Der Tod von Japans früherem Premier Shinzo Abe hat auf der ganzen Welt für Erschütterung gesorgt. Der Attentäter gestand bereits, die Frage nach einem Motiv ist aber noch ungeklärt. Japan gilt als eines der sichersten Länder der Welt. Nun wird debattiert, wie es zum Anschlag kommen konnte.
“Das ist eine Tragödie für Japan und für alle, die ihn kannten. Sogar in dem Moment, in dem er angegriffen wurde, war er für die Demokratie im Einsatz”, reagierte US-Präsident Joe Biden. “Die USA stehen in diesem Moment der Trauer an der Seite Japans. Ich sende seiner Familie mein tiefstes Beileid.” Aus der EU drückten unter anderem Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel ihr Beileid aus.
Russlands Präsident Wladimir Putin kondolierte ebenso wie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Abe sei ein “herausragender Staatsmann” gewesen, der viel für die Entwicklung “gutnachbarlicher Beziehungen zwischen unseren Ländern” getan habe, sagte Putin. “Ich spreche seiner Familie und den Menschen in Japan in dieser schwierigen Zeit mein tiefstes Beileid aus. Die abscheuliche Gewalttat ist unentschuldbar”, so Selenskyj.
“Angriff auf Fundament der Demokratie”
Auch aus Österreich kamen Beileidsbekundungen. Es ist ein trauriger Tag für die Menschen in Japan. Für alle Menschen, die für die Werte unserer Demokratie einstehen”, twitterte Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Freitag. Auch Bundeskanzler Karl Nehammer und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) zeigten sich schockiert.
In Japan brach Abes Nachfolger an der Spitze der Liberaldemokratischen Partei (LDP), Regierungschef Fumio Kishida, sofort seinen Wahlkampf ab und kam per Hubschrauber zurück nach Tokio. Seine Regierung richtete einen Krisenstab ein. Kishida verurteilte den Anschlag als “barbarischen Akt”. Das Attentat sei ein inakzeptabler Angriff auf das Fundament der japanischen Demokratie. Ihm sei kein Motiv für den “absolut unverzeihlichen” Angriff bekannt. “Mir fehlen die Worte. Ich spreche mein aufrichtiges Beileid aus und bete, dass seine Seele in Frieden ruhen möge”, so Kishida.
Von hinten erschossen
Der 67-jährige Abe wurde in Nara während einer Wahlkampfveranstaltung von hinten erschossen. Er stand an einer Kreuzung vor einem Bahnhof und sprach zu einer Menschenmenge von Hunderten, als Busse und Lieferwagen hinter seinem exponierten Rücken auf der Straße vorbeifuhren, auf der der Angreifer auftauchte. Abe hob während seiner Rede die Faust, zwei Schüsse erklangen. Aus der Menschenmenge waren Schreie zu hören, Sekunden später fiel Abe zu Boden. Er hielt sich die Brust, sein Hemd war blutverschmiert. Helfer versuchten, eine Herzmassage durchzuführen. Sicherheitsleute sprangen auf den mutmaßlichen Attentäter und machten ihn dingfest.
Per Hubschrauber wurde Abe ins Krankenhaus gebracht, dabei soll er noch bei Bewusstsein gewesen sein. Der Leiter der Notaufnahme der Nara Medical University, Hidetada Fukushima, erklärte, Abe habe neben zwei Halswunden, die eine Arterie beschädigten und starke Blutungen verursachten, schwere Schäden an seinem Herzen erlitten. Als er im Krankenhaus angekommen sei, habe er sich in einem Zustand eines Herz-Kreislauf- und Lungenstillstands befunden, so Fukushima.
“Groll gegen eine Organisation”
Der Tatverdächtige ist der 41 Jahre alte Tetsuya Yamagami, er wurde noch am Tatort festgenommen. Laut Polizei gestand er bereits das Attentat. “Der Verdächtige gab an, dass er einen Groll gegen eine bestimmte Organisation hege und die Tat begangen habe, weil er glaubte, dass der ehemalige Ministerpräsident Abe eine Verbindung zu ihr habe”, sagte ein hochrangiger Polizeibeamter am Freitag.
Der geständige Attentäter hatte laut NHK bis 2005 drei Jahre der japanischen Marine angehört. Wegen der pazifistischen Verfassung Japans wird das Militär dort Selbstverteidigungsstreitkräfte genannt. Yamagami habe seine Beschäftigung bei einer Firma im Mai beendet, sagte ein Vertreter einer Arbeitsvermittlungsfirma.
Das Attentat hatte Yamagami mit einer selbst gebauten Waffe verübt. Laut Polizei wurden im Haus des Verdächtigen weitere Waffen im Eigenbau entdeckt. Japan hat äußerst strenge Waffengesetze, laut der nationalen Polizeibehörde gab es in Japan im vergangenen Jahr nur zehn Vorfälle im Zusammenhang mit Schusswaffen, von denen einer tödlich war.
Abes Ermordung war die erste eines amtierenden oder ehemaligen japanischen Ministerpräsidenten seit den Tagen des Vorkriegsmilitarismus in den 1930er Jahren. Der damalige Premierminister Tsuyoshi Inukai wurde 1932 von radikalen Marineoffizieren ermordet.
„Tragödie für Japan“: Entsetzen nach tödlichem Attentat auf Abe – news.ORF.at