Überschwemmungen, Hagelstürme, Hitzewellen: Außergewöhnliche Wetterereignisse. Was man technologisch gegen den Klimawandel tun kann, zeigen österreichische Spin-offs auf der EXPO
Österreichischer Entwicklungs- und Forschergeist erobert die Weltausstellung in Dubai. Von 1.10.2021 bis 31.3.2022 präsentieren heimische Spin-offs, also Unternehmen, welche aus dem Hochschulsektor heraus gegründet wurden, gemäß dem EXPO-Motto „Connecting Minds, Creating the Future“, Entwicklungen, die einen positiven Effekt auf Umwelt und Klima haben. Auch den engen Kooperationen von Unternehmen mit Universitäten sowie Fachhochschulen kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Im iLab — der Wissensplattform im Inneren des Österreich-Pavillons — werden sich heimische Spin-offs und Forschungseinrichtungen einem internationalen Millionenpublikum vorstellen. Dabei wird es erstaunliche Projekte aus verschiedenen Themenbereichen zu entdecken geben. Sogenannte InnovationTowers bilden den Rahmen, um die Exponate zu präsentieren, die auch digital in Videos näher erklärt werden. „Schon seit vielen Jahren steht Österreich mit seinen international orientierten Spin-offs und Start-ups für Innovationsgeist und Know-how. Die Expo 2020 in Dubai ist eine Chance, um die Qualität der heimischen Forschung und Entwicklung noch weiter hervorzuheben, den Weg in neue Märkte zu ebnen und internationale Kooperationen zu initiieren“, so Wirtschafts- und Standortministerin Margarete Schramböck.
Vier iLab-Themencluster in der zweiten Phase
Der österreichische Beitrag hat es sich zur Aufgabe gemacht, sinnstiftende Lösungen und Produkte zu zeigen, in denen sich das Motto des heimischen Beitrags „Austria makes sense“ widerspiegelt. Die Exponate der Unternehmen werden in einer temporären Ausstellung gezeigt, die in zwei Phasen mit jeweils vier Clustern ablaufen, in die auch die Spin-offs eingegliedert sind. Ein Wechsel der Objekte und Video-Präsentationen erfolgt zur Halbzeit der Weltausstellung. „Durch die Präsentation in mehreren Clustern und Phasen zeigt sich die große Vielfalt unserer Unternehmen, die durch universitäre Spin-offs und deren auf Forschung basierten Innovationen optimal ergänzt werden. Der Export ist die Quelle unseres Wohlstands, die Expo kann dazu beitragen, die internationale Vernetzung Österreichs voranzutreiben, denn die Entwicklung der heimischen Exportwirtschaft ist eine Erfolgsstory, die ihresgleichen sucht. Produkte und Dienstleistungen ‚Made in Austria‘ sind weltweit begehrt“, bekräftigt auch der Präsident der Wirtschaftskammer, Harald Mahrer.
In der ersten Phase der Ausstellung werden die InnovationTowers im Österreich-Pavillon von Oktober bis Dezember 2021 mit den Themen Smart City, Circular Economy, Mobility und Digital Opportunities bespielt. Von Jänner bis März 2022 folgen die nächsten vier Cluster der Ausstellung: Water Agriculture, Health & Life Science, New Materials und Digital Security.
Österreichische Spin-offs auf der Expo
Spannende Spin-offs aus Österreich präsentieren auf der Weltausstellung ihre Innovationen zu verschiedenen Themen, die einen positiven Impact auf das klimabewusste Verhalten haben.
Greenpass — Projekt: GREENPASS® — enabling livable cities (Wien)
Greenpass ist ein 2018 gegründetes Wiener Start-up und Spin-Off der Green4Cities und der Universität für Bodenkultur Wien mit der Vision und Mission, weltweit klimaresiliente und lebenswerte Städte zu schaffen. Als internationales Kompetenz- und Softwarezentrum für klimaresiliente Stadtplanung und Architektur gegründet, hat Greenpass eine weltweit einzigartige Software-as-a-Service (SaaS)-Lösung entwickelt. Diese bewertet, optimiert und zertifiziert umfassend die Umweltauswirkungen von Immobilien und Pflanzen hinsichtlich der sechs urbanen Themenfelder Klima, Wasser, Luft, Biodiversität, Energie und Kosten. GREENPASS® — enabling livable cities ist somit das erste international anwendbare all-in-one SaaS Planungs-, Optimierungs- und Zertifizierungstool für klimaresiliente Stadtplanung und Architektur. „Die Toolbox bietet für die jeweilige Planungsphase das ideale Tool für eine erfolgreiche Klimawandelanpassung. Das weltweit anwendbare einzigartige Bewertungssystem erlaubt volle Kontrolle für lebenswerte Städte — enabling livable cities“, beschreibt Greenpass-CEO Florian Kraus das in Dubai präsentierte Projekt. Mit über 90 Projekten in zehn Ländern in Europa setzen GREENPASS und über 30 ausgebildete Urban Climate Architects (UCAs) den internationalen Standard für klimaresiliente Stadtplanung und Architektur.
