicht neutral.

Neutralität bedeutet nicht Gleichgültigkeit!

Wir sind nicht neutral angesichts einer eklatanten Verletzung des Völkerrechts.

Wir sind nicht neutral angesichts von Kriegsverbrechen.

Wir sind nicht neutral gegenüber dem Kampf eines Landes, das für die Verteidigung seiner Souveränität und Unabhängigkeit kämpft und für seine Freiheit kämpft.

Österreich verurteilt den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auf das Schärfste.

Seit Kriegsbeginn hat Österreich die Ukraine mit rund 120 Millionen Euro humanitär und finanziell unterstützt. Rund 90.000 Vertriebene, meist Frauen und Kinder, haben in Österreich Zuflucht vor den Schrecken des Krieges gefunden. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, die Prinzipien zu verteidigen, zu denen wir uns in der Charta der Vereinten Nationen verpflichtet haben: die souveräne Gleichheit aller Staaten, die Wahrung des Weltfriedens, die Einhaltung des Völkerrechts, den Schutz der Menschenrechte und die Förderung der internationalen Zusammenarbeit.

Die Folgen dieses brutalen Angriffskrieges gehen weit über die Ukraine und Europa hinaus. Die plötzliche Verknappung von Nahrungsmitteln und Energieressourcen hat weltweit hohe Inflationsraten ausgelöst. Unbeteiligte Zivilisten auf der ganzen Welt werden so als Geiseln gehalten. Wir sind mit diesen Engpässen in einer kränkelnden Post-COVID-19-Weltwirtschaft konfrontiert. Auch hier müssen wir Solidarität zeigen und die am stärksten betroffenen Länder unterstützen.

Wir haben gelernt, wie gefährlich Abhängigkeiten werden können. Wir müssen jetzt hart daran arbeiten, solche Abhängigkeiten abzubauen und unsere Bezugsquellen zu diversifizieren.

In Österreich gilt dies vor allem für den Energiesektor. Im vergangenen Jahr ist es uns gelungen, unsere Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern. Wir müssen weiterhin alles in unserer Macht Stehende tun, um so schnell wie möglich von Kohle, Öl und Erdgas wegzukommen. Das ist essentiell für den Klimaschutz und für unsere Unabhängigkeit. Der Übergang wird nicht über Nacht geschehen, aber wir müssen jeden Tag hart daran arbeiten. Unser Fokus muss ganz klar sein: Wir müssen saubere und bezahlbare erneuerbare Energien ausbauen!

Der Kampf gegen den Klimanotstand war und bleibt eine meiner politischen Prioritäten. Es ist die größte globale Herausforderung, vor der wir stehen, und wir können sie nur gemeinsam als internationale Gemeinschaft angehen.

Nur wenn wir unsere Kräfte bündeln, werden wir das Blatt wenden können.
Das Jahr 2022 war geprägt von Waldbränden, Dürren, katastrophalen Überschwemmungen und anderen extremen Wetterereignissen. Der Klimawandel schreitet noch schneller voran als von Wissenschaftlern vorhergesagt. Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen nicht erkennen, dass unsere Existenz auf dem Spiel steht.

UN-Generalsekretär Antonió Guterres drückte es so richtig aus, als er sagte: “Es ist entweder ein Klimasolidarpakt – oder ein kollektiver Selbstmordpakt.”

Das Ergebnis der COP27 im vergangenen November, an der ich nach meiner Wiederwahl teilgenommen habe, war jedoch ernüchternd. Die Mitgliedstaaten konnten sich nicht auf ehrgeizigere Ziele für die Verringerung der Emissionen einigen. Ein Lichtblick war die Vereinbarung zur Einrichtung eines Loss and Damage Fund. Ein wichtiger Schritt in Richtung Klimagerechtigkeit, aber bei weitem nicht genug. Wir müssen viel mehr tun, viel schneller.

I fully understand that young people are angry and frustrated. Their future is at stake. We must do more, and do it at a much faster pace! During my second term of office I will certainly try to do my part.

Alongside the fight against the climate emergency, I would like to mention three other priorities which I will focus on in the coming year and, most probably, throughout my entire second term of office: multilateral cooperation, cohesion in Europe, and the protection of human rights.

Without doubt, we live in an interconnected world. It is therefore all the more important that all countries adhere to the agreed principles. A well-functioning, value- and rules-based international order is absolutely essential for the security and future of every country. As a neutral country, host country to the UN, the OSCE, the Fundamental Rights Agency of the EU and numerous other important international organizations, Austria is a tireless advocate of multilateralism.

Austria stands ready to assume additional responsibility for the international community. About ten years ago, we announced our candidacy as a non-permanent member of the UN Security Council for the period 2027/2028. We hope that we can count on your support!

Russia’s war of aggression against Ukraine has shown, once again, that European unification is the best idea we have ever had a point which I have made many times before.

As European Union, we have succeeded in positioning ourselves geopolitically, in responding to this war with one voice, and in addressing the resulting challenges together.

We have proven to be a political and economic community, a community of values. We have proven that we can act consistently and with determination, together with our partners, taking a firm stance for sovereignty, freedom and democracy.

