Kein Durchbruch bei Treffen May – Juncker

Die Zeit für Großbritanniens Premierministerin Theresa May und einen Brexit-Deal wird zunehmend knapp. Ein Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker brachte am Mittwoch erneut keinen Durchbruch. Die Gespräche waren „konstruktiv“, hieß es, doch die Irland-Frage bleibt ungelöst. Auch innenpolitisch nimmt der Druck auf May zu.

Bild: AP/Francisco Seco

„Die beiden Spitzenpolitiker waren sich einig, dass die Gespräche konstruktiv verliefen, und sie wiesen ihre beiden Teams an, die Optionen in einem positiven Geist zu prüfen“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung im Anschluss an das Treffen.

In den nächsten Tagen werde man erneut Bilanz ziehen. Der Zeitplan sei eng, und es sei von historischer Bedeutung, „die EU und Großbritannien auf einen Weg hin zu einer tiefen und einzigartigen künftigen Partnerschaft zu führen“. Noch im Februar wolle man sich abermals treffen. May deutete den Stand der Dinge in einem Fernsehstatement positiver und sagte: „Wir haben Fortschritte gemacht.“

„Backstop“ bleibt Streitpunkt

Einmal mehr ging es bei den Gesprächen um den „Backstop“, jene Notlösung, die garantiert, dass die Grenze zwischen Nordirland und Irland auf jeden Fall offen bleibt. Man habe bei den Gesprächen diskutiert, wie man diesen „Backstop“ in Zukunft ersetzen könnte. Beide Seiten bekräftigten ihre Ablehnung einer harten Grenze zwischen den zwei Ländern. Bewegung war in ihren Positionen aber nicht erkennbar. Vielmehr bekräftigte May im Sender Sky ihre Forderung nach „rechtlich bindenden Änderungen am Backstop, die sicherstellen, dass er nicht unbefristet gelten kann“. Genau das lehnt die EU jedoch ab.

Schon im Vorfeld waren die Erwartungen an das Treffen gering. Der Kommissionspräsident sagte noch unmittelbar davor, dass er keinen Durchbruch erwarte. Das hatte Juncker schon am Dienstag deutlich gemacht, während britische Regierungsvertreter Bewegung in den Gesprächen nahelegten. Auf die Frage, welche Einschätzung richtig sei, sagte Juncker knapp: „meine“.

Juncker erklärte im Vorfeld des Treffens, dass er sich eine Schnittwunde im Gesicht beim Rasieren zugefügt habe. „Ich erzähle Ihnen das, weil ich nicht will, dass Sie glauben, dass Frau May für diese Verletzung verantwortlich ist“, sagte er schon vor dem Treffen mit May bei einem Pressetermin mit dem slowenischen Präsidenten Borut Pahor.

Unabhängige Gruppe wird größer

Für Mays Regierungspartei, aber auch die Opposition rund um Labour-Chef Jeremy Corbyn, wird es unterdessen auch innenpolitisch eng. Am Montag spalteten sich zunächst mehrere Labour-Abgeordnete ab, um sich zu einer unabhängigen Gruppe zusammenzutun. Am Mittwochvormittag schlossen sich dann auch drei Tory-Abgeordnete an.

Heidi Allen, Sarah Wollaston und Anna Soubry verkündeten ihre Entscheidung in einem Brief an Premierministerin und Tory-Chefin May. Der Streit über den Brexit habe die Partei verändert und „alle Bemühungen um ihre Modernisierung zunichtegemacht“, begründeten sie ihren Schritt. Die Politik brauche eine schnelle, radikale Reform, „und wir sind entschlossen, unseren Beitrag zu leisten“. May äußerte ihr Bedauern, sagte aber, sie werde „an einer vernünftigen, moderaten und patriotischen Politik festhalten“.

Abspaltung bringt Torys im Parlament unter Druck

Die Torys haben unterdessen schon heute keine Mehrheit im Unterhaus mehr, sondern sind auf die Stimmen der zehn Abgeordneten der nordirischen protestantischen DUP angewiesen. Dass die Abspaltung bei der Opposition auch für die Regierungschefin gefährlich werden könnte, hatte der „Guardian“ bereits am Dienstag gemutmaßt. Ein Tweet von Wollaston wirkte zudem wie ein Warnschuss: „Bald wird nichts mehr übrig sein, um Wähler aus der politischen Mitte anzusprechen.“

Ähnlich hatten die sieben Labour-Abtrünnigen Chris Leslie, Chuka Umunna, Luciana Berger, Angela Smith, Gavin Shuker, Mike Gapes und Ann Coffey am Montag argumentiert: „Die Labour-Partei, der wir beigetreten sind, für die wir gekämpft haben und an die wir geglaubt haben, ist nicht mehr die Labour-Partei von heute.“ Sie stoßen sich am Umgang mit antisemitischen Tendenzen in der größten Oppositionspartei, vor allem aber an dem schlingernden Brexit-Kurs. Eine weitere Abgeordnete, Joan Ryan, kehrte der Partei am Dienstagabend den Rücken.

Eine Mehrheit der Labour-Mitglieder ist gegen den Brexit und will ein zweites Referendum über den Verbleib in der EU, Corbyn aber sträubt sich dagegen. Er glaubt, analysierte die deutsche „Zeit“, seine „sozialistische Politik besser außerhalb der EU als innerhalb eines Korsetts von EU-Vorschriften“ umsetzen zu können. Außerdem hat Corbyn aus seiner Abneigung gegen den gemeinsamen Markt und die EU nie einen Hehl gemacht. Die innerparteiliche Vereinbarung, die besagt, dass sich Labour für eine zweite Volksabstimmung starkmachen sollte, sofern es nicht gelingt, eine Neuwahl zu erzwingen, kümmert Corbyn wenig.

Hardliner geben bei Torys Kurs vor

Doch die Zerfallserscheinungen sind, wie am Mittwoch wieder sichtbar wurde, nicht auf Labour beschränkt, auch die Torys bieten im Gezerre um den Brexit ein mitunter beschämendes Bild. Die Hardliner um Jacob Rees-Mogg, die „No Deal“ bevorzugen, haben die Oberhand gewonnen und treiben May vor sich her. Den von ihr mit der EU ausgehandelten Brexit hat das Parlament klar abgelehnt, und es zeigt sich seither unfähig, einen Kurs zu finden.

Corbyn für Gespräche in Brüssel

Auch der angezählte Labour-Chef wird nun in Brüssel Gespräche führen. Corbyn trifft am Donnerstag EU-Verhandlungsführer Michel Barnier. Dass sich dadurch die Position der EU bewegen wird, ist aber unwahrscheinlich. Sollte sich keine Einigung finden lassen, steuert Großbritannien jedenfalls direkt auf einen ungeregelten Brexit am 29. März zu – was wohl auch innenpolitisch für die zwei großen Parteien enorme Auswirkungen haben wird.

(orf.at)