Im Rahmen der Rubrik “Diplomatische Residenzen und Gebäude in Wien” präsentieren wir Ihnen im Magazin Diplomacy and Commerce Austria diesmal die niederländische Residenz in Wien.
Es handelt sich um ein einzigartiges Gebäude, das wir, die DC Austria Redaktion, Ihnen heute gerne vorstellen. Die derzeitigen Bewohner, Frau Saskia Höfgen und S.E. Aldrik Gierveld, Botschafter des Königreichs der Niederlande in der Republik Österreich, präsentieren uns ihr Domizil mit Stolz.
Es ist nämlich das Haus, das für die Bedürfnisse des berühmten Komponisten Richard Strauss nach seinen Vorstellungen und Wünschen gebaut wurde.
Wiener Domizil für den Komponisten Richard Strauss
Im Jahre 1919 wurde Richard Strauss zum Direktor der Wiener Staatsoper ernannt und der erste Wohnsitz der Familie war eine Wohnung am Mozartplatz.
Entschlossen, ein Haus für die Bedürfnisse seiner Familie zu bauen, in dem sie allen Komfort haben würden, machten sie sich auf die Suche nach einem geeigneten Grundstück für den Bau eines Hauses.
Nachdem Strauss zwei Bauplätze in Schönbrunn abgelehnt hatte, weil diese wichtigen Voraussetzungen nicht erfüllten, wie in die Entfernung zur Oper, fiel die Entscheidung auf den sogenannten “Kammergarten”, der zum Schloss Belvedere gehörte.
Es war ursprünglich eine Vereinbarung zwischen der österreichischen Regierung und Richard Strauss auf eine Pacht auf 90 Jahre, danach sollte das auf dem Grundstück gebaute Haus zurück an die Stadt fallen.
Wiviel zahlte Strauss für den Bau der Villa?
Der berühmte Komponist bezahlte für das Grundstück und den Bau der Villa, indem er der Österreichischen Nationalbibliothek die Originalpartituren des “Rosenkavalier” und von “Schlagobers” überließ.
Strauss tat jedoch alles, um das Grundstück zu seinem Eigentum zu machen, was ihm in vielen Verhandlungen gelang. Der Deal war folgend: er stellte zusätzlich noch die Partitur von der “Ägyptische Helena” zu Verfügung und verpflichtete sich dazu, auf die Gage von 100 Opernabenden als Dirigent zu verzichten.
So gelangte das Schlössl in den Besitz der Familie und der Komponist sagte damals: “Obwohl ich die an sich großzügige Geste zu schätzen weiß, muß doch gesagt werden, daß ich mein Grundstück mit 60.000 Dollar für die drei Partituren und 200.000 Schilling fürs Dirigieren im Endeffekt angemessen, wenn nicht gar zu teuer, bezahlt habe”.
Finanziert wurden Grundstück und Bau außer mit den drei Partituren und dem Verzicht auf die 100 Dirigentengagen noch durch die Einkünfte seiner Auslandstourneen und einem Darlehen der Familie seiner Schwiegertochter.
Ein Gemeinschaftsprojekt von Strauss und dem Architekten Michael Rosenauer
Nachdem das Grundstück in den Besitz von Strauss übergegangen war und Gelder für den Bau bereitgestellt wurden, fiel die Planung, am Traumhaus des Komponisten zu arbeiten, auf den jungen Architekten Michael Rosenauer (1884-1971).
“Die Persönlichkeit des Menschen, der darin leben und arbeiten muß, bestimmt die Anatomie eines Hauses” – sagte damals der Architekt.
Die österreichische Regierung ließ dem Auftraggeber und seinem Architekten bei der Planung freie Hand, bat jedoch darum, das Haus so zu gestalten, dass es mit der Barockarchitektur des nahelegenden Belvedere harmonieren würde.
Inspiration fanden die beiden Männer bei einem gemeinsamen Besuch sämtlicher Renaissance- und Barockpalais in Venedig, wobei Rosenauer bei dieser Reise eine gute Vorstellung vom künstlerischen Geschmack Richard Strauss bekommen konnte.
