Der Judenplatz, ein kleiner viereckiger Platz im Zentrum Wiens, verbirgt das zweite Gebäude des Jüdischen Museums, das seit dem 27. November 2019 eine Ausstellung unter dem Titel Lady Bluetooth: Hedy Lamarr organisiert. Jedoch war das Museum, wie auch alle anderen Museen weltweit, wegen der Corona-Pandemie geschlossen.
Hedy Lamarr wurde am Anfang des 1. Weltkrieges am 9. November 1914 als Hedwig Eva Maria Kiesler in Wien geboren. Sie war die Einzeltochter eines reichen jüdischen Bänkers, der aus Lwiw (dt. Lemberg) in der heutigen Ukraine stammte, und einer Jüdin aus Budapest.
Wie es auch bei vielen anderen reichen Juden im damaligen Wien, die an das österreichische kulturelle Modell angepasst waren, wurde Hedy von ihren Eltern erzogen. In einem Interview, welches sich die Austellungsbesucher anhören konnten, erzählt ihr Sohn Anthony Loder von seinen Erinnerungen an seine Oma, die vor dem Anschluss in die USA auswanderte, und an die österreichischen Gerichte, die sie zubereitete, aber auch daran, dass man niemals über ihre jüdische Herkunft sprach.
Als Mitglied des hohen Standes in Wien verbrachte Hedy ihre Winter in Skigebieten und ihre Sommer an Seen. Als junges Mädchen war sie von der Theater- und Filmwelt begeistert. Mit 12 gewann sie einen Schönheitswettbewerb. Als sie 16 war, bekam sie ihre erste Rolle in der österreichisch-deutschen Komödie Geld auf der Straße. Der berühmte Produzent und Regisseur Max Reinhardt engagierte sie für ein Theaterstück. Er war von ihrer, wie Krleza es ausdrücken würde, „erotischen Intelligenz“, begeistert und nahm sie mit nach Berlin.
Mit 18 bekam sie ihre erste Rolle in einem erotischen Film, und zwar im tschechischen Film Ekstase (1933). Der Film wurde berühmt-berüchtigt. Europaweit wurde er gefeiert, aber in den konservativen USA verboten wie auch im zu dieser Zeit schon nazionalsozialistischen Deutschland!
Als sie die österreichische Kaiserin Elisabeth (die Ehefrau von Franz Joseph) spielte, lernte Hedy den 15 Jahre älteren Friedrich Mandl kennen, der damals der größte Waffenhersteller und der drittreichste Mann in Österreich war. Obwohl ihre Eltern wegen Mandls Beziehungen zu Benito Mussolini und Adolf Hitler gegen eine Ehe mit ihm waren, gab ihm die sture Hedy dennoch das Jawort. Später gab sie selbst in ihrer Autobiographie Ekstase und ich an, dass sie schnell begriff, sie lebe in einem goldenen Käfig in ihrem Schloss in Schwarzenau an der Grenze zu Tschechien, da Mandl seine junge Ehefrau eher als Trophäe sah.
– Ich begriff sofort, dass ich nicht beides werde sein können: Schauspielerin und Ehefrau. Er war ein absoluter Monarch in der Ehe und ich – eine Puppe, ein Gegenstand, eine Kostbarkeit, die verschlossen gehalten werden sollte! – schrieb sie später über ihre Ehe.
In einer Nacht im Jahr 1937 legte sie all den Schmuck, den sie besaß, an und floh nach Paris. Dort lernte sie einen der größten Filmemacher Hollywoods kennen – den berühmten Louis B. Mayer, den Besitzer von MGM. Er bot ihr einen Vertrag über 125 US-Dollar wöchentlich an, doch sie lehnte das Angebot ab und kaufte sich ein Ticket für das Kreuzfahrtschiff Normandie, mit dem auch Mayer nach New York zurückkehrte. Als er während der Fahrt feststellte, was für eine Wirkung Hedy auf Männer hatte, steigerte er das Angebot auf damals spektakuläre 500 US-Dollar pro Woche – und so wurde ein Hollywoodstern geboren. Sie bekam den Nachnamen Lamarr als Homage an die berühmte Stummfilmheldin Barbara La Marr, die zehn Jahre zuvor im Alter von 29 Jahren verstarb.
Mayer präsentierte Hedy als „die schönste Frau der Welt“. Er glaubte, sie sei die nächste Greta Garbo oder Marlene Dietrich, und schon im nächsten Jahr bekam sie die Hauptrolle im Film Algiers. „Die Leute seufzten im Kino jedes Mal, wenn sie auf der Leinwand zu sehen war. Ihre Schönheit war wortwörtlich atemberaubend!“, so beschrieb einer der Zuschauer seinen Eindruck der Presse.
Nach dieser Phase ihrer Karriere kommt man in einen anderen Raum im Museum, wo die Geschichte über ihre nächsten Ehen (insgesamt waren es sechs), die Höhen und Tiefen, aber auch ihre Karriere als Erfinderin beginnt. Da sie mit ihrem ersten Ehemann, dem Waffenhersteller, Sitzungen und Konferenzen besuchte, traf Hedy zahlreiche Wissenschaftler aus diesem Bereich und fing allmählich an, sich für technologische Innovationen zu interessieren. Während des Zweiten Weltkrieges ging sie mit dem wunderbaren Howard Hughes aus und überredete ihn, das Design seiner Flugzeuge aerodynamischer zu machen, indem sie ihm Fotos der schnellsten Fische und Vögel in der Natur zeigte. Gemeinsam mit dem Pianisten George Antheil meldete sie etwas wie einen Vorläufer der heutigen Bluetoothwellen als Patent an.
Nach ihrem letzten Film The Female Animal (1958) unterzeichnete Hedy noch einen Vertrag, jedoch verließ sie das Filmset von Das Kabinett der blutigen Hände 1966 wegen eines Nervenzusammenbruchs, weswegen Zsa Zsa Gabor die Rolle übernahm. Ein Jahr zuvor ließ Hedy sich zum sechsten Mal scheiden und machte damit den ersten Schritt in einen 35-jährigen Lebensabschnitt der Einsamkeit. In einem von zwei Interviews vom Ende der 60er Jahre, die bei der Ausstellung zu sehen sind, erzählt Hedy davon, dass sie begriffen hatte, dass die USA nichts für sie waren, dass die Menschen dort kalt und kalkuliert waren und dass sie gerne nach Österreich zurückgehen würde, wo sie auch hingehöre. Dies geschah jedoch nicht. In den letzten zehn Jahren ihres Lebens kommunizierte sie mit der Außenwelt und auch mit ihren Kindern ausschließlich per Telefon. Sie konnte die Tatsache, dass sie nicht mehr die „schönste Frau der Welt“ ist, nicht ertragen. Diese Zeit prägten auch zwei bizarre Zwischenfälle: Sie wurde wegen Ladendiebstahls verhaftet und in Florida wurde sie mit gestohlenen Abführmitteln und Augentropfen im Wert von 21,48 Dollar erwischt.
Sie starb im Jahr 2000 in einem Alter von 85 Jahren völlig allein in Florida. Ihr Sohn Anthony Loder verstreute ihre Asche im Wienerwald, wie es sich die Schauspielerin ausdrücklich in ihrem Testament wünschte.
Ausstellung: Lady Bluetooth. Hedy Lamarr
bis 08 Nov 2020 / Museum Judenplatz
(Robert Coban)