S.E. Mordechai Rodgold, Botschafter des Staates Israel: Israels Hände sind immer in Richtung Frieden ausgestreckt

S.E. Mordechai Rodgold, Botschafter des Staates Israel in der Republik Österreich / Foto: Israelische Botschaft

In diesen, für die Menschheit schwierigen Zeiten, in denen wir immer noch auf den Wellen der Corona-Virus-Pandemie reiten, die vom bewaffneten Krieg zwischen Russland und der Ukraine überschattet wurde, in denen die Welt mit beispiellosen Krisen im Zusammenhang mit Energie, Wirtschaft, Finanzen und Nahrungsmittelversorgung konfrontiert ist, sprach das Magazin Diplomacy and Commerce Austria über die aktuellen Themen exklusiv mit dem angesehenen Botschafter des Staates Israel in der Republik Österreich– S.E. Mordechai Rodgold.

Der erfahrene Diplomat und Wirtschaftsexperte zeigte sich als wunderbarer Gesprächspartner und die Redaktion des DC Austria Magazins möchte sich an dieser Stelle bei ihm für das Interview bedanken.

Biografie…

Mordechai Rodgold absolvierte das Bachelor-Studium in Internationalen Beziehungen und Betriebswirtschaft an der Hebräischen Universität in Jerusalem, ebenso das Masterstudium, das er im Jahr 1996 mit dem akademischen Grad Master of Business Administration bekam.

Mordechai Rodgold trat im Jahr 1991 in das israelische Außenministerium ein, und im Jahr 1993 wurde er zweiter Sekretär der Europa-Abteilung des Ministeriums.

Seitdem geht es mit seiner diplomatischen Laufbahn steil bergauf und die ersten Auslandsposten kamen auf ihn zu. Zuerst der Posten des stellvertretenden Missionschefs beim israelischen Verbindungsbüro in Rabat, Marokko (1995), danach wechselte er nach Bern (1997), wo er stellvertretender Missionschef an der israelischen Botschaft in der Schweiz wurde.

Danach kehrte Rodgold nach Jerusalem zurück, um die Position des stellvertretenden Direktors der Wirtschaftsabteilung beim Außenministerium zu übernehmen (2000-2002).

Von 2002 bis 2006 fuhr Rodgold wieder ins Ausland und wurde als Leiter der Wirtschaftsabteilung der israelischen Botschaft in Rom ernannt, zuständig für Italien, Malta und Albanien, sowie als Ständiger Vertreter Israels bei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der -UNO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) und dem Welternährungsprogram (UN World Food Program) (2002-2006).

Nach der diplomatischen Rotation wurde er zum Botschaftsrat bei der Wirtschaftsabteilung im Außenministerium ernannt (2006-2008).

Dann stieg er für drei Jahre aus dem diplomatischen Dienst aus, um als Vizepräsident eines Privatunternehmens auf dem Sektor der Erneuerbaren Energien tätig zu werden (2008-2011).

2011 kehrte er wieder ins Außenministerium zurück und wurde zum Direktor der Abteilung für Information und Visuelle Medien der “Public Diplomacy Division” befördert (2011-2019).

Am 28. November 2019, übergab S.E. Mordechai Rodgold sein Beglaubigungsschreiben an Bundespräsident Alexander Van der Bellen und seitdem ist er Botschafter des Staates Israel in Österreich sowie Ständiger Vertreter Israels bei der UNO, der OSZE und den internationalen Organisationen in Wien.

Am 11. Juli 2022 besuchte Bundeskanzler Karl Nehammer (im Bild) die Altstadt von Jerusalem /Foto: BKA / Florian Schrötter

Sie waren dabei als Bundeskanzler Karl Nehammer mit der österreichischen Delegation anlässlich des Treffens mit dem israelischen Premierminister Yair Lapid nach Tel Aviv reiste, bei dem eine umfassende strategische Partnerschaft unterzeichnet wurde. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern scheinen bisher nie besser gewesen zu sein, sehen Sie weitere Möglichkeiten, die Beziehungen zwischen Österreich und Israel zu vertiefen?

Während des Besuches von Bundeskanzler Nehammer in Israel im Juli wurde eine strategische Partnerschaft unterzeichnet. Sie ist ein Rahmenabkommen, das in den nächsten Jahren durch zusätzliche Projekte und Initiativen die Zusammenarbeit weiter fördern wird und umfasst vielfältige Bereiche wie Innovation und Forschung, Handel und Investitionen, Klima und Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Sicherheitskooperation und noch einiges mehr. Die guten Beziehungen sollen ihren Ausdruck auch durch einen vermehrten Austausch auf zivilgesellschaftlicher Ebene finden, wie zum Beispiel durch Jugendaustausch.

