75. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen zwischen Indien und Österreich
Bundeskanzler Karl Nehammer hat am Mittwoch den indischen Premierminister Narendra Modi im Bundeskanzleramt zu einem offiziellen Besuch empfangen. “Es ist eine große Ehre, den Premierminister in Österreich begrüßen zu dürfen. 2024 begehen wir den 75. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen zwischen unseren beiden Nationen. Es gibt ein sehr vertrauensvolles Verhältnis zwischen Indien und Österreich, das vor allem historisch gewachsen ist. Indien war für Österreich ein wichtiger Partner und Unterstützer, als es darum ging, die Friedensverhandlungen nach dem Zweiten Weltkrieg, die dann am Ende in den Staatsvertrag gemündet haben, voranzubringen. 1955 konnten dann die Verhandlungen mit dem Staatsvertrag positiv abgeschlossen werden”, sagte der Bundeskanzler bei einer gemeinsamen Pressekonferenz anlässlich des ersten Besuchs eines indischen Premierministers in Österreich seit 41 Jahren.
“Damals wie heute verbindet uns die Sorge um die Entwicklung der geopolitischen Lage. Vor diesem Hintergrund waren die Gespräche gestern Abend und heute Vormittag besonders vom russischen Angriffskrieg in der Ukraine geprägt. Als österreichischer Bundeskanzler war es mir besonders wichtig, die Sichtweise Indiens kennenzulernen und zu verstehen und gleichzeitig auch Indien mit der europäischen Sorge vertraut zu machen”, so Nehammer.
Darüber hinaus war der Konflikt im Nahen Osten ein großes Thema. Neben dieser herausfordernden geopolitischen Sicherheitslage wurden die wirtschaftliche Zusammenarbeit, die Möglichkeit der Kooperation in Forschung, Innovation, aber vor allem auch in Investitionen in die Zukunft thematisiert.
Ukraine/Russland: Gemeinsames Ziel ist ein umfassender, gerechter und dauerhafter Frieden
Vor seinem Besuch in Österreich hat Premierminister Modi in Moskau den russischen Präsidenten zu einem Austausch getroffen. Dazu erklärte der Kanzler: “Für mich war es besonders wichtig, die persönliche Einschätzung von Premierminister Modi zu den Absichten Russlands in Bezug auf einen Friedensprozess zu erfahren. Unser gemeinsames Ziel muss ein umfassender, gerechter und dauerhafter Frieden im Einklang mit der UN-Charta sein. Wesentlich ist die Unterstützung von Seiten der Europäischen Union für eine freie und prosperierende Ukraine. Österreich leistet hier einen wesentlichen Beitrag, indem wir mittlerweile direkt 250 Millionen Euro an humanitärer, bilateraler Hilfe geleistet haben.”
Es sei ein wichtiges Zeichen, dass Indien, als Gründungsmitglied der BRICS-Staaten, im Juni am Schweizer Friedensgipfel in Bürgenstock teilgenommen habe. Die BRICS-Staaten, zu denen auch Indien gehört, sind wichtige Partner. “Wir haben heute über ein noch stärkeres gemeinsames Engagement und weitere Möglichkeiten gesprochen, den Friedensprozess wieder in Gang zu bringen. Indien hat eine einzigartige Stellung im sogenannten Globalen Süden und ist die größte Demokratie der Welt”, betonte Nehammer, der sich davon überzeugt zeigte, dass “die Rolle Indiens entscheidend sein wird, um den auf dem Friedensgipfel begonnenen Prozess fortzusetzen.”
Österreich werde dabei als verlässlicher Partner und Ort des Dialogs zur Verfügung stehen, um aufgrund seiner einzigartigen Stellung als neutrales Land, das Teil der Europäischen Union, nicht aber Teil eines Militärbündnisses ist, zu vermitteln. “Wir stehen als Brückenbauer für eine Lösung auf dem Weg hin zum Frieden zur Verfügung.”
Wirtschaftsbeziehungen: Großes Potenzial bei erneuerbaren Energien, Stadt- und Umwelttechnologien sowie Infrastruktur
Darüber hinaus wurden bei dem gemeinsamen Austausch auch die wirtschaftlichen Beziehungen zueinander thematisiert: “Wir sehen, dass sich die Weltwirtschaft derzeit in einer zunehmend herausfordernden Situation befindet. Vor diesem Hintergrund ist es, gerade für Österreich, dessen Wirtschaft sehr stark auf Export ausgerichtet ist, wichtig, neue Formen und Möglichkeiten der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu entwickeln. Es gibt bereits jetzt hervorragende Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zu Indien, die von Vertrauen und guten Erfahrungen geprägt sind”, erklärte Bundeskanzler Karl Nehammer.
Indien ist mit einem Handelsvolumen von rund 2,7 Milliarden Euro im Jahr 2023 schon jetzt einer der wichtigsten Handelspartner Österreichs außerhalb der Europäischen Union. Derzeit sind mehr als 150 österreichische Unternehmen und Tochtergesellschaften in Indien aktiv. Und es sollen noch mehr werden, denn “es gibt einen großen Bedarf an wirtschaftlicher Zusammenarbeit.”
“Ich bin zuversichtlich und sehe großes Potenzial in den Bereichen erneuerbare Energien, Stadt- und Umwelttechnologien sowie Infrastruktur. Es ist sehr beeindruckend, wenn man sich die Erfolge Indiens ansieht, wenn es darum geht, die Digitalisierung in die Gesellschaft hineinzubringen und die entsprechende Infrastruktur in derselben Geschwindigkeit auszubauen”, so Nehammer.
Wirtschaftsforum in der Hofburg
Mit dem heutigen Business Forum in der Hofburg wurden rund 40 Unternehmen aus Indien und Österreich zusammengebracht. “Dabei geht es um Kooperation und Partnerschaft und darum, gemeinsam neue wirtschaftliche Möglichkeiten zu erarbeiten. Was besonders wichtig ist: dass es auch eine Kooperation im Wissenschaftsbereich und eine intensivierte Zusammenarbeit zwischen den Universitäten in Österreich und den Universitäten in Indien gibt. Es gibt kein besseres Mittel, um verschiedene Kulturkreise zusammenzubringen, als wenn junge Menschen einander begegnen und gemeinsam an Projekten forschen. Ziel ist es, dass wir auf der wissenschaftlichen Seite und auch im Bereich der Forschung die Zusammenarbeit intensivieren”, bekräftigte der Kanzler.
Zum Abschluss seines Statements bedankte sich der österreichische Regierungschef für die Zusammenarbeit und den Austausch. “Ich freue mich über den Besuch des Premierministers und darüber, dass wir die Zusammenarbeit mit der größten Demokratie der Welt weiter ausbauen können – für eine gemeinsame, gute Zukunft für die nächsten Generationen”, so Nehammer abschließend.
BKA
Fotos: BKA/ Andy Wenzel