Der irakische Botschafter Baker Fattah Hussen wurde im Jahr 1957 im Sulaimaniya geboren, wo er auch das Chemiestudium an der Sulaimaniya Universität erfolgreich absolvierte.
Weitere Ausbildungen hat Botschafter Hussen zu Advanced Information Technology in Teheran absolviert, er hat ein Diplom in spanischer Sprache und Kultur – das er während seines Studiums in Spanien im Jahr 1999 erlangte, sowie ein Diplom in “Internationalen Beziehungen und diplomatischen Fragen”, welches er in seiner Studienzeit in Italien bekommen hat.
Von 2005 bis 2009 war Herr Hussen Mitglied des Parlaments in der Region Kurdistan im Irak, dann folgte 2009 sein Engagement im irakischen Außenministerium.
Im Jahr 2010 begann seine Diplomatenkarriere mit dem Posten des Botschafters in Brasilien, dann, im Jahr 2013, wurde S.E. Hussen zum Botschafter im Königreich Schweden ernannt.
Von 2017 bis 2018 war S.E. Hussen Leiter der Abteilung für Europa im irakischen Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, und im März 2019 übernahm er den Posten des Botschafters der Republik Irak in der Republik Österreich.
Herr Hussen spricht Arabisch, Englisch, Farsi, Italienisch, Kurdisch, Portugiesisch und Spanisch, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Für das Magazin Diplomacy and Commerce Austria sprachen wir mit S.E. Botschafter Baker Fattah Hussen über die aktuellen Geschehnisse im Irak, über die angespannte Lage im Mittleren Osten, über der Proteste im Irak, ob die jetzige Krise einen Ölpreis-Schock auslösen kann, das wirtschaftliche Potenzial des Iraks und über die Beziehungen zwischen dem Irak und Österreich.
Wegen der Ereignisse in der Grünen Zone Bagdads, bei denen vor kurzem mehrere Raketen nahe der US-Botschaft in Bagdad einschlugen, sind alle Augen auf den Irak gerichtet. Hat sich die Lage inzwischen beruhigt?
Grundsätzlich ist jeder Angriff auf ausländische Räumlichkeiten, diplomatische und konsularische Vertretungen, eine rechtswidrige Handlung und wird von der irakischen Bundesregierung verurteilt. Dies schließt jene Angriffe auf die Auslandsmissionen ein, die von der irakischen Regierung eingeladen wurden, um die irakischen Behörden im Kampf gegen die terroristischen Gruppen, die sog. DEASH, zu unterstützen. Dazu kommen die Auslandsmissionen, die eingeladen wurden, um die Sicherheitssituation zu verbessern und die Stabilität in verschiedenen Städten im Irak zu unterstützen, die unter Kontrolle dieser terroristischen Gruppierungen standen. Die irakische Regierung verordnete als Antwort auf solche Aktionen eine Ermittlung, um die Gesetzesbrecher vor Gericht zu bringen. Im Gegenzug wird jede Reaktion auf solche Angriffe von der irakischen Regierung abgelehnt, dies würde den irakischen Staat schwächen und seine Souverenität verletzen. Deeskalation wird an alle Beteiligten appelliert, um schwerwiegende Folgen für das ganze Land zu vermeiden.
Die Nato-Staaten beschließen, sich künftig stärker im Irak zu engagieren, bisher fehlt jedoch eine Einladung aus Bagdad. Andererseits hat auch US-Außenminister Mike Pompeo dem designierten irakischen Ministerpräsidenten Mohammed Tawfik Allawi, der inzwischen zurückgetreten ist, die Unterstützung angeboten – wie steht das offizielle Bagdad dazu?
Die Beziehung zwischen dem Irak und den NATO-Ländern basiert auf einer kollaborativen Partnerschaft. Im Oktober 2018 erstellte das NATO-Bündnis eine Mission im Irak – die NMI. Dies ist eine nichtkämpfende Mission, bestehend aus Militär- und Zivilpersonal. Die NMI arbeitete mit den irakischen Behörden, um Expertise und bewährte Verfahren in der Sicherheit, der Reform des Verteidigungssektors, Institutionenbildung sowie Training und Bildung von der gesamten Allianz und deren Partner, insbesondere die Partnerschaft zwischen dem Irak und der NATO, in Koordination und Kooperation mit der Globalen Koalition, mit ihrem Engagement in der Terrorbekämpfung, zusammenzubringen. Im Kampf gegen diese Bedrohung half die NATO dem Irak, seine Kapazitäten im Bereich der Sicherheitskräfte auszubilden und das Wiederauftreten der sog. DEASH Terroristengruppe zu verhindern.
Anfang März scheiterte der designierte irakische Premierminister Mohammed Allawi daran, in der verfassungsmäßig vorgeschriebenen Zeit eine Regierung zu bilden. Ist ein Politiker in Sicht, der das Vertrauen der Mehrheit der politischen Parteien und Parlamentsfraktionen bekommen kann?
