
11.Dezember 2025 bis 22. März 2026
„Die ALBERTINA beherbergt – neben dem Louvre und dem British Museum – eine der größten Sammlungen von Kunst auf Papier weltweit: Zeichnungen, Druckgrafiken und Aquarelle. Im kommenden Jahr feiern wir unser 250-Jahr-Jubiläum – ein idealer Anlass, diesem reichen Schatz aus 600 Jahren Kunstgeschichte eine eigene große Ausstellung zu widmen. Faszination Papier richtet den Blick auf die über eine Million Objekte umfassende Sammlung und zeigt große Kunstschätze ebenso wie die erstaunliche Vielfalt des Materials Papier: von faltbaren Sonnenuhren über Zeichnungen und Skulpturen bis hin zu kunstvollen Spielkarten“, so Generaldirektor der ALBERTINA, Ralph Gleis.
Mit dieser außergewöhnlichen Ausstellung in der Basteihalle widmet sich die ALBERTINA jenem Medium, das ihre Sammlung wie kein anderes auszeichnet. Faszination Papier rückt erstmals das Material selbst ins Zentrum und beleuchtet anhand von rund 140 Exponaten seine vielfältigen künstlerischen Bearbeitungsweisen und Erscheinungsformen.
Seit jeher haben die visuellen, haptischen oder strukturellen Eigenschaften von Papier zur künstlerischen Auseinandersetzung angeregt. Dabei ist Papier, das vor rund 2000 Jahren in China erfunden wurde, nicht nur ein zweidimensionaler Bildträger für Zeichnungen und Druckgrafiken, sondern eröffnet selbst eine Fülle von Möglichkeiten künstlerischer Gestaltung, lässt sich schneiden, reißen, prägen, falten, schichten oder entfaltet sich im Raum.
Die Ausstellung schöpft ausschließlich aus den reichen Beständen der ALBERTINA und zeigt in einem epochen- und sammlungsübergreifenden Dialog Papier in seiner Wandelbarkeit, seinen vielfältigen Qualitäten und Dimensionen. Über die Grenzen der Jahrhunderte hinweg begegnen sich historische und zeitgenössische Positionen. Bekannte Meisterwerke treten in Beziehung mit neu entdeckten, selten oder noch nie gezeigten Arbeiten und eröffnen neue Perspektiven auf die Sammlung. In zehn technischen und thematischen Kapiteln, die wie ein Parcours angelegt sind, lädt die Ausstellung zum Entdecken dieser faszinierenden Welt aus Papier ein.
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Schnitt, Struktur, Entfaltung
Die Ausstellung beginnt mit dem Kapitel Aus Schnitt mit verschiedensten Objekten aus geschnittenem Papier. Ein spätmittelalterliches Andachtsbild mit der Darstellung des Herz Jesu ist neben einem ebenso kleinen Werk von Lucio Fontana zu sehen: Beide eint der Schnitt ins Papier, der das Material körperlich auffasst bzw. räumlich erweitert. Japanische Katagami, die der Übertragung filigraner Muster auf Stoffe dienten, werden verschiedenen Scherenschnitten gegenübergestellt. Birgit Knoechl schneidet mit dieser Technik Papier zu eindrucksvollen großen dreidimensionalen Objekten, die scheinbar aus der Wand wuchern.
Das Kapitel Eindrücklich und einprägsam präsentiert Objekte, bei denen das Papier durch Abdruck von einer beschlagenen oder perforierten Metallplatte oder mit Werkzeugen reliefartig geprägt worden ist. Spätmittelalterliche Schrotschnitte und jüngere Werke von Hans Bischoffshausen, Lucio Fontana, Alena Kučerová, Sol Lewitt, Antoni Starczewski, Rebecca Salter oder Günther Uecker veranschaulichen jene Techniken.
Entfaltung im Raum vereint übergroße sowie dreidimensionale Arbeiten, darunter beeindruckende monumentale Druckgrafiken, die aus mehreren Einzelblättern zusammengesetzt sind, Albrecht Dürers und Albrecht Altdorfers Ehrenpforte und Tizians Untergang des Pharaos im Roten Meer sowie eines der wenigen erhaltenen originalen Modelle aus dem Atelier von Adolf Loos. Ein sensationeller Neufund sind äußerst seltene „Modellbaubögen“ des Dürer-Zeitgenossen Georg Hartmann, der aus Papier federleichte Vorlagen für Astrolabien, Taschensonnenuhren und Globen schuf.
Neben Objekten von Heimo Zobernig oder Tillman Kaiser breitet sich ein japanisches Leporello, dass in farbprächtigen Holzschnitten die berühmte, japanische Geschichte des Prinzen Genji erzählt, auf 26 Meter Länge im Raum aus. Liddy Scheffknechts Pop-up-Konstruktion Living Room oder Angela Glajcars beeindruckende schwebende 2014-061 Terforation zählt zu den zeitgenössischen Werken, die gezielt zur Vertiefung der einzelnen Kapitel erworben werden konnten. Peter Sandbichler hat eigens für die Ausstellung seine raumgreifende Intervention Ornamentale Verschränkung entwickelt.