Natürlich gibt es noch viele Bereiche, wo die Beziehungen zwischen den beiden Ländern vertieft werden können. Die Beziehungen zwischen Israel und Österreich ruhen auf mehreren Säulen: Die erste ist die offene Auseinandersetzung Österreichs mit seiner Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus und der Shoah. Mittlerweile hat man hier eine klare Politik und einen offenen Umgang mit dieser Vergangenheit gewählt. Die zweite ist das Bekenntnis zum Kampf gegen jede Form des Antisemitismus. Zudem sieht Österreich laut Regierungsprogramm die Sicherheit Israels als Raison d’Etat an.

Am 12. Juli 2022 traf Bundeskanzler Karl Nehammer (l.) den Israelischen Außenminister Yair Lapid (r.) Foto: BKA / Florian Schrötter

Die beiden Länder haben darüber hinaus viele Gemeinsamkeiten: Sie sind von der Bevölkerungszahl her mit rund 9 Millionen ungefähr gleich groß und teilen die selben Werte: Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft.

Im kulturellen und wissenschaftlichen Bereich gibt es bereits seit vielen Jahren eine sehr gute Zusammenarbeit, die in den nächsten Jahren noch stärker ausgebaut wird. Ein Ausdruck unserer bereits jetzt sehr engen und freundschaftlichen Beziehungen ist der Israel Friendship Award, den wir dieses Jahr als Botschaft ins Leben gerufen haben. Jedes Jahr möchten wir österreichische Persönlichkeiten und Organisationen auszeichnen, die sich um die Freundschaft zwischen Österreich und Israel verdient gemacht haben. Es war mir eine besondere Freude, die Auszeichnung im Juni an Österreichs Fußball-Star und früheren Nationaltrainer Israels Andreas Herzog und an das Austria-Israel Academic Network Innsbruck zu überreichen. Die beiden ersten Preisträger zeigen auch sehr schön die Bandbreite unserer Zusammenarbeit – vom Sport bis zur akademischen Welt.

Während des Besuches von Bundeskanzler Nehammer in Israel im Juli wurde eine strategische Partnerschaft mit Außenminister Yair Lapid unterzeichnet //Foto: BKA / Florian Schrötter
Foto: BKA / Florian Schrötter
Am 12. Juli 2022 traf Bundeskanzler Karl Nehammer (l.) den israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu (r.).

Eine besondere Rolle während des Aufenthaltes des Bundeskanzlers in Israel war das Andenken an die Opfer des Holocaustes, der Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an Nachkommen von NS-Opfern. Können Sie uns verraten, wie die Menschen in Israel diese Bemühungen und das aufrichtige Mitgefühl, das von österreichischer Seite kommt, aufnehmen und was dies speziell für dieNachkommen von NS-Opfern bedeutet?

Das Bild von Österreich, das viele Israelis hatten, war lange von der schmerzvollen Vergangenheit der Shoah überschattet. Österreichs Image in Israel hat sich durch den geänderten Umgang Österreichs mit seiner Verantwortung sicher verbessert. Man sieht nun das moderne Österreich.

Ich hatte kürzlich die Gelegenheit, auf Einladung des Linzer Bürgermeisters, Klaus Luger, an der Einweihung von Gedenkstätte teilzunehmen, die an die vertriebenen und ermordeten Jüdinnen und Juden in Linz erinnern sollen. Einige Nachkommen waren bei der Zeremonie anwesend. Sie sagten mir, sie sehen die Bemühungen Österreichs und schätzen sie, auch wenn sie spät begonnen haben. Wahrheit und Gerechtigkeit sowie die Erinnerung sind natürlich wichtig auf der persönlichen Ebene, um einander zu begegnen.

Auf staatlicher Ebene pflegen Israel und das moderne Österreich heute eine starke Freundschaft. Premierminister Lapid und Bundeskanzler Nehammer haben nach mehreren Treffen einen persönlichen Draht zueinander, wie auch ihre Vorgänger. Die Bundesregierung hat eine für Europa beispielgebende nationale Strategie gegen Antisemitismus beschlossen, die unter der Führung von Bundesministerin Edtstadler umgesetzt wird. All dies und noch vieles mehr trägt dazu bei, dass sich das Bild von Österreich in meinem Land ändert.