Die dramatische Transition des Irak von diktatorischer zu demokratischer Herrschaft seit 2003 ist eine Tatsache. Natürlich kann man behaupten, der Irak hat keine funktionierende Demokratie, sondern bewahre nur die Maskerade, aber er hat eine. Eine Tatsache, die von den weltweiten demokratischen Mächten und den Prinzipien der Demokratie unterstützt wird, die in der neuen Verfassung Iraks bestätigt wurde, die am 15. Oktober 2005 mittels Volksabstimmung gebilligt wurde. Dementsprechend haben die politischen Parteien und Politiker in der irakischen politischen Arena freien Weg zur Machtergreifung, je nach dem, wie sehr sie an den politischen Pluralismus glauben. In solch einem Rahmen muss die einzigartige Zusammensetzung der irakischen Gesellschaft als ein Mosaik betrachtet werden. Sie ist zusammengesetzt aus Arabern (Schai und Sunna), Kurden, Turkmenen, Sabiern, Christen, Shabak, Jesiden. Als Folge dessen muss ein Politiker, um das Vertrauen der Mehrheit zu bekommen, dieses Mosaik beachten und zufriedenstellen, um seinen Weg zu gehen.
Wie ist die Meinung der irakischen Experten – wird die jetzige Krise im Mittleren Osten einen Ölpreis-Schock auslösen?
Im letzten Monat trafen sich die großen Erdölerzeuger im OPEC-Hauptquartier in Wien mit einer verzweifelten Bemühung, die Erdölpreise vor dem Sturz zu retten, der als Folge der Ausbreitung des Coronavirus (COVID-19) entstand. Dazu gibt es einen Fall des Wirtschaftswachstums. Einige Ansichten standen zur Debatte, jedoch wurde keine Vereinbarung getroffen. Die OPEC-Mitglieder waren einverstanden, ihre Kooperation und den Dialog fortzusetzen. Ein weiteres Treffen wurde im April gehalten, um die Diskussion, wie der Krise zu begegnen ist, fortzusetzen.
Der Irak steht auf der Weltrangliste der Länder mit den meisten Bodenschätzen auf Platz vier. Iraks Wirtschaft basiert vor allem auf dem Export von Erdöl. Welche Zweige der irakischen Wirtschaft haben weiteres Potenzial?
Die irakische Ökonomie ist eine Rentenökonomie. Den größten Teil davon macht die Erdölindustrie aus. Jedoch hat sich die irakische Regierung zum Ziel gesetzt, dass ihr Einkommen von verschiedenen Quellen abhängig sein soll. Dies kann man in ihrer Strategie und ökonomischen Plänen sehen. Den Touristen, insbesondere den religiösen Touristen, wird besondere Achtung geschenkt. Die lokale Industrie und Landwirtschaftssektoren sind auch die Hauptfelder, die das Potenzial haben, die irakische Wirtschaft zu unterstützen und zu stärken. Im Bereich des religiösen Tourismus zum Beispiel, kommt es sehr oft vor, dass der irakische Staat als sehr interessant von der Mehrheit der Menschen weltweit betrachtet wird, aufgrund der großen Anzahl von Grabstätten und/oder heiligen Schreinen im Irak. Dies kann auch dazu beitragen, das von niedrigen Erdölpreisen verursachte Defizite und/oder andere Krisen, denen das Land gegenübersteht, zu kompensieren.
Wie ist die Beziehung zwischen dem Irak und Österreich, und wo sehen Sie, Ihrer Meinung nach, das Potenzial für eine Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen Österreich und dem Irak?
Die Beziehung zwischen dem Irak und Österreich geht auf das Jahr 1957 zurück, als die Botschaft des Iraks in Wien eröffnet wurde. Seit diesen Jahrzehnten bezeugt die Beziehung einen sehr kooperativen und kollaborativen Rahmen. Dies war vor allem nach dem Jahr 2003 klar, als Österreich die Transition des Iraks zur Bildung der Demokratie unterstützte, indem es humanitäre Unterstützung schickte und eine Konferenz für die irakischen politischen Parteien hielt, um die Prinzipien der neuen Verfassung des Iraks zu diskutieren. Als Folge dessen etwickeln sich die bilateralen Beziehungen der beiden Länder weiter. Wenn wir zum Beispiel auf die Zusammenarbeit im Wirtschaftssektor blicken, erreichte der Handelsaustausch zwischen dem Irak und Österreich etwa 132.582.931 Euro, eine Summe, die den Irak auf Platz drei der arabischen Staaten im Handelsaustausch mit Österreich brachte. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit den österreichischen Behörden, um diese Kooperation auszuweiten und zu verbessern, zum beiderseitigen Nutzen der beiden Nationen.
(Svetlana Nenadovic-Glusac)