Zwei Wochen wurden die Pläne gezeichnet, danach begab sich Strauss für ein Jahr auf Tournee. Aber, der Komponist blieb mit dem Projekt verbunden, was zahlreiche Briefe und Telegramme mit Wünschen und Anweisungen, die aus verschiedenen Ecken der Erde eintrafen, belegen.
Die Anpassung an die Umgebung und das Belvedere sowie die praktischen Wünsche der zukünftigen Mieter wurden in den Stil der Villa Strauss eingebracht
Dass die Bedürfnisse der Familie Strauss dem Architekten am wichtigsten waren, zeigen die Pläne, die genau gemäß den Wünschen der Familie angefertigt wurden.
Die Angst von Frau Strauss vor Einbrechern war nämlich so groß, dass Rosenauer Fenster Gittern und zierlichen Ornamenten entwarf, so dass diese barocken Details zum wichtigsten dekorativen Element der Fassade wurden.
Ein interessantes Detail ist sicherlich die orientalische Kuppel, die auf vier Säulen ruht und somit einen Teil des Haupteingangs bildet.
Dieses Kuppeldach auf der Strauss-Villa ist jenen auf den beiden Seitentürmen des Oberen Belvederes nachempfunden, die eine Hommage an längst vergangene Zeiten – die Türkenkriege und den berühmten Feldherren und Bauherren des Belvedere, Prinz Eugen von Savoyen, darstellten. So entstand eine Symbiose in der Umgebung.
Eines der Probleme war die vier Meter hohe Erhebung zwischen der Straße und dem Gelände auf dem das Haus entstehen sollte. Der Architekt löste dies praktisch, indem er eine Einfahrt bauen ließ und der optische Effekt war beeindruckend. Richard Strauss war nach seiner Rückkehr von seiner Tournee begeistert.
Das Strauss-Schlössl wurde mit zwei Wohneinheiten gebaut, so konnte im Erdgeschoß das einzige Kind von Strauss – Dr. Franz Strauss mit seiner Frau Alice und später deren beider Sohne (Richard und Christian) wohnen. Auf der Beletage wohnte und arbeitete Komponist Richard Strauss mit seiner Frau Pauline.
Strauss-Schlössl im Strudel des Zweiten Weltkriegs
Es ist bekannt, dass die Familie Strauss im Winter in Wien lebte, während sie die Sommer in ihrer Villa in Garmisch-Partenkirchen verbrachten. Dieses Domizil befand sich in den bayerischen Alpen mit Blick auf die Zugspitze – der berühmte Komponist finanzierte diesen Bau mit den Einkünften aus seiner Oper Salome.
Im Juni 1944 begannen die Bombenangriffe auf Wien, allerdings waren meist die Randgebiete betroffen. Trotz der Bombardierung Wiens traf Richard Strauss am 11. Juni in Wien ein, um seinen 80. Geburtstag zu feiern.
Wie man später erführ, war Richard Strauss zu dieser Zeit bei der Partei so unerwünscht, dass die Parole ausgegeben worden war, bei seinem Geburtstag nur seine Werke und nicht seiner Person zu feiern.
Zur Jubiläumsfeier kamen zahlreiche Gäste aus der Musikwelt, und im Musikvereinssaal fand eine Matinee mit den Philharmonikern statt. Für Richard Strauss wurde dieses Fest das letzte in seinem Wiener Traumhaus.
„Am 11. Juni, dem Tage seines achtzigsten Geburtstages, waren meine Frau und ich schon seit dem frühen Morgen zu Gast bei der Familie Strauss, die damals in der Jacquingaasse wohnte. Ein Gratulant nach dem anderen fuhr vor“, schrieb damals der berühmte Dirigent Karl Böhm.
Nach der Feier anlässlich seines 80. Geburtstages übersiedelten Paulina und Richard Strauss nach Garmisch, nicht ahnend, dass sie sein Haus nie mehr wiedersehen werden.
