TIZIANS FRAUENBILD: Schönheit – Liebe – Poesie

Ausstellungsansicht “Tizians Frauenbild” / © KHM-Museumsverband

Ausstellung Tizians Frauenbild bis 16. Jänner 2022 im Kunsthistorischen Museum Wien

Im Herbst stehen im Kunsthistorischen Museum jedes Jahr die Alten Meister im Fokus: Die Ausstellung Tizians Frauenbild konzentriert sich anhand von mehr als 60 Gemälden aus internationalen Sammlungen sowie aus dem eigenen Bestand auf die Darstellung der Frau im Œuvre des venezianischen Meisters Tizian (um 1488‒1576) und seiner Zeitgenossen. Hochkarätige Leihgaben kommen etwa aus dem Metropolitan Museum of Art in New York, dem Louvre in Paris, dem Prado in Madrid, den Uffizien in Florenz, der Eremitage in Sankt Petersburg oder den Gallerie dell’Accademia in Venedig.

Inspiriert von der damaligen Liebespoesie und Literatur schufen Tizian und seine Zeitgenossen – wie Palma il Vecchio, Lorenzo Lotto, Paris Bordone, Jacopo Tintoretto und Paolo Veronese – poetisch-erotische, idealisierte Frauenbildnisse. Sie werden wegweisend für die europäische Malerei der nachfolgenden Jahrhunderte.

Die Schau beleuchtet das venezianische Frauenbild vor dem Hintergrund der Ideale und Gesellschaftsverhältnisse des 16. Jahrhunderts. In Tizians Frauenbildern geht es um die Zelebration der Frau als großartigstes Thema des Lebens, der Liebe und der Kunst.

Tizian (um 1488–1576) Junge Frau bei der Toilette Um 1515 Leinwand, 99 × 76 cm Musée du Louvre, Département des Peintures, Paris © RMN-Grand Palais (musée du Louvre) / Franck Raux

Die Frau als Thema in Malerei und Literatur

Die Prominenz der Frau in der Malerei Venedigs im 16. Jahrhundert hat vielerlei Ursachen, etwa die politisch-soziale Struktur der Serenissima, die der Frau bezüglich der Mitgift und des Erbes eigene Rechte zugestand, oder das kulturell aufgeschlossene und internationale Klima der Stadt: Einflussreiche Verlage zogen namhafte Poeten und Humanisten an – darunter Pietro Bembo, Sperone Speroni und Ludovico Dolce ‒, die in ihren Schriften der Frau und der Liebe besondere Aufmerksamkeit schenkten. Den entscheidenden Anstoß in der visuellen Umsetzung gab Tizian, der bedeutendste Maler, den die Stadtrepublik je hervorbrachte.

Isabella d’Este, Markgräfin von Mantua (1474–1539) (1.1 MB)Tizian (um 1488–1576)
Um 1534/36 / Leinwand, 102,4 × 64,7 cm / Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie
© KHM-Museumsverband

Neue Forschung – neue Deutungen

Lange Zeit dachte man, dass Frauen, die Tizian mit Blick auf den Betrachter – oder noch schlimmer: mit entblößter oder halbentblößter Brust – malte, nur Kurtisanen gewesen sein können. Neu herangezogene Quellen geben ein differenzierteres Bild der Blicke und Gesten in Bildern des 16. Jahrhunderts: So sieht die aktuelle Forschung hier vielmehr die symbolische Öffnung des Herzens für den künftigen Ehepartner, mit der die Braut in die Heirat einwilligt. Solchen und ähnlichen Deutungsverschiebungen sind die Ausstellungsmacherinnen auf der Spur.

Junge Frau mit Federhut (775 KB)Tizian (um 1488–1576) / Um 1534/36 / Leinwand, 96 × 75 cm / Eremitage, St. Petersburg / © The State Hermitage Museum, 2021, Foto: Dmitri Sirotkin
Diana und Callisto (2.0 MB)Tizian und Werkstatt / Um 1566 / Leinwand, 183 × 200 cm
Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie © KHM-Museumsverband

Frauen forder(te)n Anerkennung

Die neue, erhöhte Aufmerksamkeit durch Maler, Humanisten und Poeten beeinflusste auch die Lebensbedingungen der realen Frauen Venedigs im 16. Jahrhundert, wobei die spezifische Gestalt der Stadt, die so genannte forma urbis, deren Vernetzung und den Austausch zwischen unterschiedlichen sozialen Schichten förderte. Die Schriftstellerinnen unter ihnen forderten in ihren Schriften größere Anerkennung ihrer Fähigkeiten und gleichen Zugang zu höherer Bildung wie die Männer und leisteten damit eine bedeutende Vorarbeit für die Gleichstellung der Frau: ein Thema, das global gesehen heute wieder stark in den Fokus rückt.

Venus mit Orgelspieler und Cupido (1.2 MB)Tizian (um 1488–1576) / Um 1555 / Leinwand, 148 x 217 cm / Museo Nacional del Prado, Madrid © Archivo Fotográfico. Museo Nacional del Prado, Madrid

Eine facettenreiche Ausstellung

Die Ausstellung möchte den Facettenreichtum des Themas zeigen und die unterschiedlichen Gesten, Blicke und Attribute genauer ins Auge fassen. Vom konkreten Porträt zu idealisierten, von der Poesie inspirierten Abwandlungen werden die Themen Liebe und Begehren in historischen, mythologischen und allegorischen Darstellungen in Szene gesetzt. Bei den realen und idealen Porträts werden auch Mode, Haartracht und kostbare Schöpfungen der Goldschmiedekunst der Zeit analysiert. Die umfangreiche zeitgenössische Traktatliteratur und Liebeslyrik bieten dabei eine solide Grundlage, solche einzigartigen Darstellungen von Frauen neu zu lesen.

