Rede des Bundespräsidenten beim Requiem für Bundeskanzlerin a.D. Brigitte Bierlein
Eminenz!
Hohe Geistlichkeit!
Werte Angehörige!
Werte Freundinnen und Freunde der Verstorbenen!
Werte Trauergemeinde!
Wir sind hier bei diesem Requiem versammelt, um uns von der ersten Bundeskanzlerin der Republik Österreich zu verabschieden. Und ihrer zu gedenken.
Ende Mai 2019 hatte die Veröffentlichung des Ibiza-Videos, wie wir alle wissen, zu einer schweren innenpolitischen Krise geführt. Die Situation im Land war aufgeheizt.
Als ich Brigitte Bierlein damals fragte, ob sie das Amt der Kanzlerin übernehmen würde, erbat Sie sich eine kurze Bedenkzeit.
Ich suchte jemanden, so sagte ich ihr, der oder die mit einem umfassenden Wissen und sorgfältigstem Umgang mit unserer Verfassung die Geschicke unserer Republik nach innen und außen lenken kann.
Und wer wäre dafür besser geeignet, als sie, die damalige Hüterin dieser, unserer Verfassung?
Kurz danach erklärte Brigitte Bierlein öffentlich: “Ich sehe es als meine staatspolitische Verantwortung, in dieser bisher einmaligen Situation in der Geschichte der Zweiten Republik, meinen Teil beizutragen und diese hohe Verantwortung zu übernehmen.”
Dieser Satz, so empfinde ich es, charakterisiert treffend das Berufs-Ethos von Brigitte Bierlein.
Sie war eine treue Dienerin der Republik Österreich. Weitsichtig. Interessiert. Und in höchstem Maße kompetent. Und: Sie war eine mutige Frau.
Denn es war ja angesichts der aufgeheizten innenpolitischen Situation mit einem gewissen Risiko verbunden, eine Regierung anzuführen, die keine parlamentarische Mehrheit hinter sich hat.
Die innenpolitische Situation hat sich nach der Angelobung von Brigitte Bierlein binnen kurzem beruhigt. Das lag ganz sicher auch an ihrem umsichtigen Handeln in dieser sensiblen Zeit.
Sie und ihre Regierung waren außerordentlich populär, sie genoss hohes Ansehen in der Bevölkerung
Brigitte Bierlein hat unserer Heimat damit in einer sehr schwierigen Situation einen sehr großen Dienst erwiesen.
Dafür bin ich ihr als Bundespräsident und auch ganz persönlich sehr dankbar.
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Was sie tat, sie tat es mit Hirn und mit Herz. Mit Sachkenntnis – und Empathie. Mit Stärke – und Gelassenheit. Mit Selbstvertrauen – und Selbstkritik.
Dabei hat sie niemals ein Geheimnis daraus gemacht, dass nicht immer alles glatt läuft, und dass man oft eine gehörige Portion Mut braucht, dass es eben nicht immer leicht ist. Brigitte Bierlein war eben keine, die alles schönredet.
Sie wurde einmal gefragt, was man denn aus ihrer Biographie lernen könne. Ihre Antwort: “Chancen zu ergreifen! Nicht nein sagen!”
Welch eine Bedeutung so eine Lebenseinstellung für eine junge Frau oder für ein kleines Mädchen haben muss!
Brigitte Bierlein durchlebte eine außergewöhnliche berufliche Laufbahn. Sie war: erste Generalanwältin in der Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof, erste Vizepräsidentin des VfGH, erste Präsidentin des VfGH, erste Bundeskanzlerin der Republik Österreich.
Diese Laufbahn wurzelte in hoher Sachkenntnis, in dem Brigitte Bierlein eigenen Einfühlungsvermögen und schließlich der Fähigkeit, rasch auf neue Situationen zu reagieren.
Es gab aber auch ihre andere Seite:
Kunstsinnig und kulturinteressiert war Brigitte Bierlein immer schon. Vielleicht wissen das nicht alle: aber die Kunstakademie war eine Option, bevor die Wahl dann auf das Jusstudium fiel.
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So schloss sich auch ein Kreis: Indem sie ihre persönliche Leidenschaft und Expertise für Kunst und Kultur auch in den Dienst der Republik stellte, nämlich als sie den Aufsichtsratsvorsitz der “Bundestheater-Holding” annahm.
Als ich ihr den höchst möglichen Orden der Republik Verliehen habe, sagte sie: “Ich habe immer betont, dass mein beruflicher Lebensweg nicht geplant oder vorhersehbar war. Selbstständig und selbstbestimmt leben zu können – das war immer mein Ziel. Und ich war und bin überzeugt, dass das für alle Frauen eine Selbstverständlichkeit sein sollte.”
Ich hoffe, dass Brigitte Bierlein bewusst war, wie sehr sie andere inspiriert hat.
Sie war damit ein Vorbild, das viele Frauen auf ihrem Weg ermutigt hat. Sie wird für viele Frauen und Mädchen, nein, für uns alle, immer ein Vorbild sein.
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Svetlana Nenadovic Glusac
Fotos: Peter Lechner/HBF