Am 10. September 1944 kam der erste große Bombenangriff auf die Wiener Innenstadt. Es gelang der Familie einen Großteil an Möbeln, Goblins, wertvollen Gemälden und andere Kunstgegenstände per Bahn sicher nach Garmisch-Partenkirchen zu transportieren. Die restlichen Gemälde wurden im Archiv im Schloß Eckartsau untergebracht.
Als die Bombardements zahlreicher wurden, übersiedelte Franz Strauss mit Gattin und dem jüngeren Sohn Christian Anfang Dezember nach Garmisch-Partenkirchen, der ältere Sohn Richard blieb in Wien und übersiedelte in eine kleine Wohnung gegenüber vom Belvedere.
Wie die Luxusvilla zum militärischen Quartier verschiedener Armeen wurde
Nach dem Auszug der Familie Strauss aus der Villa wurden die neuen Mieter in der Jacquingasse SS-Soldaten, dann zog die serbische Exilregierung ein. Am 10. April 1945 erreichten die Russen Wien und kurzdarauf zogen hundert russische Soldaten gemeinsam mit 50 Hunden ein.
In dieser Zeit wurde alles, was vorher nicht zerstört worden war, vernichtet. Das Klavier und die wenigen Reste der Möbel sowie das Parkett wurden zum Heizen verwendet.
Im Sommer 1945 wurde Wien von den Alliierten auf vier Besatzungszonen geteilt, und die Jacquingasse lag in der britischen Zone. So wurde kurz darauf im Strauss-Schlössl die englische Offiziersmesse eingerichtet.
Da auch das Schloss Schönbrunn im britischen Sektor lag, wurden von dort Möbel, Porzellan und Tafelsilber in das Strauss-Haus gebracht. Bei einem Besuch des Enkel Richard Strauss’ in seinem ehemaligen Haus auf Einladung Engländer sagte er, er habe noch nie so edles und vergoldetes Porzellan in seinem Haus gesehen und kommentierte “Es war einfach kaißerlich!”
Strauss-Schlössl wurde zur niederländischen Kanzlei
Nach Kriegsende nahmen die Niederlande wieder diplomatische Beziehungen zu Österreich auf, jedoch zum damaligen Zeitpunkt nur in der Form einer militärischen Mission.
Nach ausgiebiger Korrespondenz mit Richards Sohn, Dr. Franz Strauss, dem damaligen Eigentümer des Hauses, der von den Besatzungsmächten keine Einreiseerlaubnis erhalten konnte, wurde eine Einigung erzielt.
Der Stolperstein der Verhandlungen war finanzieller Natur, aber am Ende wurde eine Einigung erzielt, wonach Franz Strauss die Kosten der Außenseite des Hauses: Dach, Balustrade, eingestürzte Mauern, Verputz und Struktur übernahm und die niederländische Gesandtschaft die Kosten der Innenrenovierung und die Reparaturkosten im Inneren des Hauses tragen würde.
Mit dem Auszug der Engländer aus dem Haus wurde am 25. Juni 1949 ein Vertrag unterzeichnet, der am 1. September 1949 in Kraft treten sollte.
Die niederländische Residenz, in der Gasse, die nach einem Niederländer benannt wurde
Der Zufall wollte es so, dass die niederländische Residenz, die sich im Strauss-Schlössl befindet, sich in einer der wenigen Straßen in Wien befindet, die nach einem Niederländer benannt ist – Jacquingasse.
Nämlich Nikolas Joseph Jacquin, geboren 1727 in Leiden (NL) und 1817 in Wien gestorben. Er studierte in Leuvren Philosophie und Philologie, danach Medizin an der Universität Leiden, schlussendlich, bei einer Studienreise nach Paris, begann er sich mit Botanik zu befassen.