Die Israelis sind sehr neugierig und interessiert, das Österreich von heute kennenzulernen. Israelische Touristen haben Österreich für sich als attraktives Reiseziel entdeckt, die wunderschönen Landschaften, die Berge und Seen oder die prunkvollen Städte. Wenn ich in Österreich unterwegs bin, höre ich oft Hebräisch und treffe auf meine Landsleute. Jeden Monat veröffentlicht Wien-Tourismus die aktuellen Nächtigungszahlen. Seit vielen Monaten rangieren Besucher aus Israel dabei in den Top 10. Bei den Gesamtzahlen für 2021 sind Touristen aus Israel sogar am vierten Platz. Das zeigt, dass immer mehr Israelis heute offen sind, sich selbst ein Bild über Österreich zu machen und ihren Urlaub hier zu verbringen.

Am 29. September 2022 gab Bundeskanzler Karl Nehammer einen Empfang zum jüdischen Neujahrstag “Rosch ha-Schana” im Bundeskanzleramt. Im Bild Bundesministerin Karoline Edtstadler / Foto: BKA / Andy Wenzel
Klagemauer, Jerusalem // Foto: Israeli Ministry of Tourism

Israel und Libanon haben sich auf eine gemeinsame Seegrenze im Mittelmeer geeinigt, teilte Regierungschef Jair Lapid am 11. Oktober mit. In Ihrem Interview (16.09. OÖN) sagten Sie, dass Israel im Juni eine wegweisende Vereinbarung mit der EU und Ägypten unterzeichnet hat, um Gas aus Israel durch Ägypten nach Europa zu liefern. Im Lichte des historischen Israel-Libanon-Deals bedeutet dies, dass die Gasförderung aus dem Karisch-Gasfeld früher beginnen wird und wird dies die Geschwindigkeit der Gaslieferungen nach Europa beeinflussen?

Israel hat seinen Energiebedarf durch die Gasfelder Leviathan und Tamar vor der Mittelmeerküste bereits gesichert. Im Juni dieses Jahres haben Israel, die EU und Ägypten ein Abkommen über mögliche Gaslieferungen von Israel über Ägypten nach Europa geschlossen. Nun haben wir auch ein Abkommen mit dem Libanon über die Seegrenzen, das Premierminister Lapid als historischen Erfolg bezeichnet hat, und das für die Erschließung des neuen Karisch-Gasfelds relevant ist. Das Abkommen wird Ländern auf der ganzen Welt erschwingliche Energie liefern. Die Gasförderung hat nun bereits begonnen. Das genaue Datum für die ersten Gaslieferungen nach Europa kann ich noch nicht nennen. Mit dem Abkommen sind wir dem Ziel aber bedeutend nähergekommen, Gas nach Europa zu liefern.

Seit Jahren sind alle Augen der Weltöffentlichkeit auf die Ereignisse in Gaza gerichtet. Wie ist die aktuelle Situation und was ist Ihrer Meinung nach die dauerhafte Lösung für den Konflikt zwischen Israel und Palästina?

Israels Hände sind immer in Richtung Frieden ausgestreckt. Ein Modell für Frieden, Zusammenarbeit, Sicherheit und Stabilität sind die Abraham-Abkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain, sowie die erneuten Beziehungen von Marokko mit Israel und die Öffnung seitens Sudan: Nach Ägypten und Jordanien sehen immer mehr arabische Länder Israel als Partner und nicht mehr als Feind. Das sind wunderbare Entwicklungen und eine positive Wende im Nahen Osten gerade in der aktuellen Zeit der globalen Krisen. Im Juni dieses Jahres fand zum ersten Mal das Negev-Forum statt: Die Aussenminister von Ägypten, Bahrain, Marokko, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Israel und den USA trafen sich, um die Koordination der Zusammenarbeit in der Region voran zu bringen. Ich selbst war letzte Woche zu Besuch in Jordanien, um an der OSCE Mediterranean Conference teilzunehmen. Dies sind die bedeutenden positiven Entwicklungen in der Region.

Auf der anderen Seite wird Israel noch immer von den Raketen der Hamas, die seit 2007 den Gazastreifen beherrscht und diesen zu ihrer Terrorbasis gemacht hat, bedroht. Die Hamas verschanzt sich hinter Zivilisten in Gaza und feuert absichtlich Raketen auf Zivilisten in Israel. Das ist ein doppeltes Kriegsverbrechen.