IMC FH Krems — Projekt: Recycling Seltene Erden — REEgain (Krems, NÖ)
Die IMC FH Krems gilt mit über 140 Partneruniversitäten, weltweit über 1.000 Partnerunternehmen und über 3.000 Studierenden aus über 50 Ländern als eine der internationalsten, praxisorientiertesten und bestvernetzten Fachhochschulen Österreichs. Ziel des internationalen Projekts REEgain am Department of Lifesciences ist es, Seltene Erden, wie beispielsweise Scandium und Yttriu, ganz ohne Umweltschäden mit Hilfe von Bakterien und Algen aus Elektronikschrott zu recyceln.
Die so erhaltene Biomasse kann aufgetrennt und die Seltenen Erden so zurückgewonnen werden. „In den vergangenen Jahren ist die Verwendung von Seltenen Erden in der Elektronik exponentiell angestiegen. Aktuelle Recycling-Methoden, die in den meisten Fällen kaum ein Prozent der benötigten Menge ausmachen, sind durch die Verwendung von Chemikalien weder umweltfreundlich noch nachhaltig“, erklärt Projektleiter Prof. (FH) DI Dominik Schild von der IMC FH Krems. REEgain stellt für Unternehmen eine neue Möglichkeit dar, Metallrückstände nicht nur nachhaltig zu entsorgen, sondern sie stattdessen rückzugewinnen und wiederverkaufen bzw. -verarbeiten zu können. Das Projekt wird im Rahmen des EU-Programms „INTERREG V-A Österreich — Tschechische Republik“ gefördert. Die IMC FH Krems hat in diesem zukunftsweisenden Projekt die Führungsrolle übernommen. Zu den Projektpartnern zählen die Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik (Centrum ALGATECH), die Karl Landsteiner Privatuniversität sowie die Donau-Universität Krems.
Holzcluster Steiermark — Projekt: WoodC.A.R., Entwicklung eines holzbasierten Seitenaufprallträgers (Steiermark)
Der Holzcluster Steiermark agiert als Schnittstelle zwischen F&E, Politik und Wirtschaft. Um zukunftsweisende Innovationen voranzutreiben, fördert der Cluster mit über 150 Partnern vor allem die branchenübergreifende Vernetzung und den Wissenstransfer. Die Forschungsinitiative WoodC.A.R. legt die Grundlage für neuartige, holzbasierte Produkte. 20 Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft verfolgen zusammen das Ziel, den Werkstoff Holz simulier- und berechenbar zu machen, um neue Anwendungsfelder wie die Automobilindustrie zu erschließen. Das Konsortium unter der Leitung des Innovationszentrums W.E.I.Z. besteht auf Industrieseite unter anderem aus dem Parketthersteller Weitzer Parkett oder dem Ingenieurbüro Steiner wie auch dem Automobil-Zulieferbetrieb Magna Steyr oder dem Volkswagen-Konzern. Zu den Partnern auf wissenschaftlicher Seite zählen die Universität für Bodenkultur in Wien, die TU Graz, die Karl-Franzens-Universität Graz, die FH Joanneum oder das Grazer Forschungszentrum „Virtual Vehicle“.
„Die Forschungsergebnisse aus WoodC.A.R. liefern Antworten auf die Fragen, welche Fahrzeugkonzepte in Zukunft benötigt werden, um unsere Klimaziele zu erreichen, und welche Rolle Holz dabei einnehmen kann. Vor allem durch den Cross-Innovation-Ansatz und die Vernetzung der Branchen wird es möglich, die Verwendung von Holz völlig neu zu denken und Produkte für eine nachhaltige Zukunft zu entwickeln“, erklärt DI Christian Tippelreither, Geschäftsführer Holzcluster Steiermark. Holzwerkstoffe sind richtig eingesetzt leichte Hochleistungsmaterialien, die eine wertvolle Erweiterung für den Mobilitätssektor der Zukunft darstellen. „Im Rahmen des Forschungsprojekts ‚WoodC.A.R.‘ erarbeitet das Projektteam in Weiz die Grundlagen für den großflächigeren Einsatz von Holz in zukünftigen Fahrzeugen“, so DI Christian Tippelreither. „Dass Holz als Werkstoff für Strukturbauteile noch keine Verwendung findet, liegt auch daran, dass die Automobilindustrie den Werkstoff gerade erst kennenlernt. Das Verhalten von Holz muss demnach genauso vorausberechenbar werden, wie das bei Teilen aus Metall oder Verbundstoffen bereits der Fall ist. Die Projektpartner von WoodC.A.R. arbeiten daher an Computersimulationen, die es Autobauern erlauben, den Einsatz von Holz virtuell darzustellen“, so Tippelreither weiter.