Details zu den einzelnen Themen und Werken in den Sälen und Kabinetten der Ausstellung sind im Ausstellungs-Booklet zu finden.

Ausstellungsansicht “Tizians Frauenbild” / © KHM-Museumsverband

Venedig im 16. Jahrhundert

Venedig erreichte im 16. Jahrhundert den Höhepunkt seiner beispiellosen Entwicklung. Eine kleine aristokratische Schicht, aus deren Reihen der Doge gewählt wurde, führte die Republik. Aber auch die Bürger*innen – vor allem die Kaufleute – trugen maßgeblich zum Aufstieg der Stadt bei: Begünstigt durch seine Lage am Mittelmeer war Venedig Umschlagplatz für Luxusgüter aus aller Welt. Der Wohlstand und die kulturelle Vielfältigkeit der Lagunenstadt spiegeln sich auch in der Architektur und Kunst dieser Zeit wider. Die zahllosen Paläste und Kirchen Venedigs wurden von Größen wie Giovanni Bellini, Tintoretto, Veronese und nicht zuletzt Tizian mit unzähligen Fresken und Gemälden ausgestattet.

Ausstellungsansicht “Tizians Frauenbild” / © KHM-Museumsverband

Tizian – eine kurze Biografie

Vor über fünfhundert Jahren kam in einem kleinen Ort in den Dolomiten Tiziano Vecellio zur Welt. Bereits im Alter von etwa zehn Jahren zog er ins rund 100 Kilometer entfernte Venedig, wo er bis zu seinem Tod lebte und arbeitete. Als Maler bekannt wurde er unter seinem Vornamen Tizian, mit dessen lateinischer Form „Titianus“ er viele seiner Bilder signierte. Bis heute gilt Tizian als einer der berühmtesten italienischen Künstler der sogenannten Hochrenaissance im 16. Jahrhundert.

Gemeinsam mit seinem Malerkollegen Giorgione lernte er zunächst im Atelier der bedeutenden Künstlerfamilie Bellini. Der Eröffnung einer eigenen Werkstatt folgte die baldige Ernennung zum offiziellen Staatsmaler der Republik Venedig. Tizian war zweimal verheiratet und Vater von vier Kindern. Seine für die damalige Zeit ungewöhnlich dramatischen und bewegten Altarbilder sorgten in Venedig für großes Aufsehen. Mit einfühlsamen Porträts der Reichen und Mächtigen wurde Tizian bald auch über die Grenzen Venedigs hinaus bekannt. Sein Freund, der Schriftsteller Pietro Aretino, half ihm Kontakte zu einflussreichen Persönlichkeiten in ganz Europa zu knüpfen. Im Gegenzug malte ihn Tizian mehrere Male.

1533 ernannte der habsburgische Kaiser Karl V. Tizian zum Hofmaler. Er arbeitete weiterhin meist von Venedig aus, reiste in kaiserlichem Auftrag aber auch zweimal nach Augsburg. Als Gast von Papst Paul III. verbrachte Tizian zudem mehrere Monate in Rom. Tizians typische Art, Formen durch Licht und Farbe malerisch zu modellieren, stieß in Rom sowohl auf Bewunderung als auch auf Kritik.

In seinem Spätwerk trug Tizian Farbe meist mit dicken Pinselstrichen in mehreren Schichten auf, sodass der malerische Herstellungsprozess sichtbar bleibt. Dieser experimentelle Umgang mit Farbe stieß allerdings oft auch auf Unverständnis. Die heute erstaunlich modern wirkenden Bilder hatten großen Einfluss auf die weitere Entwicklung der europäischen Malerei. Tizian, der vermutlich weit über 80 Jahre alt wurde, starb 1576 während einer Pestepidemie in Venedig.

Ausstellungsansicht “Tizians Frauenbild” / © KHM-Museumsverband

Hochkarätige internationale Leihgaben ergänzen den reichen KHM-Bestand

Hochkarätige Leihgaben internationaler Museen und Privatsammlungen zeigen gemeinsam mit ausgesuchten Werken des Kunsthistorischen Museums den Facettenreichtum des Themas. Wenige andere Museen der Welt verfügen über einen ähnlich reichen Bestand an venezianischen Frauenbildern des 16. Jahrhunderts wie die Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums.

Die bedeutenden Leihgaben stammen u. a. aus dem Metropolitan Museum of Art in New York, dem Louvre in Paris, dem Prado und der Sammlung Thyssen-Bornemisza in Madrid, den Uffizien in Florenz, der National Gallery in London, dem Ashmolean Museum in Oxford, der Eremitage in Sankt Petersburg, den Gallerie dell’Accademia in Venedig, der Galleria Borghese in Rom, dem Museo Nazionale di Capodimonte und dem Museo Archeologico Nazionale in Neapel, den Staatlichen Museen zu Berlin, der Bayerischen Staatsgemäldesammlung, Alte Pinakothek in München, den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden, dem Kunstmuseum Basel und von privaten Leihgebern.

Idee und Konzept der Ausstellung: Sylvia Ferino-Pagden Kuratorinnen: Sylvia Ferino-Pagden, Francesca Del Torre Scheuch und Wencke Deiters Ausstellungsgestaltung: Gerhard Veigel Die Ausstellung ist im Kunsthistorischen Museum Wien sowie danach im Palazzo Reale in Mailand zu sehen.

KUNST HISTORISCHES MUSEUM WIEN

BIS 16. JÄNNER 2022