Diplomatische Residenzen und Gebäude in Wien: Russische Botschaft – seit 130 Jahren im Herzen Wiens
Seit 130 Jahren befindet sich das prächtige Palais in der Reisnerstraße 45 im 3. Wiener Gemeindebezirk im Besitz der russischen bzw. sowjetischen diplomatischen Mission.
Auch heute befindet sich hier das Palais der russischen Botschaft, und die orthodoxe Kirche St. Nikolaus mit ihren goldenen Kuppeln, die mit jedem Sonnenstrahl einen goldenen Schimmer in die Umgebung schicken, erschafft eine märchenhafte Kulisse.
Geschichte der Botschaft
Die Geschichte des Gebäudes begann 1872, als der Bankier Israel Simon den berühmten österreichischen Architekten Alois Wurm-Arnkreuz mit dem Bau eines Palais im Stil der Wiener Neorenaissance beauftragte.
Israel Simon war einer der reichsten Menschen im Königreich Hannover und Vertrauter des letzten Königs von Hannover, Georg V..1867 übersiedelte er nach Wien und gründete ein neues Bankhaus. Beim großen Börsenkrach von 1873 verlor er aber viel Geld. Sein Wiener Palais musste er bereits 1874 an Herzog Adolph von Nassau verkaufen. 1891 wurde das Gebäude vom damaligen russischen Botschafter, Fürst Aleksej Lobanow-Rostowskij, für Botschaftszwecke erworben.
Das Palais von Israel Simon war ein zweistöckiges Bauwerk mit neun Fenstern an der Hauptfassade und sechs Fenstern an der Seitenfront, was aber nicht groß und repräsentativ genug für eine diplomatische Vertretung des größten Landes Europas war. Deswegen wurde es um ein Geschoß aufgestockt und mit mehreren anderen Gebäuden ergänzt. Der Grundriss wurde in etwa beibehalten. Das später aufgesetzte letzte Geschoß ist betont schlicht gehalten.
Besonders aufwändig gestaltet ist das von roten Marmorsäulen gestützte Stiegenhaus mit der Haupttreppe. In drei Repräsentationsräumen der Beletage haben sich Reste der ursprünglichen Ausstattung erhalten.
Botschaftsgelände und die russisch-orthodoxe Kathedrale zum Heiligen Nikolaus
1899 wurde auf dem Botschaftsgelände die russisch-orthodoxe Kathedrale zum Heiligen Nikolaus errichtet. Die Kirche befindet sich buchstäblich auf russischem Boden: Vor ihrem Bau wurden dreißig Fuhrwerke russischer Erde dorthin gebracht. Der Grundstein der Kathedrale wurde 1893 unter der Herrschaft von Alexander III. gelegt, der dafür einen Großteil des Geldes spendete.
Das Erdgeschoss wurde aus diesem Grund seinem Schutzheiligen gewidmet, dem Heiligen Fürsten Alexander Newskij. Die Kathedrale wurde unter der Herrschaft Nikolai II. im Jahr 1899 fertiggestellt, weshalb der obere Teil der Kirche im ersten Stock dem Heiligen Nikolaus gewidmet wurde. Die monolithischen Säulen aus Granit sowie die einzigartigen Leuchten sind dabei ein persönliches Geschenk des Zaren.
Ereignisse rund um den Palast zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg
Sowohl die Botschaft als auch die Kathedrale haben alle Auf und Abs der russisch-österreichischen Beziehungen des 20. Jahrhunderts miterlebt.
1914 zogen Russland und Österreich als Gegner in den Ersten Weltkrieg. Die russischen Diplomaten wurden aus Wien abgezogen und die offiziellen Beziehungen abgebrochen.
Erst 1924 nahmen nach langen Verhandlungen Österreich und die junge Sowjetunion diplomatische Beziehungen auf, und das Palais im 3. Wiener Gemeindebezirk wurde wieder zur Botschaft.
1938 wurde die Mission nach dem Anschluss Österreichs an NS-Deutschland ein weiteres Mal aufgelöst. In den Jahren des Zweiten Weltkriegs waren im Gebäude zuerst eine Wohngemeinschaft der „Hitlerjugend“ und später das japanische Generalkonsulat untergebracht.
Durch zwei Bombentreffer wurde das Palais schwer beschädigt. Im April 1945 begann nach der Befreiung Wiens durch die Rote Armee eine neue Etappe in der Geschichte der Botschaft.
