Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird am Dienstag die Regierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz des Amtes entheben. Zuvor war dem Kabinett in einer Sondersitzung des Nationalrates das Misstrauen ausgesprochen worden.
Guten Abend meine sehr geehrten Damen und Herren!
Guten Abend auch an die Journalistinnen und Journalisten!
Die österreichische Politik ist in einer außergewöhnlichen Situation.
Und deshalb darf mich direkt an Sie, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, wenden und Ihnen berichten, wo wir heute Abend stehen.
Also der Reihe nach:
1.
Eine Mehrheit der Abgeordneten des Nationalrates hat heute der Bundesregierung das Misstrauen ausgesprochen.
Der Herr Nationalratspräsident hat mich
anschließend davon offiziell in Kenntnis gesetzt.
Ich habe alle Unterlagen überprüft
und bin zum Ergebnis gelangt,
dass dieser Beschluss des Nationalrates
alle von unserer Bundesverfassung
geforderten Voraussetzungen erfüllt.
Also:
Eine Mehrheit der gewählten Volksvertreterinnen und Volksvertreter, eine Mehrheit der Abgeordneten im Parlament,
haben der Bundesregierung heute ihr Vertrauen entzogen.
2.
Daher werde ich morgen am späteren Vormittag
entsprechend meiner Verpflichtung
nach Artikel 74 Absatz 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes
diese Bundesregierung des Amtes entheben.
Das ist zwar kein alltäglicher,
aber doch im Grunde genommen
ein ganz normaler, demokratischer Vorgang.
Unsere Bundesverfassung hat dafür klar und unmissverständlich einzuhaltende Schritte vorgesehen.
Meine Aufgabe ist es jetzt,
so wie schon in der Vorwoche,
für die korrekte Abfolge und Einhaltung dieser Schritte zu sorgen.
3.
Das ist in diesem Fall besonders wichtig,
da auch in dieser politisch unübersichtlichen Situation
unser Staat, die Republik Österreich
immer funktionieren muss.
Insbesondere müssen immer alle Ministerien
zu jeder Zeit, zu jeder Minute
mit einem Minister bzw. einer Ministerin besetzt sein,
um die volle Handlungsfähigkeit
und die ordnungsgemäße Verwaltung der Republik sicherzustellen.
Warum ist das so wichtig?
Stellen Sie sich vor, liebe Österreicherinnen und Österreicher,
der Wirtschaftsminister eines anderen Landes
benötigt beispielsweise Informationen und versucht,
seinen österreichischen Amtskollegen zu erreichen
und niemand hebt das Telefon ab.
Oder eine wichtige Überweisung oder ein Budget
im Finanzministerium ist zu genehmigen
und es gibt keinen Finanzminister?
Oder Richter könnten ohne Justizminister nicht ernannt werden.
Das ist undenkbar.
Und deswegen sieht die Verfassung vor,
dass alle Regierungsämter immer besetzt sein müssen.
Auch in Situationen eines Übergangs bis zur nächsten Nationalratswahl.
Meine Damen und Herren,
die Bestellung einer neuen Bundesregierung,
und sei es nur eine für eine Übergangszeit,
ist aber keine Angelegenheit,
die man leichtfertig und überhastet angehen darf.
4.
Die Verfassung sieht für solche Fälle
unter anderem die Möglichkeit vor,
dass der Bundespräsident bis zur Ernennung
einer neuen Bundesregierung
die aus dem Amt scheidenden Bundesminister und Bundesministerinnen
mit der Fortführung der Verwaltung ihrer Ressorts betraut.
Um Zeit für die notwendigen Gespräche zu gewinnen,
werde ich daher von dieser in unserer Bundesverfassung
für solche Fälle vorgesehenen Möglichkeit
Gebrauch machen und gemäß Artikel 71 der Verfassung
gleichzeitig mit der Enthebung der Bundesregierung
diese mit der Fortführung der Amtsgeschäfte betrauen.
Klingt ein wenig kompliziert,
ist aber grundvernünftig.
Herrn Vizekanzler Hartwig Löger werde ich
im Rahmen dieses Vorganges
mit der Fortführung der Verwaltung des Bundeskanzleramtes
und mit dem Vorsitz in der einstweiligen Bundesregierung betrauen.
Meine Damen und Herren,
das ist quasi eine Art Provisorium,
bis wir in wenigen Tagen eine Lösung gefunden haben werden,
die bis zu den Neuwahlen trägt.
5.
Wie geht es nun weiter?
Zum Wohle unserer Republik gilt es, eine stabile, tragfähige Situation herzustellen. Selbstverständlich werde ich darauf schauen, dass die Suche nach einer neuen Bundesregierung so rasch wie vertretbar, aber so sorgfältig und umsichtig wie geboten erfolgt.
Ich werde nur eine Kanzlerin bzw. einen Kanzler vorschlagen,
die oder der sich der Unterstützung oder zumindest der Duldung
im österreichischen Nationalrat sicher sein kann.
Ich beabsichtige, eine breite Zustimmung sicherzustellen,
bevor die Übergangsregierung eingesetzt wird.
Auch um weitere Misstrauensvoten nach einer Einsetzung zu vermeiden.
Ich appelliere daher an die Parteien,
an alle Parteien im Nationalrat,
sich konstruktiv an dieser Entscheidungsfindung zu beteiligen.
Es braucht nun einen gewissen Konsens, um das Wohl Österreichs weiterhin sicher zu stellen.
Ich habe in diesem Sinne begonnen
Gespräche mit allen im Parlament vertretenen Parteien zu führen und werde das auch weiterhin intensiv tun.
Liebe Österreicherinnen und Österreicher!
Wie eingangs erwähnt:
Das ist zwar kein alltäglicher,
aber doch im Grunde genommen
ein ganz normaler, demokratischer Vorgang.
Und was mich dabei beruhigt:
Wir haben unsere elegante österreichische Bundesverfassung,
die uns durch diese Tage leitet.
Und auf die Bundesverfassung ist Verlass.
Dankeschön – einen schönen Abend noch!
(bundespraesident.at)