Der Leibarzt Maria Theresias holte ihn 1752 nach Wien und bereits 1754 wurde Jacquin von Kaiser Franz Stephan von Lotringen ausgewählt, die erste große, wissenschaftliche Expedition nach Westindien zu leiten.
Nach seiner Rückkehr von der Expedition brachte Jaquin unzählige exotische Pflanzen und Tiere nach Wien, was ihm 1768 eine Professur für Botanik und Chemie an der Universität Wien einbrachte. Damit verbunden war die Stelle des Direktors des Botanischen Gartens sowie die des wissenschaftlichen Leiters des Schönbrunner Schlossgarten.
Einige Zeit davor hatte Maria Theresia ein Landgut am Rennweg gekauft um dort Heilkräuter anzupflanzen und Nikolas Joseph Jacquin war derjenige, der diesen Garten in einen botanischen Garten umgestaltete.
Für seine Verdienste wurde Jaquin dadurch geehrt, dass die Straße, in der sich der botanische Garten der Universität Wien befindet (sowie die Residenz des niederländischen Botschafters) seinen Namen tragen – Jacquingasse.
Das Strauss-Schlössl hat im Laufe der Jahre sein Bestimmung geändert
1953 kam der neue niederländische Gesandte E. Star Busman nach Wien, im Jahr 1957 als die Gesandtschaft zur Botschaft erhoben wurde, wurde Busman der erste niederländische Diplomat in Wien mit Botschaftertitel.
Das ist nicht die einzige Besonderheit bei Busman. Botschafter Busman hatte zwei Töchter, die beide Österreicher geheiratet hatten, und sie feierten ihre Hochzeit in der Residenz ihres Vaters in Wien. Bisher sind dies die einzigen zwei Hochzeitsfeiern, die im Strauss-Schlossl abgehalten wurden.
Im Laufe der Jahre wuchs das Arbeitsvolumen in der Botschaft an und damit auch die Zahl der Mitarbeiter, so dass das Obergeschoß des Strauss-Hauses irgendwann für die niederländische Auslandsvertretung in Wien zu klein wurde. So kam es, dass 1969 die niederländische Botschaft in die Untere Donaustrasse übersiedelte und von dort wiederum im Jahr 1997 in den ehemaligen Heinrichshof am Opernring 5, wo sich heute noch die Botschaft des Königreichs der Niederlande in Wien befindet.
Die holländische Residenz
Die holländische Residenz in der Jacquingasse wurde im Laufe der Zeit mehrfach renoviert und dient heute repräsentativen Zwecken. Im Strauss-Haus finden heutzutage verschiedene, von der niederländischen Botschaft organisierte Veranstaltungen statt, wie Konzerte, Literaturabende, Ausstellungen, Meetings, repräsentative Mittag- und Abendessen sowie verschiedene Empfänge, dem – während der Regentschaft von Königin Beatrix – Königintag und im neuerer Zeit – dem Königstag, gewidmet Seiner Majestät König Willem Alexander, der jedes Jahr große Aufmerksamkeit auf sich zieht.
In den 98 Jahren seines Bestehens zogen zahlreiche bedeutende Persönlichkeiten aus der Welt der Politik, Musik und Diplomatie durch das Strauss-Schlössl, und so war es auch, dass im Jahr 1962 die Prinzessinnen Beatrix, Irene und Margaret den Wiener Opernball besuchten und in der Residenz logierten. Später, als Königin, im Jahr 1985 besuchte Ihre Majestät Königin Beatrix gemeinsam mit Prinz Claus noch einmal Wien und holländische Residenz.
Der erste offizielle Besuch von Seiner Majestät König Willem Alexander, König der Niederlande, und seiner Gemahlin Maxima zog Ende Juni die Aufmerksamkeit der österreichischen Öffentlichkeit auf sich. Während des Besuchs in Wien wurde in der niederländischen Residenz ein Empfang für den König und die Königin organisiert, die sich bei dieser Gelegenheit mit prominenten Mitgliedern der niederländischen Gemeinde trafen.
Svetlana Nenadovic Glusac