Historisches Treffen zwischen dem Regierungschef der UdSSR, Nikita Chruschtschow, und dem US-Präsidenten John F. Kennedy
Unter vielen internationalen Ereignissen fand 1961 in dem Gebäude in der Reisnerstrasse 45-47 auch das historische Treffen zwischen dem Regierungschef der UdSSR, Nikita Chruschtschow, und dem US-Präsidenten John F. Kennedy statt.
Die Gespräche fanden am Samstag, dem 3. Juni, in der Residenz des US-Botschafters im 13. Bezirk und am Sonntag, dem 4. Juni, im Gebäude der sowjetischen Botschaft statt. Am Samstag gab es auch Vieraugengespräche zwischen Kennedy und Chruschtschow, am Sonntag wurde stets im Team kommuniziert. Chruschtschow und Kennedy befassten sich u. a. mit der Einstellung der Kernwaffentests, West-Berlin und Laos.
In einem gemeinsamen Kommuniqué vom Abend des 4. Juni wurde von „nützlichen Besprechungen“ geschrieben und davon, dass die beiden Politiker vereinbart hätten, „in allen Fragen, die für beide Länder und für die ganze Welt von Interesse sind, Kontakt zu halten“.
Seit 1991 befindet sich in diesem Gebäude die diplomatische Vertretung Russlands.
English:
Vienna Diplomatic Residences & Buildings: Russian Embassy – in the heart of Vienna for 130 years
History of the embassy
The history of the building began in 1872 when the banker Israel Simon commissioned the famous Austrian architect Alois Wurm-Arnkreuz to build a palace in the style of the Viennese neo-renaissance.
Israel Simon was one of the richest people in the Kingdom of Hanover and confidante of the last King of Hanover, Georg V. In 1867 he moved to Vienna and founded a new bank. In the great stock market crash of 1873, however, he lost a lot of money. He had to sell his Viennese palace to Duke Adolph von Nassau as early as 1874. In 1891 the building was acquired for embassy purposes by the then Russian ambassador, Prince Aleksej Lobanow-Rostovsky.
The Palais von Israel Simon was a two-story building with nine windows on the main facade and six windows on the side, which was not large and representative enough for a diplomatic representation of the largest country in Europe. That is why it was increased by one storey and several other buildings were added. The floor plan was roughly retained. The last floor, which was added later, is kept very simple.
The staircase with the main staircase supported by red marble columns is particularly elaborate. Remnants of the original furnishings have been preserved in three representative rooms on the first floor.
Embassy grounds and the Russian Orthodox Cathedral of St. Nicholas
In 1899 the Russian Orthodox Cathedral of St. Nicholas was built on the embassy site. The church is literally on Russian soil: before it was built, thirty carts from Russian soil were brought there. The foundation stone of the cathedral was laid in 1893 under the reign of Alexander III. who donated a large part of the money for it.
For this reason, the ground floor was dedicated to its patron saint, Prince Alexander Nevsky. The cathedral was completed under the reign of Nicholas II in 1899, which is why the upper part of the church on the first floor was dedicated to Saint Nicholas. The monolithic granite columns and the unique lights are a personal gift from the tsar.
Happenings around the palace between World War I and World War II
Both the embassy and the cathedral have seen all the ups and downs of Russian-Austrian relations in the 20th century.
In 1914 Russia and Austria entered the First World War as opponents. The Russian diplomats were withdrawn from Vienna and official relations were broken off.
It was not until 1924, after long negotiations, that Austria and the young Soviet Union established diplomatic relations, and the palace in Vienna’s 3rd district became an embassy again.
In 1938 the mission was dissolved again after Austria was annexed to Nazi Germany. In the years of the Second World War, the building housed first a residential community for the “Hitler Youth” and later the Japanese Consulate General.
The palace was badly damaged by two bomb hits. In April 1945, after the liberation of Vienna by the Red Army, a new stage in the history of the embassy began.
Historic meeting between the Prime Minister of the USSR, Nikita Khrushchev, and the US President John F. Kennedy
Among many international events, the historic meeting between the head of government of the USSR, Nikita Khrushchev, and the US President John F. Kennedy took place in the building at Reisnerstrasse 45-47 in 1961.
The talks took place on Saturday, June 3, at the US ambassador’s residence in the 13th district and on Sunday, June 4, in the building of the Soviet embassy. On Saturday there were also one-on-one talks between Kennedy and Khrushchev, on Sunday there was always communication within the team. Khrushchev and Kennedy dealt, among other things, with the discontinuation of nuclear weapons tests, West Berlin and Laos.
A joint communiqué on the evening of June 4th wrote of “useful meetings” and that the two politicians had agreed “to keep in touch on all issues of interest to both countries and the whole world”. The diplomatic mission of Russia has been located in this building since 1991.
Svetlana Nenadovic Glusac