Jerusalem, Foto: Noam Chen/Israeli Ministry of Tourism

Israel hat in der Vergangenheit oft genug bewiesen, dass es für den Frieden bereit ist. Wir haben die Sinai-Halbinsel aufgegeben. Wir haben bereits seit Langem Friedensverträge mit Ägypten und Jordanien. Wir haben uns bereits 2005 aus dem Gazastreifen zurückgezogen. Leider haben die Palästinenser diese Chance nicht genützt. Auch die mit dem Oslo-Abkommen eingeleitete positive Entwicklung in den 1990er Jahren ist mit dem Terror der Palästinenser gegen Israelis gestoppt worden. Während wir verhandelt haben, haben palästinensische Terrororganisationen ihre Selbstmordattentäter in israelische Städte geschickt, um israelische Zivilisten grausam zu töten, in Restaurants, Cafés, vor Diskotheken, in Bussen. Seit der Gründung Israels haben wir leider mehr als 4.200 Terroropfer zu beklagen.

Premierminister Lapid hat vor kurzem in seiner Rede in der UN Vollversammlung betont, dass Israel Frieden mit der ganzen arabischen Welt anstrebt. Er sprach sich auch für die Zweistaatenlösung aus. Es reicht aber nicht der Wille einer Seite, man braucht einen Partner am Verhandlungstisch, der willens ist, wirklich Frieden zu schließen. Die Rechtfertigung und Unterstützung von Terror und Gewalt seitens der palästinensischen Führung verhindert den Frieden.

Botschafter Rodgold und Bundeskanzler Nehammer: Foto: Avi Hayun/MFA

Was ist Israels offizielle Position zu den Behauptungen des Irans, dass Israel und die USA hinter dem anschwellenden Widerstand innerhalb des Irans stehen?

Millionen von mutigen und bewundernswerten Iranerinnen und Iranern, die sich diesem radikalen islamistischen Regime entschlossen und selbstbewusst entgegenstellen, würden sich durch diese Behauptung beleidigt fühlen. Das iranische Regime verweigert Grundfreiheiten und unterdrückt die eigene Bevölkerung. Es belügt und täuscht die Welt seit seiner Machtergreifung nach der islamischen Revolution im Jahr 1979. Die Menschen im Iran haben längst genug von der brutalen und menschenverachtenden Mullah-Diktatur mit ihrer islamistischen, frauenfeindlichen und gewalttätigen Ideologie. Andersdenkende, Oppositionelle, Homosexuelle werden verhaftet, gefoltert und hingerichtet. Das iranische Regime hat die meisten Todesurteile pro Kopf weltweit zu verantworten. Die iranische Bevölkerung demonstriert jetzt aus freiem Willen für ihre Würde, ihre Grundrechte und für ihre Freiheit. Israel hat sich nach der Ermordung von Jina Mahsa Amini und den einsetzenden Protesten mit den Menschen im Iran natürlich solidarisch erklärt, wie auch die demokratischen Staaten in Europa.

Wir hatten nie ein Problem mit der Bevölkerung im Iran. Im Gegenteil, vor der Machtergreifung der Mullahs hatten wir sehr gute Beziehungen mit den Iranern. Wir haben keine territorialen Streitigkeiten mit dem Iran, wir haben nicht einmal eine gemeinsame Grenze. Doch das extremistische Regime wird von einer antisemitischen Ideologie geleitet und hat das Ziel, das es tagtäglich hinausposaunt: die Zerstörung des jüdischen Staates Israel. Dieses Regime verschwendet sehr viel Geld und Kraft, um dieses Ziel zu erreichen. Es betreibt ein illegales Atomwaffenprogramm, das die ganze Welt bedroht. Es finanziert Terrororganisationen wie Hisbollah, Hamas, Islamsicher Dschihad um Terror gegen uns aber auch im gesamten Nahen Osten, in Syrien, Jemen, Irak, dem Libanon und in den Palästinensergebieten zu verbreiten. Es finanziert sogar Terror gegen Oppositionelle in Europa. Ein ehemaliger iranischer Diplomat, der in Österreich stationiert war, und derzeit in Belgien im Gefängnis sitzt, war an der Planung eines Terroranschlags gegen Oppositionelle in Paris beteiligt. Oder denken wir an die Anschläge der Hisbollah auf israelische Touristen in Burgas in Bulgarien oder auf das jüdische Gemeindezentrum in Buenos Aires in Argentinien.