Einzelblatt: 36 × 24,5 cm, ausgefaltet: 36 × 2572,5 cm, Farbholzschnitt, 34 Triptychen als Leporello gefaltet / ALBERTINA, Wien
Welt und Kosmos
Das Kapitel Die Welt im Überblick spannt den Bogen von historischen Karten wie dem Plan de Turgot von Paris oder einer neu entdeckten Karte von Hallstatt bis zur künstlerischen Aneignung von aeronautischen Karten durch Henriette Leinfellner. Die Ferne ganz nah öffnet den Blick ins Weltall und reflektiert die jahrhundertealte Faszination für das Universum. Neben den beeindruckenden Sternkarten von Albrecht Dürer, Jean-Dominique Cassinis Monddarstellung, Anselm Kiefers großformatigem Holzschnitt Der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir oder Jochen Höllers Galaxie lädt ein aus Karton gebauter Apparat von Wendelin Pressl zur Betrachtung der Oberfläche des Mondes ein.
Wahrnehmung, Identität und Bewegung
In den Kapiteln Viele Teile – ein Ganzes und Anders, als es scheint ist genaues Hinschauen gefragt. Das Alphabet des Meisters E.S. setzt sich wie der Schriftzug von Payer Gabriel aus vielen Figuren zusammen, bei der kolumbianischen Künstlerin Johanna Calle ist es genau umgekehrt: Die gedruckten Buchstaben bilden das Motiv eines Baums. Augentäuschungen wie Peter Flötners Vexierbilder oder Thomas Demands Fotografien nach Papiermodellen scheinbar realer Räume prüfen unsere Wahrnehmung und stellen deren Zuverlässigkeit infrage.
Im Kapitel Kein Tag ohne Linie stehen die künstlerische Disziplin und Leidenschaft für die Linie im Vordergrund. Claude Mellans Darstellungen mit nur einer Linie oder Martina Krestas Kreise verdeutlichen das zeitliche Moment künstlerischen Schaffens.
Das Kapitel Ich im Papier begreift das Medium als Ausdruck von Identität und Selbstreferenzialität. Rembrandt schuf so viele Selbstbildnisse wie kein anderer Künstler und stellte sich in 5 unterschiedlichster Kleidung und Mimik dar. Erstmals sind nahezu alle seine radierten Selbstbildnisse auf einer einzigen Wand vereint. Körperliche sowie autobiografische Spuren und Zeichen wie Yves Kleins ANT 88 oder Anna Barriballs Mirror machen das Papier zum Ort der Selbsterfahrung.
In Papier in Bewegung laden faszinierende Objekte zum Interagieren ein – von seltenen moralischen oder anatomischen Klappbildern bis hin zu einem rotierbaren Spottbild auf die Kirche. Nachbildungen dürfen von den Besucher:innen ausprobiert werden. Nachgebaute Zoetrope, drehbare Trommeln mit Sichtschlitzen, können in Bewegung versetzt werden. In Tone Finks Achselzuckgewand, das für Prozessionen getragen wurde, ist die Bewegung schon im Titel angelegt.

Künstler:innen:
Albrecht Altdorfer, Ottomar Anschütz, Anna Barriball, Stefano della Bella, Hans Bischoffshausen, Louis Bretez, Johann Theodor de Bry, Johanna Calle, Thomas Demand, Hans Rudolf Manuel Deutsch, Burhan Doğançay, Albrecht Dürer, Anthonis van Dyck, Tone Fink, Peter Flötner, Lucio Fontana, Utagawa Fusatane, Angela Glajcar, Conraad Goltzius, Georg Hartmann, Utagawa Hiroshige, Wenzel Hollar, Jochen Höller, Tillman Kaiser, Avish Khebrehzadeh, Toba Khedoori, Anselm Kiefer, Yves Klein, Birgit Knoechl, Marcus Kraffter, Martina Kresta, Alena Kučerová, Utagawa Kunisada I. / Toyokuni III., Utagawa Kunisada II. / Toyokuni IV., Utagawa Kuniaki II., Toyohara Kunishika, François Langot, Henriette Leinfellner, Sol Lewitt, Adolf Loos, Israhel van Meckenem, Meister E. S., Claude Mellan, Eadweard Muybridge, Jost de Negker, Oberrheinischer Meister, Jean Patigny, Payer Gabriel, Otto Piene, Jacob Anton Premblechner, Wendelin Pressl, Rembrandt Harmensz. van Rijn, Ugo Rondinone, Rebecca Salter, Peter Sandbichler, Liddy Scheffknecht, Eva Schlegel, Greta Schödl, Schwäbischer Meister, Antoni Starczewski, Günther Uecker, Victor Vasarely, Tiziano Vecellio, Hanns Wallner, Ochiai Yoshiiku, Tsukioka Yoshitoshi, Heimo Zobernig, Franz von Zülow.
Rahmenprogramm
Kurzvorträge 15 minutes An drei Abenden finden 15minütige Kurzvorträge statt, in denen die Themen der Ausstellung vertieft und einzelne Werke näher durch die Künstler:innen sowie andere Vortragende vorgestellt werden
Mittwoch, 18. Februar 2026
Mittwoch, 4. März 2026
Mittwoch, 18. März 2026
Jeweils um 18.30 Uhr im Musensaal der ALBERTINA ALBERTINA
Kids Podcast
Zur Ausstellung erscheint ein eigener Podcast für Kinder von und mit Matthäus Bär. Auf Spotify oder via QR-Code in der Ausstellung zum Anhören verfügbar.
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Quelle: Albertina