Das Kunsthistorische Museum zeigt in seiner großen Frühjahrsausstellung Georg Baselitz (*1938), einen der bedeutendsten Künstler unserer Zeit, im Dialog mit den Alten Meistern.
“Wie eine Tapete sollen meine Bilder für die Alten Meister sein.” – Georg Baselitz
Aus Anlass seines 85. Geburtstags wurde Georg Baselitz zu einem Ausstellungsprojekt eingeladen, in dem der Künstler in ein visuelles Gespräch mit Cranach, Altdorfer, Baldung Grien, Parmigianino, Correggio, Tizian und Rubens sowie den Manieristen am Hof Kaiser Rudolfs II. Tritt. Er selbst traf die Auswahl der Werke. 73 seiner Gemälde und zwei Skulpturen aus den Jahren 1972 bis 2022 werden gemeinsam mit 40 Werken der Gemäldegalerie gezeigt, wobei sein Spätwerk in einer bisher nicht gekannten Fülle zu sehen sein wird. Formale und visuelle Kriterien dominieren dabei die Auswahl sowie die vollkommene Konzentration auf den Akt, die nackte Figur. Nicht die mythologischen und biblischen Geschichten der Altmeister-Gemälde interessieren Baselitz, sondern der menschliche Elementarzustand. Um dieses zentrale Thema der europäischen Kunst kreist die Ausstellung.
Zeichnung, Druckgrafik, Malerei und Skulptur: Baselitz betätigt sich \u2012 wie die Alten Meister \u2012 ausschließlich auf diesen Feldern und arbeitet seit seinem Frühwerk mit einem ausgeprägten kunstgeschichtlichen Bewusstsein, besonders beeindruckt durch den Manierismus und dessen programmatische Regelverstöße gegen das klassische Schönheitsideal der Renaissance \u2012 ein Aufbegehren als Konsequenz einer fundamentalen Krisenerfahrung, die ein Festhalten an überkommenen Ordnungsvorstellungen nicht mehr zuließ.
Die Malerei von Georg Baselitz kennzeichnet eine ganz außerordentliche Fähigkeit zur permanenten Selbsterneuerung: Künstlerisch nimmt er sich immer wieder die Freiheit, aufzubrechen, wohin er will. Er glaubt an die Autonomie der Kunst und inszeniert in dieser Ausstellung über Räume und Zeiten hinweg ein großes Selbstgespräch der Malerei.
In der Begegnung der Werke von Georg Baselitz mit historischen Bildern idealschöner Figuren des Kunsthistorischen Museums ergeben sich spannende Einsichten in die Geschichte der Aktmalerei sowie in die Aktualität von Malerei selbst.
“Das Konzept der Schau ist auch in der Ausstellungsgeschichte von Georg Baselitz ein neuer Höhepunkt. Er entschied sich sofort für die direkte Begegnung seiner Malerei mit der Kunst der Alten Meister, insbesondere des Manierismus. Rahmen an Rahmen, gegenüber und übereinander, in gleichen Räumen und Blickachsen”, so Generaldirektorin Sabine Haag.
“Die Werke handeln von der Nacktheit des Malers und der seiner Frau Elke, die bis heute sein einziges Modell blieb. Darunter sind die späten, teils vier Meter breiten Bilder über Körperlichkeit und Alter erschütternd in ihrer Gleichzeitigkeit von Fragilität und Monumentalität. Die in der Ausstellung vertretenen Arbeiten dokumentieren auch die Wandlungsfähigkeit des Malers: Fingermalereien, heftige Pinselhiebe, federleichte Bilder oder jüngst Collagen. Das Überraschungsmoment, die permanente Neuerfindung der Malmethode ist eines der zentralen Strukturprinzipien im Gesamtwerk des Künstlers”, so Kurator Andreas Zimmermann.
“Wie Kunsthistoriker Cranach, Correggio und so weiter aufschlüsseln, finde ich wunderbar, aber es hat mich als Maler nie sonderlich interessiert. Ich ziehe den Reichtum von woanders her, vor allem aus der Kühnheit, die bei einzelnen Malern stattgefunden hat. Die Kühnheit, Bilder zu verändern, Bilder neu zu kreieren”, so Georg Baselitz.
GEORG BASELITZ (*1938, Deutschbaselitz) prägt seit 1960 die internationale Kunst nachhaltig und zählt unbestritten zu den bedeutendsten Künstlern unserer Zeit. Als Reaktion auf das Trauma und die Tragödie des Zweiten Weltkriegs entwickelte er ein künstlerisches Vokabular, das sich auf das Werk seiner Vorfahren bezieht, aber dennoch einzigartig und völlig individuell ist. Seitdem hat Baselitz seine Praxis durch bildkünstlerische Erfindungen ständig erneuert, wobei er sich auf die Kunstgeschichte und sein eigenes umfangreiches Œuvre stützt, ohne sich auf einen einzigen, identifizierbaren Stil festlegen zu lassen. Unverwechselbar sind die auf den Kopf gestellten Motive, die das Werk von Georg Baselitz seit 1969 charakterisieren.
»Wenn man aufhören will, ständig neue Motive zu erfinden, aber trotzdem weiter Bilder malen will, so ist die Umkehr des Motivs die naheliegendste Möglichkeit. Die Hierarchie, in der der Himmel oben und die Erde unten liegt, ist ja ohnehin nur eine Verabredung, an die wir uns zwar gewöhnt haben, an die man aber durchaus nicht glauben muss.« – Georg Baselitz.
Ausstellung: BASELITZ NACKTE MEISTER
Kunsthistorisches Museum Wien / bis 25. Juni 2023