AIT Austrian Institute of Technology — Projekt: CIL City Intelligence Lab (Wien)
Das AIT mit den Hauptstandorten Wien, Seibersdorf, Wr. Neustadt und Ranshofen ist ein unabhängiger, urbaner Know-how-Partner, der innovative Lösungen für Stadtmanagement und -planung entwickelt. Auf der Expo wird das CIL — City Intelligence Lab präsentiert, eine interaktive Plattform, mit deren Hilfe neue Formen und Technologien für die Stadtentwicklungspraxis der Zukunft erforscht werden. Hier treffen modernste digitale Technologie und innovative Ansätze auf Big Data und durch künstliche Intelligenz (KI) gestützte Stadtplanungstools. Mittels Augmented Reality werden Echtzeitprozesse und deren Produkte auf einer interaktiven Plattform in 3D erlebbar. Das CIL ermöglicht es, die Ideen von Entwicklern, Investoren und Stadtplanern schneller und kostengünstiger zusammenzuführen und die Nachhaltigkeit von Städten zu sichern. Szenarien wie die Klimasituation in Stadtteilen können anschaulich simuliert und durchgeplant werden. „Die Innovationsleistung der zukünftigen Stadtplanung wird es sein, mit dem Einsatz digitaler Technologien vielfältige Planungsszenarien zu schaffen, die eine breite Palette an Lösungen für die Städte und deren Bewohner bieten. Wir haben dazu die nötige Infrastruktur geschaffen“, erklärt Nikolas Neubert, Head of Competence Unit Digital Resilient Cities am Center for Energy. „Besonders das Wachstum und die Verdichtung der Städte verstärken das Problem der Überhitzung während der Sommermonate“, erklärt Nikolas Neubert weiter. Diese Entwicklung stellt für die Bevölkerung eine gesundheitliche Belastung dar. „Um Städte für diese Situation resilienter zu gestalten, können wir im City Intelligence Lab unter Anwendung von Machine Learning Mikroklimasimulationen für Sommer- und Hitzetage mit und ohne Anpassungsmaßnahmen erstellen, unterschiedliche Klimamodelle durchführen und die Ergebnisse visuell aufbereiten. So kann man sofort erkennen, welche Maßnahmen für bestimmte Stadtteile eine Abkühlung bedeuten würden“, so Neubert.
MOSTLY AI Solutions — Projekt: Mostly GENERATE — Lösung für synthetische Daten
Mostly AI ist ein Hightech-Start-up, das eine bahnbrechende KI-Technologie zur Anonymisierung von Big Data entwickelt hat. Die Lösungen von Mostly AI ermöglichen es Unternehmen weltweit und branchenübergreifend, Big-Data-Bestände sowohl intern als auch extern sicher zu teilen und dabei die Privatsphäre ihrer Kunden vollständig zu schützen.
Mostly AI löst eine der größten Herausforderungen, vor denen Unternehmen heute stehen: den Spagat zwischen dem Bedarf an KI- und Big-Data-Innovationen und dem Schutz der Privatsphäre. Ihre KI-generierte Software für synthetische Daten hilft Unternehmen, datenschutzsensible Datenbestände zu erschließen, indem sie diese vollständig anonymisiert und gleichzeitig alle wertvollen Informationen und die Granularität beibehält; das Ergebnis sind Daten, die frei genutzt und weitergegeben werden können.
In einer Welt voll kluger Köpfe und riesiger Datenmengen gibt es ein enormes Potenzial, diese wertvolle Ressource nicht nur für wirtschaftliche Innovationen, sondern auch für das Gemeinwohl zu nutzen. Die Technologie für synthetische Daten ermöglicht es, diese sicher zu erschließen und mit ihnen zusammenzuarbeiten — und eröffnet so eine schier unbegrenzte Anzahl von Möglichkeiten, die es zu nutzen gilt.
Incremental3D — Projekt: myPot (Innsbruck, Tirol)
Das 2017 gegründete Spin-off der Universität Innsbruck ist auf das Design und die Umsetzung vom Prototypen bis zum Serienprodukt spezialisiert. Eine Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) attestiert der Universität Innsbruck mit ihrer erfolgreichen Spin-off-Strategie samt Beteiligungsportfolio und Beteiligungsmanagement eine Sonderstellung in der österreichischen Universitätslandschaft. In Kooperation mit dem Baustoffproduzenten Baumit haben drei Architekten der Uni Innsbruck in mehrjähriger Forschungsarbeit eine 3D-Drucktechnik für Beton entwickelt. Heute können sie Betonobjekte in fast jeder beliebigen Form, Farbe und Oberfläche sehr schnell und günstig herstellen.
myPot zeigt das Potenzial, das der 3D-Betondruck in der Produktgestaltung und Produktionsentwicklung haben kann. Die 3D-gedruckten Übertöpfe aus Beton sind maßgeschneidert und kommt ohne Formenbau aus. Sehr interessant sind dabei die Flexibilität und die Logistik des Systems. Vom Entwurf bis zur Auslieferung vergehen oft nur zwei bis drei Wochen, wobei der 3D-Drucker an einem Tag mehrere Objekte herstellen kann. Die incremental3d GmbH produziert derzeit vor allem Objekte für den öffentlichen Raum und die Gartengestaltung. Das Ziel ist mehr Nachhaltigkeit durch Materialoptimierung und Digitalisierung des Bauwesens. In Zukunft wollen die Jungunternehmer die Technologie gemeinsam mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) auch für den Hochbau marktfähig machen.
(WKO.AT)