Our Eastern neighbours and our partners in the Western Balkans are part of the European family.

As you know, Austria has for years been an advocate for the European integration of the Western Balkan countries. The decision taken by the European Council in December to grant EU candidate status to Bosnia-Herzegovina, the agreement on visa liberalization for Kosovo as of 2024 and finally! the beginning of accession negotiations with North Macedonia and Albania, two countries I will visit at the end of March, are positive developments and important signals sent to the entire region.

The wish expressed by Ukraine, Moldova and Georgia to join the European Union is encouraging, and we will support these countries on their way towards a European future in the best possible way.

S.E. Der Apostolische Nuntius, Erzbischof Dr. Pedro Lopez Quintana

Excellencies,

Ladies and Gentlemen,

during the past year, we have witnessed particularly severe violations of human rights. In Iran, the regime has for months been using excessive and lethal violence against people who are standing up for women’s rights, human rights, freedom and democracy. Since the Taliban came to power in Afghanistan, countless Afghan women and men have been exposed to the most severe reprisals. Minorities are being persecuted, peaceful protests have been put down with violence, and women are being relentlessly oppressed in all spheres of life.

In this special year of 2023, in which we celebrate the 75th anniversary of the Universal Declaration of Human Rights, we must not turn a blind eye to what is happening. We must stand shoulder to shoulder with people all over the world who are fighting for their rights, their freedom, their human dignity. The development of human rights is far from complete.

This year, we also celebrate the 30th anniversary of the World Conference on Human Rights in Vienna, which contributed decisively to the creation of the Office of the High Commissioner for Human Rights, a position that has been held by Volker Türk, a fellow Austrian, since last year. To mark the occasion, Austria will host a high-level conference of experts in June of this year.

The challenges we face as an international community have not diminished over the past year. On the contrary, they have multiplied and increased in complexity.
As ambassadors of your countries, as mediators, you are contributing to maintaining a dialogue, fostering mutual understanding, and strengthening international cooperation.

You, Excellencies, Ladies and Gentlemen, play an important role in shaping our common future.

I therefore appeal to you to keep up your commitment and to draw strength from what we have achieved so far, inspired by the vision of a future our younger generations can look forward to.

I wish you and your families all the best for the coming year!

S.E. Der Apostolische Nuntius, Erzbischof Dr. Pedro Lopez Quintana
S.E. Aldrik Gierveld (Niederland)

 

I.E. Victoria Reggie Kennedy (Vereinigten Staaten)

 

S.E. Michael Josef Hermann Klor Berchtold (Deutschland)
S.E. Mordechai Rodgold (Israel)
Seine Königliche Hoheit Prinz Abdullah Bin Khaled Bin Sultan Bin Abdulaziz Al Saud, Botschafter des Königreichs Saudi-Arabien
S.E. Vasyl Khymynets (Ukraine)
I.E. Annika Markovic (Schweden)
I.E. Laura Faxas, (Dominikanische Republik)
S.E. Bakar Fattah Hussen (Irak)
S.E. Azzeddine Farhane (Marokko)

 

S.E. Yousuf Ahmed Al Jabri (Oman)
S.E. Rapulane Sydney Molekane (Südafrika)
S.E. Ryuta Mizuuchi (Japan)
S.E. Ozan Ceyhun (Türkei)
I.E. Pirkko Hämäläinen (Finnland)

 

S.E. Richard Travers Sadleir (Australien)
S.E. Salah Abdel-Shafi (Palästina)
S.E. Majintha Jayesinghe (Sri Lanka)

 

I.E. Cristina Fraile Jimenez de Munana (Spanien)

 

S.E. Jaideep Mazumdar (Indien)
I.E. Julia Villatoro (El Salvador)
.E. Catherine Koika (Griechenland)
S.E. Hamad Alkaabi (Vereinigten Arabischen Emirate)
S.E. Haytham Abdulmomen Shoja´aadin (Jemen)
S.E. Mohamed Elmolla, (Ägypten)
S.E. Stefano Beltrame (Italien)
S.E. Nebojsa Rodic (Serbien)
S.E. Daniel Glunčić (Kroatien)
S.E. Osvit Rosoklija (Nordmazedonien)
S.E. Gilles Pecout (Frankreich)
S.E. Ibrahim Assaf (Libanon)
S.E. Alibek Bakayev (Kasachstan)

 

S.E. Dr. Andor Nagy (Ungarn)
S.E. Peter Misik (Slowakei)
I.E. Natasha Meli Daudey (Malta)
S.E. Roland Bimo (Albanien)
S.E. Miguel Camilo Ruiz Blanco (Kolumbien)
S.E. Eoin O´Leary (Botschafter von Irland)
S.E. Nelson Antonio Tabajara de Oliveira (Brasilien)
S.E. Emil Hurezeanu (Rumänien)
S.E. Troy Lulashnyk (Kanada)

Text: Svetlana Nenadovic Glusac

Fotos: Peter Lechner/HBFund Daniel Trippolt/HBF