In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts antworten Künstler:innen in einer ganzen Reihe an Ländern mit einem neuen expressiven Gestus in der Malerei. Nach Jahren der Enthaltsamkeit, des Minimalismus und der Konzeptkunst sehen wir das Aufkomm einer neuen Farb- und Bildsprache. Ein Hunger nach Bildern fördert diese nunmehr eigenständigen und exklamatorischen Ausdrucksformen.
In Italien kann eine eigenständige Bewegung beobachtet werden, die ebenfalls auf die Figuration zurückgreift, jedoch die unmittelbare Expressivität des Künstlers unterdrückt. Es ist eine Strömung, die ihren Namen nach einer Ausstellung erhält: die Transavanguardia.
Francesco Clemente ist ein typischer Vertreter der Transavanguardia und doch wohnt ihm eine eigene, unverwechselbare Bildsprache inne. Ihn interessiert neben seiner italienischen Herkunft und seiner sehr frühen neuen Heimat, den USA, auch der ferne Osten und seine Kunst. Er bereist Afghanistan und Indien wird zum alljährlichen, fixen Ziel seiner Reisen. Hier lernt er Menschen, Kultur, deren Volkskunst und Mythen kennen, die ihm Quelle seiner künstlerischen Ideen sind.
Die mediale Vielfalt ist ein weiteres Merkmal des Künstlers. Neben der Lithografie und der Druckgrafik gibt es die Tuschzeichnung, das Gemälde oder auch Fresken in seinem umfassenden Schaffen. Die Ausstellung zeigt einen weiteren, spannenden Schwerpunkt seines Wirkens: Das Selbstporträt. Die Selbstthematisierung, die das vergrößerte Auge als Symbol für den Blick ins Innere zeigt, ist ein wiederkehrendes Thema bei Francesco Clemente.
Die Ausstellung zählt zu den Höhepunkten des Ausstellungsjahres 2022 der ALBERTINA. Neben der einnehmenden Kunst, die hier gezeigt wird, gibt es noch eine weitere Besonderheit: Es ist eine Ausstellung, die von Rafael Jablonka, dem Galeristen und großen Sammler und Mäzen kuratiert wurde. Gehängt wurde sie jedoch vom Künstler selbst. “Francesco Clemente ist es gelungen, eine ganz besondere Art der Präsentation zustande zu bringen, die ich nicht nur bewundere, sondern von der ich auch viel gelernt habe. Ich hoffe es dem Publikum genauso geht wir mir: Man taucht in die alte Welt der Mythen ein und kommt am Ende des Tages geläutert in der Gegenwart an”, so ALBERTINA-Direktor Klaus Albrecht Schröder.
FRANCESCO CLEMENTE
Der 1952 in Neapel geborene Francesco Clemente ist in Italien schon Anfang der 1970er[1]Jahre einer der herausragenden Künstler seiner Generation. Er zählt zu den Hauptvertretern der Transavanguardia, einer jener Gegenströmungen zu Minimalismus und Konzeptkunst, die mit einer Rückkehr zur figurativen Kunst und Farbigkeit, zur Symbolik, Mystik und Mythologie einhergehen. Anfang der 1980er-Jahre lässt sich Clemente in New York nieder, kehrt jedoch regelmäßig nach Italien zurück. Seine Reisen an die verschiedensten Orte der Welt, etwa nach Afghanistan und Brasilien, sowie wiederholte längere Aufenthalte in Indien beeinflussen nicht nur sein Werk, sondern auch ihn selbst und sein gesamtes Denken.
Eindrücke, Erlebnisse, Geschichten und Volksglauben gibt er in traumähnlichen Bildern mit rätselhaften Inhalten voll Poesie wieder, die auf diese Weise dynamisch und offen für unterschiedliche Interpretationen bleiben. Anhand seiner Pastelle, Aquarelle, Gouachen, Druckgrafiken und Gemälde konzentriert sich die Schau auf Clementes Selbstreflexionen, auf seine Verortung in der Welt und jene Menschen – Familie, Freunde und Wegbegleiter –, die sein Leben prägen.
Die Idee zu dieser einzigartigen Personale stammt von Rafael Jablonka, der der Albertina gemeinsam mit seiner Frau Teresa ihre bedeutende Sammlung als Dauerleihgabe übergeben hat. Diese beinhaltet auch wichtige Werke von Francesco Clemente, dem Rafael Jablonka schon lange als Kunstliebhaber, Sammler und Freund nahesteht. Er hat diese Ausstellung in enger Abstimmung mit dem Künstler konzipiert.