Ausstellungshäuser vermelden immer neue Besucherrekorde: Wem es nützt, wem es schadet
„Nur einmal im Leben“ böte sich die Gelegenheit, derart viele Gemälde Pieter Bruegels d.Ä. versammelt zu sehen. Der Slogan zielte direkt aufs Alarmzentrum – und trieb auch Menschen, die in den letzten Jahrzehnten keinen Blick auf die zwölf permanent in Wien ausgestellten Gemälde des Meisters geworfen hatten, ins Kunsthistorische Museum. Mit 408.000 Besucherinnen und Besuchern war die Bruegel-Ausstellung die erfolgreichste in der Geschichte der Institution, gab das KHM bekannt.
Mit dem Rekordjubel ist das Haus allerdings nicht allein: Die Albertina meldete zuletzt 490.000 Gäste in ihrer großen Monet-Retrospektive, die am 6. Jänner schloss, sowie mehr als eine Million Besucherinnen und Besucher 2018. Das Obere Belvedere hatte die Millionengrenze bereits Ende November 2018 erreicht (gesammelte Zahlen der Bundesmuseen werden vom Kulturministerium erst veröffentlicht).
Stars und Schlangen
Der Aufwärtstrend der Museenbesuche scheint sich auch international fortzusetzen – doch er ist keineswegs universell. Denn während viele Institutionen auf Großausstellungen setzen, sind andere von Touristenströmen abhängig, die je nach politischer und ökonomischer Weltlage sprudeln oder versiegen können.
Im Pariser Louvre etwa führte man den Besucherrekord 2018 – mit 10,2 Millionen waren es mehr Schaulustige als je zuvor – teils darauf zurück, dass sich der Touristenzustrom nach den Terrorattacken vom November 2015 wieder erholt habe. Ein Video der Popstars Beyoncé und Jay-Z habe ebenfalls das Interesse angekurbelt. In London klagten Institutionen wiederum darüber, dass das touristische Interesse nach dem Aufschwung infolge der Olympischen Spiele 2012 nachgelassen habe.
„Museen in touristischen Hotspots verbuchen Zuwächse – aber nur, wenn sie sich dort auf den Hauptrouten befinden“, weiß Wolfgang Muchitsch, Direktor des Universalmuseums Joanneum in Graz und Präsident des österreichischen Museumsbundes. Eine Studie in dessen Auftrag errechnete, dass ÖsterreichsMuseen rund 1,8 Milliarden Euro Wertschöpfung anstoßen und 30.800 Arbeitsplätze sichern.
Wer nicht zu den absoluten „Must-Sees“ im Städtetourismus zählt, muss aber oft großen Aufwand treiben, um die Massen anzulocken. Blockbuster-Ausstellungen sind dabei ein zwiespältiges Unterfangen – der Kommentator Tim Schneiderverglich sie mit Ehemännern, die ihre Beziehung nur mit immer teureren Geschenken am Laufen halten können. Wer nur bei „Einmal im Leben“-Gelegenheiten ins Museum geht, kommt kaum auf die Idee, dass man sich auch sonst dort aufhalten könnte.
Doch ein Ende der Attraktionen ist nicht in Sicht – und allen ist gemein, dass sie die Ausstellungshäuser vor große logistische Aufgaben stellen. KHM-Chefin Sabine Haag mischte in den Jubel zum Bruegel-Rekord gleich auch ihren „Wunsch nach einem Ausbau der Ausstellungsflächen für künftige Großausstellungen“.
Gut für Mensch und Ding
Die Staffelung des Zugangs nach Zeitfenstern und die Auslagerung von Kassen und Garderoben – teils in Container und Zelte vor dem Museumsgebäude – ist für Wien ein relatives Novum. Haags Nachfolger Eike Schmidt hatte an seiner derzeitigen Wirkungsstätte, den Uffizien in Florenz, ebenfalls viel zu tun, um die Besucher – 2018 war mit mehr als vier Millionen Gästen auch hier ein Rekordjahr – besser zu verteilen. Dass gerade viele historische Museen nicht für den touristischen Massenbetrieb gebaut sind, führt unweigerlich zu Herausforderungen.
„Es gibt eine Grenze, ab der das Objekt leidet“, sagt Museumsbund-Präsident Muchitsch. Gerade bei hochkarätigen Leihgaben haben Museen ihren guten Ruf zu verlieren, wenn etwa die klimatischen Bedingungen nicht gewährleistet werden können. „Doch natürlich geht es auch um die Qualität des Besuchs“, sagt Muchitsch. „Hat der der Einzelbesucher noch einen qualitätvollen Zugang zum Museum?“ Die Dringlichkeit solcher Fragen wird nicht geringer werden.
Info: Was man 2019 sehen müssen wird
Der Prado in Madrid feiert im September seinen 200. Geburtstag. Im Zuge der Feierlichkeiten wird der vom britischen Star-Architekten Norman Fosterentworfene Umbau namens Prado Campus eingeweiht, der das Museum zur Stadt öffnen und einen Aufenthaltsraum für das Publikum schaffen soll. Mit vielen Sonderausstellungen – darunter eine zu den Künstlerinnen Sofionisba Anguissola und Lavinia Fontana – sucht das Haus Anschluss ans 21. Jahrhundert.
Das Blockbuster-Jubiläum schlechthin ist aber der 500. Todestag von Leonardo Da Vinci. Gedacht wird an dessen einstiger Wirkungsstätte Mailand, der große Magnet dürfte aber die Retrospektive des Louvre in Paris im Herbst werden.
In den Niederlanden wird an den 350. Todestag von Rembrandt erinnert. Das Rijksmuseum in Amsterdam zeigt aus diesem Grund von 15. Februar bis 10. Juni alle Rembrandt-Werke seiner Sammlung (22 Gemälde, 60 Zeichungen, über 300 Drucke) her und lädt ab Juli das Publikum ein, bei der Restaurierung des Hauptwerks “Die Nachtwache” zuzusehen.
In Wien geht das KHM mit einer großen Schau des abstrakten US-Malers Mark Rothko (12.3. – 30.6.) sowie einer Ausstellung der Barockgrößen Caravaggio und Bernini (ab 20.10.) an den Start. Die Albertina zeigt ab 20.9. eine Werkschau von Albrecht Dürer mit dessen berühmtesten Werken
(kurier.at, hub)