Hinter diesem Terror und Hass gegen Juden und Israel steckt die mörderische antisemitische Ideologie des iranischen Regimes. Der derzeitige Regime-Präsident Ebrahim Raisi war in früheren Jahren nicht nur für Massenhinrichtungen von Regimegegnern mitverantwortlich. Als Leiter einer Regime-Stiftung hat er selbst die Verbreitung des antisemitischen Pamphlets „Die Protokolle der Weisen von Zion“ an heiligen Stätten im Iran gefördert.

Und auch ganz aktuell zeigt sich eine andere Gefahr, die vom iranischen Regime ausgeht: Iranische Militärdrohnen werden im Krieg in der Ukraine auf mörderische Weise gegen Zivilisten und die Infrastruktur eingesetzt. Die Lieferung der iranischen Drohnen stellt einen Verstoß gegen die Resolution 2231 des UN-Sicherheitsrats dar.

Wie Sie sehen, ist das iranische Regime eine Bedrohung für seine eigenen Bürger, für Israel, für die ganze Region und nicht zu vergessen, für Europa und weltweit. Wir haben aus der Geschichte gelernt, jede Drohung, die sich gegen uns richtet, ernst zu nehmen.

In diesen für die Menschheit schwierigen Zeiten, in denen die Welt mit beispiellosen Krisen im Zusammenhang mit Energie, Wirtschaft und Finanzen zu tun hat, muss ich Sie, als Wirtschaftsexperten und jemanden der lange Zeit hohe Positionen bei der Wirtschaftsabteilung im Außenministerium Israels bezogen hat, fragen: Was muss Ihrer Meinung nach passieren, damit die Menschheit bald aus dieser Krise herauskommt und wie lang wird es dauern?

Ich habe natürlich leider auch keine Instantlösung für diese multiplen Krisen. Für mich steht aber eines fest: Wir dürfen keine Kompromisse bei unseren Werten machen und müssen gemeinsam an Lösungen arbeiten, um unsere demokratischen Gesellschaften zu bewahren. Gerade in Zeiten von globalen Herausforderungen brauchen wir Diplomatie und Zusammenarbeit.

Angesichts der globalen Ereignisse auf dem politischen und wirtschaftlichen Parkettboden, können Sie uns sagen, wie ist die wirtschaftliche Lage in Israel?

Wir sind bisher ganz gut durch die unruhigen Zeiten gekommen. Israel verzeichnete im 2. Quartal 2022 mit 6,8% das stärkste Wirtschaftswachstum der OECD-Staaten. Im Gesamtjahr 2022 erwartet die OECD für Israel ein Wachstum von 4,8%. Die Arbeitslosigkeit ist nach den Höhen während der Corona-Pandemie mittlerweile wieder auf rund 4% gesunken. Innovationsgeist, Wissenschaft, Forschung und Hightech-Unternehmen treiben die Wirtschaft voran. Israel ist heute weltweit an der Spitze in vielen technologiereichen Sektoren wie Informations- und Kommunikationstechnologien, Gesundheitswesen, erneuerbare Energien und Bekämpfung des Klimawandels, Cybersecurity, Smart Mobility, Nahrungsmittel- und Agrotech, um nur einige zu nennen. Aber natürlich stehen wir vor ähnlichen Herausforderungen wie Europa: Covid und steigende Lebenshaltungskosten, vor allem die hohen Wohnungskosten, sind ein großes Thema in der öffentlichen Debatte. Vielleicht kann Israel in Krisen etwas flexibler und pragmatischer als andere Länder reagieren, da wir seit unserer Gründung immer wieder schwierigen Situationen ausgesetzt waren. Wir wissen, dass es schwierig ist, aber man kann und muss diese Krisen gemeinsam meistern.

In den letzten Jahren sind Reiseziele in Israel für Touristen aus Europa immer attraktiver geworden. Hier sind es vor allem junge Menschen, die Israel für sich entdecken. Wie wichtig ist der Tourismus als Wirtschaftszweig für Israel?

Blicken wir kurz auf die Zeit vor der Corona-Pandemie: 2019 lag der Anteil vom Tourismus am BIP bei 6%, 2020 dagegen waren es nur noch 2%, schon 2021 gab es eine erste Erholung auf 3%. Von 2022 bis 2024 wird von einem Anteil von 4% ausgegangen. Erst 2025 rechnet man wieder mit einem Anteil von 6% wie vor der Pandemie.

2019 war auch ein ganz starkes Jahr für den Tourismus von Österreich nach Israel. Insgesamt verbrachten 49.000 Österreicher ihren Urlaub in Israel. Das waren 20% mehr als 2018 und unglaubliche 70% mehr als 2017. Dann kam natürlich die Corona-Pandemie und das Reisen, wie wir es kannten, war nicht mehr möglich, was natürlich für einem Einbruch bei den Zahlen sorgte. Wir sehen nun wieder ein Wachstum. Im Jahr 2022 kamen bis einschließlich September ca. 15.000 Österreicher nach Israel. Das sind noch 54% weniger als 2019, aber die Entwicklung stimmt uns zuversichtlich.

Denn Israel hat wirklich sehr viel zu bieten: Von Hermon im Norden, wo man sogar Ski fahren kann, bis zur Wüste Negev im Süden, und auch Eilat, wo man wunderbar tauchen kann. Tel Aviv, die hippe Metropole am Mittelmeer, ist mit seinen Stränden, Bars und Clubs vor allem bei jungen Leuten sehr beliebt, und nicht zu vergessen natürlich unsere Hauptstadt Jerusalem, Wiege von Weltreligionen, buntes Mosaik der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen Israels, ein Ort atemberaubender Kulturschätze und Zentrum unseres historischen Erbes. Man kann in Israel wunderbar essen, außerordentlichen Wein verkosten, in den bunten Naturlandschaften wandern, eine Vielfalt von Museen und archäologischen Stätten besuchen und noch vieles mehr.

Und besonders attraktiv: Israel ist nur knapp drei Flugstunden von Österreich entfernt. Vor der Pandemie, in den Boom-Jahren des Reisens, gab es in der Woche 43 Direktflüge von Österreich nach Israel. 39 Flüge von Wien nach Tel Aviv, zwei Flüge von Salzburg nach Tel Aviv und zwei Flüge von Wien nach Eilat. Die letzten Jahre waren natürlich eine Herausforderung für den Flugverkehr, aber die Kurve zeigt wieder deutlich nach oben. Nach 25 Flügen letztes Jahr halten wir aktuell schon wieder bei 30 Direktflügen in der Woche von Wien nach Tel Aviv. Und für alle, die im Winter Sonne tanken und im Roten Meer baden wollen: Ab dem 21.Dezember 2022 wird es rechtzeitig zu den österreichischen Weihnachtsferien zusätzlich zwei Mal pro Woche einen Direktflug von Wien nach Eilat geben. Allen unseren österreichischen Freunden sage ich, kommen Sie uns besuchen und tauchen Sie ein in mein faszinierendes Heimatland.

Tauchen und Delfine in Eilat // Foto: Tony Malkevist / Israeli Ministry of Tourism 

Und eine Frage zum Abschluss – Können Sie unseren Lesern sowie zukünftigen Besuchern Israels Ihre Lieblingsplätze verraten, geheime Tipps geben und empfehlen, welche einheimischen Spezialitäten sie bei einem Israelbesuch ausprobieren müssen?

Es ist wirklich schwer, nur einige wenige zu nennen: Auf jeden Fall sollte man in Jerusalem den Machane Yehuda Markt besuchen. Während des Tages bieten die Händler ihre wunderbaren, vielfältigen frischen Waren an, und am Abend kann man Bars und Restaurants besuchen. Die Vielfalt dieses Marktes erstaunt mich immer wieder. Das Naturschutzgebiet Palmachim, am Mittelmeerstrand im Süden von Tel Aviv gelegen, kann ich jedem Besucher empfehlen. Die israelische Küche hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt, und wird auch in Österreich immer beliebter, sowie die israelischen Weine, die man überall verkosten kann, von Galiläa und dem Golan im Norden, über die Berge am Carmel und den Judäischen Bergen zwischen Tel Aviv und Jerusalem bis zum neuestem Terror, nämlich den blühenden Weinreben in der Negev-Wüste. Die Liste könnte noch viel länger sein, aber ich lege allen ans Herz, Israel auf eigene Faust zu entdecken.

Radtouren, die Wüste Negev: Alon Ron / Israeli Ministry of Tourism

Text: Svetlana Nenadovic Glusac